Region Ruhr (10/2007, National)

Urbane Wasserlagen: Hanns-Ludwig Brauser

URBANE WASSERLAGEN

Interview mit Hanns-Ludwig Brauser, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH

Herr Brauser, Sie sind Geschäftsführer der neu gegründeten Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH. Bitte erläutern Sie uns die Aufgaben Ihrer Gesellschaft.

Die Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH – ein Team von 15 hoch motivierten Mitarbeitern – versteht sich in ihrer koordinierenden Funktion als Ergänzung zu den kommunalen Wirtschaftsförderern. Im Wesentlichen haben wir uns drei Aufgaben gestellt: Zunächst muss das Marketing der Region verbessert werden, denn hier gibt es große Defizite. In vielen Bereichen hat die Metropole Ruhr durchaus Potentiale, beispielsweise als Investitionsstandort und als Standort mit Lebensqualität. Doch diese werden den Zielgruppen bisher nicht ausreichend vermittelt – nicht ausreichend nach innen und noch weniger nach außen.

Marketing nach innen ist meiner Überzeugung nach ein Teil der Bestandssicherung für hier ansässige Unternehmen. Wir wissen aus Befragungen, dass weit über 60 % der Studentinnen und Studenten der Auffassung sind, Stuttgart, München und Hamburg würden reizvollere ökonomische Perspektiven bieten als das Ruhrgebiet. Deswegen müssen wir das, was wir an technologischer Qualität besitzen, immer wieder penetrieren, speziell im Ingenieurbereich und ebenso im Dienstleistungsbereich.

Außerdem müssen wir uns auf den Wettbewerb vorbereiten, vor allem bezüglich der Förderung durch das „Ziel 2“-Programm der Europäischen Union. Hier haben wir unsere Kompetenzfelder sortiert und uns insbesondere in den Bereichen Energie, Chemie sowie Gesundheitswirtschaft positioniert. Es gilt, alle Potentiale der Region zusammenzubringen. Denn dann sind wir von den Kompetenzfeldern her stark, und dies nicht nur in NRW, sondern bundesweit. Es gibt kaum einen Raum, der vergleichbare Potentiale im Energie- und Logistiksektor hat.

Unser drittes Aufgabenfeld lautet, Investoren zu gewinnen, zu betreuen und zu pflegen, ihnen unsere Flächenangebote – wie etwa die „Urbanen Wasserlagen“ – verständlich zu kommunizieren und sie dann weiterzuleiten an die Kommunen, welche in der Folge die Detailverhandlungen führen. Die Kooperation ist bereits sehr gut angelaufen. Es ist selbstverständlich und akzeptiert, dass wir in diesem Segment im Verborgenen arbeiten; derartige Transaktionen werden nicht auf dem offenen Markt abgewickelt.

Uns steht nur ein relativ geringer Etat zur Verfügung. Aber das, was wir mit unserem Team erreichen wollen, nämlich Vernetzung und Kooperation, ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern definiert sich durch den Mehrwert der Kooperation mit den richtigen Partnern.

Wie würden Sie das mittelfristige Ziel Ihrer Arbeit formulieren?

In den kommenden Jahren wollen wir auf dem internationalen Schirm als Zukunftsregion wahrgenommen werden. Derzeit gibt es zehn bis zwölf Regionen in Europa, die ähnlich gelagert sind. Tatsache ist nun mal, dass das Ruhrgebiet von außen genauso wenig isoliert gesehen wird wie die Rheinschiene. Wir wissen, dass die internationalen Investitionsberater den Rhein-Ruhr-Raum als ökonomisch konkurrenzfähig gegenüber den Metropolregionen Paris und London sehen. Wenn wir unsere Potentiale bündeln, brauchen wir keine Sorge zu haben, nicht als werthaltiger Teil der Rhein-Ruhr-Region wahrgenommen zu werden, und können uns in jede Konkurrenz begeben.

Wie definiert sich der Begriff „Urbane Wasserlagen“?

Die „Urbanen Wasserlagen“ der Metropole Ruhr sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Fähigkeit der Region, den Strukturwandel zu gestalten. Den Ausgangspunkt dafür bildet eine Vielzahl von wassernahen Standorten, Infrastrukturen und Stadtteilen, deren industrielle oder logistische Bedeutung sich kontinuierlich wandelt.

Wir verfügen über 572 km Wasserstraßen und Flüsse. Eine Vielzahl von Projekten liegen am Wasser – große und kleine – von Stadtquartieren über Marinas bis zu den Meilensteinen im Emscher Landschaftspark. An vielen Beispielen lässt sich belegen, dass die Verbindung von Wasser und kommunaler Entwicklung in einer vernünftigen Planung einen Qualitätsbonus bringt. Qualitätsbonus bei der Vermarktung von Flächen heißt für mich auch immer Wertsteigerung, und glücklicherweise gibt es Projekte, bei denen wir solche Wertsteigerungen auf Euro und Cent nachweisen können, so etwa der Innenhafen Duisburg und Phoenix in Dortmund.

Die Städte der Metropole Ruhr haben das enorme Potential dieser Standorte längst erkannt. Sie haben sich darauf verständigt, das Thema stadtübergreifend und strategisch anzugehen: Stadt für Stadt, Fluss für Fluss und Kanal für Kanal. Die Zusammenarbeit der Städte entlang der Gewäs-ser hat System und erschließt neue wirtschaftliche Potentiale und neue Projekte für unternehmerisches Engagement in der Immobilienwirtschaft, für Projektentwickler und für Investoren. Schließlich stehen die „Urbanen Wasserlagen“ für Qualität und Nachhaltigkeit.

Welche Projekte sind das im Einzelnen?

Das gemeinsame Wirken der Städte entlang der Ge-
wässer ist gut vorbereitet und verspricht Kontinuität: Von Hagen und Dortmund bis Duisburg reicht die interkommunale Arbeitsgemeinschaft „Das Ruhrtal“. Alle kreisfreien Großstädte kooperieren unter dem Label „Ruhr 2030“ und entwickeln gemeinsam das „Neue Emscher-tal“, und die nördlichen Städte und Kreise der Region haben sich auf das Lippe-Tal als gemeinsame Entwicklungsachse verständigt.

Waterfront-Projekte haben ihre eigene Laufzeit. Der Strukturwandel in Häfen, an Kanälen und in wassernahen Stadtteilen hat immer mittelfristige Dimensionen. 10- bis 15-jährige Entwicklungsphasen sind hier weltweit anzutreffen. Neben der strategischen Ausrichtung des Einzelprojekts sind ein klares Rahmenkonzept und ein Masterplan entscheidend. Sie
müssen flexibel und mit individuellen Lösungen im Verbund baulich umgesetzt werden. Da kann es wichtig sein, gleich beim Start mit dabei zu sein. Es lohnt sich, an Ideen, Planungs-, Ausführungs- oder Investorenwettbewerben mitzuwirken. Hier hat die Metropole Ruhr viel Erfahrung.

Wieso ist das Thema „Urbane Wasserlagen“ in besonderer Weise geeignet, zur Profilierung der gesamten Metropole Ruhr beizutragen?

Da muss man sich mal anschauen, wie unsere Region von
außen wahrgenommen wird. Vielfach wird die Region, was das Image betrifft, strukturpolitisch eher zurückgeblieben eingeschätzt, weil sie es noch nicht geschafft hat, die Auswirkungen der ehemaligen Monostruktur zu beheben. Dieses Bild muss deutlich korrigiert werden. Als Ausgangsvoraussetzung für imageträchtige Investments, zum Beispiel im Wohnungsbau, sind Angebote mit Wasserlage aus unserer Sicht hervorragend geeignet. Dass diese Angebote in der ganzen Region verfügbar sind und damit ein einzigartiges Charakteristikum der Metropole Ruhr darstellen, ist vielen Investoren nicht be-kannt. Dies wollen wir mit aller Kraft ändern. Insofern erwarten wir von der Projektfamilie „Urbane Wasserlagen“, dass es der Gesamtregion einen beträchtlichen Imagegewinn einbringt.

Der Innenhafen Duisburg gilt als „best practice“-Vorbild für wassernahe Entwicklungsprojekte in der Region. Welche Voraussetzungen müssen auf regionaler Ebene geschaffen werden, um eine solche Erfolgsstory an anderer Stelle zu wiederholen?

Ich lege Wert auf Beispiele, die konkret für Erfolg stehen. Im Innenhafen Duisburg hat man etwas geschafft, was zunächst meist belächelt, sogar bemängelt wurde und an dessen Erfolg nur wenige glaubten. Der Erfolg ist Realität geworden, und zwar in einer Form, welche die gesamte Stadt im Entwicklungspotential ein Stück weit überstrahlt.

Als Voraussetzung für Erfolgsstorys benötigt man eine vernünftige Planung sowie einen Kümmerer, der sich wahrlich auf das „Bohren von dicksten Brettern“ einlässt. Das beginnt beim Geldbeschaffen und geht bis dahin, Zweiflern und Kritikern mit guten Argumenten entgegenzutreten. Und natürlich muss es Rahmenbedingungen geben, die für Investoren interessant sind. Der Duisburger Innenhafen liegt stadtnah und hat eine hervorragende verkehrliche Anbindung. Schließlich braucht man auch Investoren mit der Bereitschaft, sich auf ein solches Projekt einzulassen. Die Umsetzung ist harte Arbeit, man braucht zudem Zeit und Geduld.

Diese Kriterien wollen wir auch bei weiteren Projekten in der Region erfüllen. Wir werden in vielen Fällen nicht die Potentiale erzielen, die Duisburg hat. Aber mit Ruhrbania hier in Mülheim, mit Phoenix in Dortmund und dem Ruhrtal als Ganzem verfügen wir über Projekte, die eine ähnliche Qualität bekommen werden, wenn wir kontinuierlich daran arbeiten. Und diese vermarkten sich dann selbst. Genau das müssen wir erreichen.

Mit welchen Maßnahmen wollen Sie in Zukunft Investoren und Entwickler auf das Potential dieser Lagen in der Metropole Ruhr aufmerksam machen? Welche strategischen Überlegungen stehen hinter diesem Ansatz einer Markenfamilie?

Wir nehmen das Thema „Urbane Wasserlagen“, bereiten alle Projekte auf und verfassen für jedes dieser Projekte eine Positionierung oder Storyline, um sie in ein gesamtes Vermarktungskonzept einzufügen. Dabei wollen wir nicht
die Vermarktung der örtlichen Wirtschaftsförderer ersetzen. Vielmehr wollen wir eine übergeordnete Premiummarke schaffen – sozusagen als „Turboantrieb“ –, die man uns vielleicht nicht zutraut, die aber extrem werthaltig ist. Ende des nächsten Jahres soll jeder Beteiligte in Europa wissen, dass es „Urbane Wasserlagen“ in unserer Region gibt – das ist unser Ziel.

Aus diesem Grund sind die Messen Expo Real 2007, die MIPIM im kommenden Frühjahr und die Expo Real 2008 Stationen dieser Vermarktungsstrategie. Nur über koordinierte Maßnahmen können wir erreichen, dass Investoren sich auch außerhalb der Messen mit diesen Angeboten beschäftigen. Daher werden wir auf der Expo Real eine CD präsentieren, auf der alle Projekte und deren Potentiale beschrieben und Ansprechpartner benannt werden.

Der entscheidende Punkt ist, dieses Thema mittelfristig anzulegen. Wir müssen bei jenen Personen präsent sein, welche die Investoren dieser Welt über interessante Standorte, über werthaltige Projekte beraten. Wir müssen sowohl die Einzelprojekte als auch die „Gesamtfamilie“ mit ihrem Potential aufbereiten und die jeweiligen Berater hierher holen, um mit ihnen die einzelnen Standorte zu besuchen und persönliche Kontakte zu den Ansprechpartner herzustellen. Das ist das Arbeitsprogramm der nächsten zwei Jahre.

Zum zweiten Mal stehen die „Urbanen Wasserlagen“ auch wieder im Mittelpunkt Ihrer Präsentation auf dem Messestand der Expo Real. Was erwartet den Besucher dort in diesem Jahr und auf welche Highlights darf man gespannt sein?

Zu den Highlights auf der Expo Real 2007 wird die Weiterentwicklung der Duisburger Wasserlage zählen. Ein neuer Masterplan von Lord Norman Foster erweitert die Erfahrungen des Innenhafens auf die ganze Innenstadt. Auch am Rhein tut sich in Duisburg etliches. Oberhausen hat seine Marina in Betrieb genommen und setzt auf Investoren in unmittelbarer Nähe zum CentrO. Mülheim geht in die Bauphase des Ruhrbania-Projekts und bietet ein spannendes Entwicklungskonzept für innenstadtnahes Bauen an der Ruhr. Essen baut eine neue Marina mit einem privaten Projektentwickler und Bauträger und bietet attraktive Anlagemöglichkeiten im Wohnungs- und Gewerbebau am Wasser. Gelsenkirchen hat alle Vorbereitungen für das Stadtquartier Graf Bismarck erbracht und bietet dort einen faszinierenden Investitionsstandort an einem großen historischen Stichhafenbecken. Bochum verbindet die Ruhruniversität mit der Ruhr. Bergkamen entwickelt ein neues Stadt-
quartier auf den Flächen der ehemaligen Zeche Haus Aden und setzt dabei auch auf die Attraktivität schwimmender Häuser, der Floating Homes. Und schließlich realisiert Dortmund den Phoenix-See auf einem alten Stahlwerksgelände und bietet ganz neue Investitionsmöglichkeiten entlang der neuen Ufer. Auch Hamm arbeitet weiter an dem Thema Wasserlagen.

Was unterscheidet die dort präsentierten Projekte von wassernahen Entwicklungsvorhaben in anderen Regionen? Wo liegen die Stärken der Standorte in der Ruhrregion?

Wasserlagen sind international im Kommen, sie sind gleichermaßen attraktiv für Entwickler wie auch für ihre Nutzer. Die Nähe zum Wasser und die Nähe zur Stadt, die Lage in der Stadt machen ihren besonderen Reiz aus. Und dieser Trend wird anhalten. Entscheidend für den Erfolg ist dabei ein umfassender Image- und Wertewandel für ein zusammenhängendes Gebiet, für eine ganze Lage von Grundstücken. Entscheidend sind zugleich die Qualität der Ausführung und die kontinuierliche Weiterentwicklung dieser neuen Quartiere.

Hier ist die Metropole Ruhr hervorragend aufgestellt. Die Flächen sind vorhanden, die Lagen bieten die erforderlichen Größen, und die Städte haben eine große Erfahrung bei der Begleitung und Unterstützung des Projektmanagements. Die Stärken der „Urbanen Wasserlagen“ der Metropole Ruhr liegen in ihrer richtigen Dimensionierung, ihrer Ein-bindung in die Stadt- und Standortentwicklung der Region, ihrer breiten politischen und öffentlichen Akzeptanz und nicht zuletzt darin, dass sie alle realisiert werden.

Welche Bedeutung haben die „Urbanen Wasserlagen“ in Bezug auf die wirtschaftlichen Perspektiven der Metropole Ruhr?

Wir reden nicht nur über Flächen, die am Wasser liegen, sondern wir reden auch über die Nutzbarkeit dieser Flächen. Es gibt Flächen für Gewerbeobjekte, wo alleine die Nähe zum Wasser schon eine Preiskonsequenz hat – siehe die Preisentwicklung im Duisburger Innenhafen, wo mittlerweile Miet- und Verkaufspreise erzielt werden, die sich vor zehn Jahren kaum jemand vorstellen konnte.

Oder nehmen wir Phoenix. Nach der Entscheidung, den See zu realisieren, verkauft niemand an den Rändern mehr seine in die Jahre gekommenen Bestandsimmobilien, die zuvor wie Sauerbier angeboten wurden; denn diese haben innerhalb weniger Wochen eine enorme Wertsteigerung erreicht. Und das gilt für die Flächen privater Eigentümer genauso wie für Flächen im Besitz der Kommune. Damit bekommt ein ganzer Stadtteil auf einmal eine völlig neue Bedeutung.

In Duisburg gäbe es vermutlich ohne den Erfolg im Innenhafen die Innenstadtentwicklung von Lord Foster nicht. Auch das Projekt Ruhrbania bedeutet für den gesamten Innenstadt-bereich von Mülheim eine enorme Aufwertung.

Und diese Win-win-Situation ist im Prinzip genau das Ziel, das es mit vereinten Anstrengungen zu erreichen gilt. Auch und gerade für die gesamte Region.

Wann immer wir über Wertsteigerung, Baumaßnahmen und Investitionen reden, sind damit natürlich Arbeitsplätze verbunden. Auch in dieser Beziehung ist Duisburg ein eindrucksvolles Beispiel: Inzwischen sind im Innenhafen über 5.000 Arbeitsplätze entstanden, wo man früher mit gerade mal 20 gestartet ist. Auch das hätte sich niemand vorstellen können. Insgesamt wurden dort etwa 500 Mio. Euro privat investiert im Vergleich zu etwa 65 Mio. Ä öffentlichen Fördergeldern. Das ist gut eingesetztes Geld, welches sich in der Wertschöpfung x-mal wieder auszahlt. Für Phoenix und Ruhrbania lässt sich schon jetzt ein ebenfalls positives Verhältnis von öffentlichen und privaten Investitionen erkennen.

Die Zahlen sind belegt. Wenn man vergleichbare Bedingungen hat und sie sich erarbeitet, erreicht man ähnliche Ergebnisse. Die Latte liegt hoch, und nicht jeder hat solche idealen Voraussetzungen. Fakt ist jedenfalls: Diese Koppelung von Wasser und Fläche bei den „Urbanen Wasserlagen“ ist ein Po-tential, das man nutzen muss. Doch wenn man es anpackt, muss man es mutig und gradlinig tun. Dafür stehen wir.

Das Interview führte Andreas P. Lienig
Facts:
Das Wirtschaftsportal der Metropole Ruhr
www. business.metropoleruhr.de
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