Hafencity Hamburg (05/2005, Hamburg)

Eine Stadt für das 21. Jahrhundert

Leben, Arbeiten, Kultur und Freizeit am Wasser

Die HafenCity bietet Hamburg eine Chance, wie sie Metropolen nur selten haben. 800 Meter vom Rathaus entfernt und fußläufig an die gewachsene City angebunden entsteht direkt am Wasser eine Stadt des 21. Jahrhunderts, in der 12.000 Menschen wohnen und 40.000 arbeiten werden. Diese Vision ist gleichzeitig eine große Herausforderung für die Planer. Die Entwicklung der HafenCity ist eine der ambitioniertesten Städtebauentwicklungen Europas.

Kräne drehen sich, die ersten Büros und Wohnungen werden bezogen. Von einer Flaute am Immobilienmarkt ist in der HafenCity nichts zu spüren. Die neue Stadt im alten Hafen ist bereits heute eine Attraktion. Unternehmen verlegen ihre Hauptverwaltungen und Europazentralen an die Kais der einst modernsten Hamburger Hafenbecken. Nicht weniger begehrt sind die Wohnungen am Wasser. Weitsichtige Engländer waren die ersten, die die noch im Bau befindlichen Apartments kauften und das Potenzial des neuen Quartiers erkannten. Die HafenCity ist zu einem der wichtigsten Motoren für das Programm der wachsenden Stadt geworden.

Anders als andere Städte hatte Hamburg nicht abgewartet, bis die den Anforderungen der modernen Containerverkehre nicht mehr genügenden Hafenanlagen verfielen. Bereits auf dem Bauforum von 1989 hatten Architekten erste Gedanken dazu skizziert. Die historische Speicherstadt, vor einem Jahrhundert eine der modernsten Umschlag- anlagen Europas, war ebenso wie viele der Kais noch voll im Betrieb, als sich Mitte der 1990er Jahre die Planungen für die HafenCity konkretisierten. In aller Stille und ohne Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen, begann die Stadt, Grundstücke für das Jahrhundertprojekt aufzukaufen. Im Mai 1997 präsentierte Bürgermeister Dr. Henning Voscherau erstmals die Vision der HafenCity öffentlich. Ein Jahr später wurde die HafenCity Hamburg GmbH (damals noch GHS Gesellschaft für Hafen- und Standort- entwicklung mbH), eine stadteigene Gesellschaft, für das Entwicklungsmanagement eingesetzt. Im Februar 2000 verabschiedeten Senat und Bürgerschaft den Masterplan als Entwicklungsrahmen für die HafenCity.

Die Stadt wächst an den Strom

Die HafenCity bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Hamburger Stadtentwicklung. In der Phase der Industrialisierung hatte sich die Stadt weg von der Elbe rund um die Alster und in den Norden entwickelt. Die City wurde, vor allem nach dem Großen Brand von 1842, zur beinahe reinen Geschäftsstadt. Die Menschen zogen in die einge- meindeten Dörfer, die heute so beliebten, stadtnahen Wohnquartiere. Die HafenCity setzt völlig neue Akzente. Mit ihr knüpft die Stadt Hamburg an ihre Wurzeln an und wächst von der Alster wieder zurück an die Elbe in die obsolet gewordenen einstigen Hafenareale. Die Trennung zwischen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur werden aufgehoben. In der HafenCity entsteht nicht nur ein neues Dienstleistungszentrum, sondern gleichzeitig das größte innerstädtische Wohnquartier. Was die Faszination dieses auf ein Vierteljahrhundert angelegten Projektes ausmacht: In der HafenCity entsteht in direkter Anbindung an die gewachsene Innenstadt eine Stadt des 21. Jahrhunderts.

Wohnen und Arbeiten bilden wieder eine Einheit

Schon der erste Bauabschnitt, der Sandtorkai, zeigt deutlich, wie sich die Planer das Leben im Kommunikations- und Wissenszeitalter vorstellen. Nur drei der insgesamt acht Gebäude in einer maßvollen Größenordnung zwischen 4.000 m2 BGF und 5.000 m2 BGF sind reine Bürogebäude. Für die übrigen ist eine gemischte Nutzung vorgesehen. 120 Wohnungen sind im ersten Bauabschnitt der HafenCity geplant. Für die Investoren und Architekten bedeutete das eine besondere Herausforderung. Denn sie mussten mit einem Tabu brechen. Wohnen und Arbeiten unter einem Dach galt bisher in Deutsch- land als unwirtschaftlich und nicht realisierbar. Das Ergebnis lässt sich sehen. Die ersten Büros und Wohnungen sind inzwischen bezogen. Entstanden sind höchst interessante Grundrisslösungen, mit denen sowohl die Entwickler als auch die Mieter und Käufer zufrieden sind.

Von der Mietwohnung bis zum Designerloft

Konsequent beschritten die Planer auch beim zweiten Bauabschnitt, dem Dalmannkai, neue Wege. 650 Wohnungen werden hier entstehen, eingebettet in eine urbane Landschaft mit Parks, Grünflächen und Bummelboulevards mit Restaurants entlang der ehemaligen Kaianlagen. Dabei soll der Dalmannkai, trotz der exzellenten Lage direkt am Wasser, keine exklusive Adresse werden. Gezielt wurden die Grundstücke an Investoren mit den unterschiedlichsten Konzepten vergeben.

Das Spektrum reicht von der Mietwohnung der Baugenossenschaften mit moderaten Preisen über anspruchsvollen Modulbau bis hin zum luxuriösen Designerloft. Der Grundsatz des Miteinander von Wohnen und Arbeiten gilt allerdings auch in diesem Bauabschnitt. Auch hier werden Dienstleistungen in unmittelbarer Nachbarschaft ihr Domizil finden. Städtebaulich werden die Bürogebäude die Aufgabe übernehmen, das Wohnquartier vom Lärm der Verkehrswege abzuschirmen.

Die Anhandgabepraxis minimiert die Risiken

Schon diese planerischen Ansätze machen deutlich, welche hohen Ansprüche an die Entwicklung der HafenCity gestellt werden. Um sie zu gewährleisten, wurde ein beson- deres Verfahren für die Vergabe der Grundstücke gewählt: die Anhandgabe. Dem Investor, der sich im Rahmen einer Ausschreibung mit seinem Konzept bei der HafenCity Hamburg GmbH um ein Grundstück bewirbt und den Zuschlag erhält, wird bis zum Grundstückskauf und damit bis zur endgültigen Investitionsentscheidung eine Frist von im Allgemeinen einem Jahr für eine detaillierte Planung eingeräumt. In dieser Zeit kann er mit vergleichsweise geringem Risiko überprüfen, ob sich seine Ideen realisieren lassen und ob sie vor allem auch ein wirtschaftlich tragendes Fundament haben. In diesem Zeitraum entwickelt er in Abstimmung mit der Stadt sein Projekt. In der Regel wird ein Architektenwettbewerb durchgeführt, der in enger Zusammenarbeit mit der Stadt und der HafenCity Hamburg GmbH ausgeschrieben und entschieden wird.

Das Anhandgabeverfahren verhindert eine ungezügelte Spekulation, wie sie oft bei Neubauvorhaben dieser Größenordnung zu beobachten ist, und in der Folge Bauruinen und Pleiten. Die Erfahrungen in der HafenCity zeigen, dass nur in seltenen Fällen die gemeinsame Arbeit an einem Projekt nicht zu dem erhofften Ergebnis führt und ein Grundstück an die Stadt zurückgegeben wird. Die HafenCity wird zum internationalen Unternehmensstandort.

Der Erfolg der HafenCity bestätigt sowohl die städtebauliche Entscheidung zur Erweiterung der Innenstadt als auch die Vorgehensweise. Schneller als selbst die Optimisten in den Planungsbüros erwartet hatten, hat sich die HafenCity als Bürostandort etabliert. Während andere Städte über zwei-stellige Leerstandsquoten klagen, bauen internationale Unternehmen in der HafenCity. SAP, das erste Unternehmen, das sich für den neuen Standort am Wasser entschieden hatte, ist bereits seit Januar 2003 mit seiner Geschäftsstelle und Schulungszentrum mit einer Fläche von 12.500 m2 präsent. Im Frühjahr 2005 bezieht die Wölbern Bank ihre Unternehmenszentrale am Sandtorkai. Als erstes internationales Unternehmen hat die chinesische Reederei China Shipping, eine der größten Containerschiffreedereien der Welt, ein markantes Gebäude am Sandtorkai als Europazentrale erworben und zieht im Juni in die HafenCity. Kühne + Nagel, der in Bremen gegründete, heute aus der Schweiz geleitete, weltweit operierende Logistikkonzern, beginnt im Frühjahr 2005 mit dem Bau seiner Deutschlandzentrale und seines internationalen IT-Zentrums. Gemeinsam mit Strabag entwickelt die niederländische ING Real Estate ein weiteres, höchst originelles Bürogebäude am Dalmannkai. Nicht weit davon entfernt wird der Schiffsversicherer Pantaenius seinen Unternehmenssitz haben. Die Deutsche Seereederei, deren Immobilientochter zu den führenden Entwicklern der City Süd gehört, plant ihre neue Unternehmenszentrale am Dalmannkai. Der amerikanische Stararchitekt Richard Meier entwirft das Amerika-Zentrum am Sandtorpark, mit dessen Bau Ende des Jahres begonnen wird. Weitere Projekte zum Beispiel mit dem Germanischen Lloyd befinden sich in konkreten Planungs- und Abstimmungsprozessen.

Internationale Investoren planen das Überseequartier

Den nächsten großen Entwicklungsschritt markiert das Überseequartier, das Herz der HafenCity. Direkt am Magdeburger Hafen sind 270.000 m2 BGF für Büros, Handel, Wohnungen und Tourismus geplant. Entlang des Magdeburger Hafens werden Boulevards mit Restaurants entstehen. Zu den Highlights werden das Kreuzfahrt- terminal, an dem jährlich 40 bis 60 Traumschiffe festmachen, sowie eine Maritime Erlebniswelt mit einem Science Center zum Thema Meer und einem Aquarium zählen. Mehrere städtische Behörden werden ihren Sitz aus der Innenstadt in das Übersee- quartier verlegen. Dieses Projekt mit einem Investitionsvolumen zwischen 700 und 800 Mio. E hat sowohl bei deutschen als auch bei internationalen Investoren großes Interesse ausgelöst. Mit mehr als einem halben Dutzend internationalen Bewerbern wurden konkrete Gespräche geführt. In die Endauswahl kamen zwei Konsortien, denen neben namhaften deutschen Entwicklern Investoren aus den USA und den Niederlanden angehören. Im Sommer wird die endgültige Entscheidung fallen. Ende 2006 sollen die Bauarbeiten beginnen. Für 2009 bis 2011 ist die Fertigstellung geplant, die neue U-Bahn-Linie U4 geht 2011 in Betrieb.

Die Faszination der HafenCity, ihre Akzeptanz als Standort für Wohnen und Arbeiten fußt vor allem auf die konsequente Einbeziehung des Wassers in die städtebauliche Planung. Im Sandtorhafen werden historische Schiffe festmachen, im Grasbrookhafen ist eine Marina geplant. Die Bewohner der teils über die Kais hinausragenden Wohnhäuser haben den Liegeplatz für ihre Yacht direkt vor der Haustür. Boulevards mit Restaurants führen an den ehemaligen Kais entlang und laden zum Bummeln ein. Vom Sandtorpark führen geschwungene und versetzte Treppen hinunter ans Wasser. Der Entwurf von EMBT Associated Architects aus Barcelona bringt einen Hauch südländischen Flairs in den Norden.

Eine Kulturmetropole setzt neue Highlights

Hamburg nutzt die HafenCity als Chance, sich als Kulturmetropole international zu profilieren. Eine der Attraktionen für Besucher aus aller Welt wird das Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm sein, das in dem historischen Kaispeicher B sein Domizil haben wird. Den Planern der HafenCity ist es gelungen, mit dieser Sammlung einen bislang nur wenigen Fachleuten bekannten Schatz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit ihrem Umfang ist die maritime Sammlung Tamms weltweit einzigartig. Ein weiterer Schwerpunkt mit internationaler Ausstrahlung wird die Maritime Erlebniswelt im Überseequartier. Mit der Bauakademie wird eine anspruchsvolle Hochschule ihren Sitz in der HafenCity haben. Gleichzeitig soll die HafenCity in die Hamburger Kunstszene integriert werden. Gemeinsam mit der Hamburgischen Kulturstiftung hat die HafenCity Hamburg GmbH einen Wettbewerb für Kunst und Kultur in der HafenCity für Hamburger Künstler aus allen Kultursparten ausgeschrieben. Ziel der Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung ist es, neben den festen Institutionen mit temporären Projekten und ausgefallenen Ideen das kulturelle Leben in der HafenCity zu verankern.

Die Elbphilharmonie hoch über dem Strom

Herausragender Kulturstandort wird allerdings die von den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron geplante Elbphilharmonie auf dem Dach des Kaispeichers A hoch über dem Strom. Mit 2.200 Plätzen wird sie den größten Konzertsaal der Hansestadt beherbergen.

Sie wird den Ruf Hamburgs als Musikstadt international verankern, der sich auf Komponisten wie Telemann, den Hamburger Bach, Brahms sowie nicht zuletzt auf Rolf Liebermann als legendären Chef der Hamburger Oper und Ballettmeister John Neumeier gründet. Wie lebendig die Musikszene der Hansestadt ist, zeigen allein die 400.000 Besucher, die die nach ihren Spendern benannte Laeizhalle bereits heute zählt. Beide Konzerthäuser zusammen werden es ersten Schätzungen zufolge auf rund 660.000 Besucher im Jahr bringen, darunter mehr als 100.000 Touristen, die ihre Hamburgreise mit dem Erlebnis eines Konzerts in der Philharmonie mit ihrer Aufsehen erregenden Architektur und dem Blick weit über die Elbe krönen.

Die neue Stadt am Hafen und nicht zuletzt ihre kulturellen Highlights werden wesentlich dazu beitragen, Hamburg international weiter zu profilieren und die anspruchsvollen Ziele der Stadtentwicklungspolitik voranzubringen. Schon heute findet die HafenCity als eines der ambitioniertesten Stadtentwicklungsprojekte Europas große Aufmerksamkeit in der Fachwelt. Mit ihr setzen sich nicht nur Architekten und Stadtplaner auseinander, sondern auch andere Disziplinen an wissenschaftlichen Hochschulen und Instituten. Die HafenCity ist das Symbol der Aufbruchstimmung, mit der Hamburg in das 21. Jahrhundert geht.
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