Region Ruhr (10/2007, National)

ThyssenKrupp Quartier: Wolfgang Greling

Zukunftsstandort mit Tradition

Interview mit Wolfgang Greling, Geschäftsführer ThyssenKrupp Real Estate GmbH

Der Konzern ThyssenKrupp wird seine verschiedenen Verwaltungsstandorte in NRW zukünftig auf dem Gelände der ehemaligen Keimzelle des Konzerns in Essen konzentrieren. Welche Überlegungen führten zu dieser weit reichenden Entscheidung?

In einem Konzern, der über großen Immobilienbestand verfügt, ist es üblich, dass man sich von Zeit zu Zeit seine Objekte näher anschaut. In diesem Fall hat uns der Vor-stand direkt beauftragt, unsere großen Bürogebäude in NRW unter immobilienwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu analysieren. Dabei konnten wir feststellen, dass wir grundsätzlich zu viel Brutto-Geschossfläche im Bestand haben sowie zusätzlich nicht unerhebliche Leerstände. Ferner haben wir in ebenfalls nicht unbedeutendem Maße Flächen fremdvermietet. Wie Sie sich sicher denken können, ist auch die Kommunikation zwischen zahlreichen unterschiedlichen Standorten nicht immer leicht. Hinzu kommt noch bei einigen Verwaltungsgebäuden ein hoher Instandhaltungsstau. Da stellt sich die Frage: Was tut man mit diesen Immobilien? Oder weitergedacht: Wie könnte man den Zustand optimieren oder was wäre denn die Ideallösung?

Wir haben in Essen ein riesiges Potenzial an Grundstücksflächen. An diesem historischen Standort hat die Konzerngeschichte 1811 begonnen und hier wird sie derzeit, auch im Zeichen einer erfolgreichen Fusion, fortgeschrieben. Das war letztlich der Urgedanke für die Entscheidung, die Ideallösung wirklich umzusetzen und das neue Thyssen-Krupp Quartier in Essen zu bauen.

Wie lange hat denn dieser Prozess gedauert, von dem ersten Gedanken, etwas zu tun, bis zur endgütigen Entscheidung?

Das war ein Zeitraum von etwa drei Monaten. Zunächst gab es Gespräche in einem kleinen Kreis mit der Konzern-spitze. Von der Vorstellung des Analyseergebnisses bis zur Entscheidung vergingen nur wenige Tage, aber selbstverständlich musste der Aufsichtsrat involviert werden usw. Insofern hat es dann schon noch etwas gedauert, bis die Entscheidung veröffentlicht werden konnte. Doch vom eigentlichen Entscheidungsprozess her war es relativ kurzfristig.

Bitte schildern Sie uns kurz die Historie dieses traditionsreichen Areals.

Diese Liegenschaft ist die eigentliche Keimzelle des Krupp Konzerns. Angefangen hat alles 1811 mit einer kleinen Schmiede. Mit guten Ideen und dem damit verbundenen Wachstum des Unternehmens kaufte man ständig Grundstücke dazu, so dass das Kruppsche Areal schnell größer war als das Stadtzentrum von Essen. Bereits 1887 waren weltweit mehr als 20.000 Mitarbeiter beschäftigt. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs war hier natürlich alles zerstört. In der Zeit des Wirtschaftsaufschwungs konnte sich das Unternehmen mit neuen Produkten wieder hervorragend entwickeln. Die Fläche der alten Gussstahlfabrik wurde dazu aber nicht mehr benötigt. So ist dieses riesige Gelände entstanden, welches in den letzten Jahrzehnten zum Teil unterschiedliche Konzernnutzungen erfuhr, aber zu einem großen Teil auch brachlag. Viele Ansätze zur Vermarktung wurden gestartet, letztlich war aber die Zeit wohl noch nicht reif für den großen Wurf, der nun mit einem Schlag die Geschichte fortschreibt, die seit etlichen Jahren ihre Fortsetzung sucht.

In den Leitgedanken zum Architektenwettbewerb für diesen Standort heißt es: „Das ThyssenKrupp Quartier soll ein Symbol für die zukunftgerichtete und nachhaltige Entwicklung des Konzerns werden.“ Worauf ist zu achten, wenn man eine Unternehmensidentität baulich umsetzen will, und mit welchen Schwierigkeiten ist das verbunden?

Das ist eine schwierige Frage, die wir uns täglich stellen. Denn Sie müssen unsere Geschichte sehen: Wir sind ein fusionierter Konzern, das heißt, da kommen zwei traditionsreiche Unternehmen zusammen und bilden plötzlich eine neue Einheit. Beide nehmen ein Stück ihrer Tradition mit und verlieren dabei einen anderen Teil. Was prägt nun diese beiden Teile und wo gibt es Gemeinsamkeiten? Wichtig ist in erster Linie: Wer sind wir heute? Wie wollen wir das zum Ausdruck bringen? Wenn man diese Fragen stellt, kommt man dem Kern der Aussage etwas näher. Und dies dann in eine architektonische Gestaltung umzusetzen, ist die nächste spannende Aufgabe.

Wir sind in erster Linie ein Technologiekonzern und leben von den Gedanken und Ideen hoch qualifizierter Ingenieure, die unsere Produkte und unser Knowhow in die Welt
tragen. In einer globalen Gesellschaft ist das Thema Kommunikation von immer größerer Bedeutung. Wir müssen unsere Kräfte und Ideen bündeln und noch schneller werden, als wir ohnehin schon sind. Das bedeutet, dass wir Knowhow-Transfer untereinander brauchen, also eine schnelle Kommunikation ohne Schnittstellenverluste. Ferner wollen wir Transparenz und Offenheit signalisieren, zwei Eigenschaften, die auch unsere Haltung prägen. Genau das soll die Architektur des Headquarter-Gebäudes mit der großen quadratischen, fensterähnlichen Öffnung ausdrücken. Dazu der Campus als Symbol für Kommunikation – das sind die beiden prägenden Faktoren unserer Corporate Identity. Darüber hinaus sind wir so etwas wie „Tüftler“. Und bei Tüftlern wird es manchmal erst beim zweiten und dritten neugierigen Blick spannend, bei dem man neue überraschende Aspekte entdeckt. Neue Ideen entstehen, wenn man Gewohntes auf den Prüfstand stellt und an Ungewohntem spiegelt.

Welche besonderen technischen Ansprüche stellen Sie an Ihr neues Domizil?

Ein für uns wesentliches Element des Konzeptes ist die Nachhaltigkeit, welche für ein sehr breites Feld von Details steht. So haben wir als Konzern eine große Verantwortung für die Umwelt. Deshalb setzen wir uns bei diesem Projekt auch beim Energieverbrauch höchst anspruchsvolle Ziele. Mit 80 KWh pro m2 und Jahr streben wir eine Marke an, die bei einer Büroimmobilie geradezu sensationell und nicht einfach zu erreichen ist. Wir haben uns dieses hohe Ziel auch gesetzt, weil wir zeigen möchten, was Ingenieurkunst im Zusammenspiel mit Städtebau und Architektur bewirken kann: beispielsweise Ressourcen schonen. Insofern werden wir auch bei der Verwendung von Materialien, soweit es eben geht, das Thema Nachhaltigkeit strikt verfolgen. Dies führt – naheliegend für unseren Konzern – zum Einsatz von Metallprodukten, die ideal in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können und damit höchst nachhaltig sind. Zudem tun wir noch etwas, was vielleicht auch ungewöhnlich ist. Seit einem Jahr, in manchen Fällen bereits länger, beschäftige ich mich damit, aus allen Informationen, die zu mir kommen, innovative Dinge herauszufiltern und diese im Hinblick auf die Einsatzfähigkeit für dieses Projekt zu bewerten. Ein typisches Beispiel, mit dem wir uns gerade auseinandersetzen, ist das Thema Brennstoffzelle. Die Brennstoffzelle ist derzeit unwirtschaftlich, da sie für Gebäude nicht in ausreichend großen Leistungsdimensionen verfügbar ist. Dennoch muss man darüber nachdenken, ob nicht vielleicht in zehn oder zwölf Jahren Brennstoffzellen zur Verfügung stehen, die genau diese Kapazitäten haben. Und jetzt geht es darum, dass unsere Fachingenieure prüfen müssen, an welcher Schnittstelle könnte denn zu einem späteren Zeitpunkt die Brennstoffzelle implantiert werden? Das sind genau die Ansprüche, die wir forcieren wollen, denn Technik hört nicht morgen auf. Wenn das Thyssen Krupp Quartier fertig gestellt ist, wissen wir, dass bestimmte Teile der Technik schon veraltet sein werden. Mit diesem Wissen wollen wir bewusst umgehen.

In welchen Phasen vollzog sich der Architekturwettbewerb, und wie steuert man einen so komplexen Auswahlprozess mit einer Vielzahl unterschiedlicher Beteiligter?

Wir haben uns auch hier entschieden, nicht den einfachsten Weg zu gehen und eine Hand voll Architekten eingeladen, uns Entwürfe zu präsentieren, sondern einen zweistufigen internationalen, offenen Architektenwettbewerb durchgeführt und uns sehr viel Mühe mit dem Ausschreibungstext gegeben. Hier wurden alle Anforderungen, Ansprüche und Vorstellungen unsererseits sehr klar und deutlich definiert. Dazu haben wir auch bildhafte Beispiele gegeben und ergänzend schon im ersten Wettbewerbsteil Colloquien mit den interessierten Architektenteams durchgeführt. So konnten wir den Teilnehmern präzise und detailliert unser Unternehmen und unsere Philosophie vermitteln. In der zweiten Runde sind wir mit den aus 106 Arbeiten ausgewählten 11 Architekturbüros in einen Dialog eingetreten und haben Workshops zu den Themen Materialien, Städtebau, Architektur, Nachhaltigkeit und Technik durchgeführt. Im Dialog wurden die Dinge miteinander besprochen, und zwar abgehoben auf den jeweiligen Entwurfsstatus. Es ging uns dabei in erster Linie darum, die Vorstellungen der Architekten und unsere Ansprüche miteinander abzugleichen und weitgehend in Übereinstimmung zu bringen. Das ist ein sehr anspruchsvoller Vorgang, der gut vorbereitet sein will, ein hohes Maß an Konzentration und Engagement auf beiden Seiten verlangt.

Der Siegerentwurf ist einstimmig ausgewählt worden. Durch welche besonderen Merkmale und Eigenschaften hat er die Jury überzeugt?

Als es um die Auswahl der ersten fünf oder sechs Plätze ging, stand der 1. Platz relativ schnell fest. Um den haben wir gar nicht mehr gerungen, der war schnell einstimmig beschlossen. Das heißt, dass dieser Entwurf des Architekturbüros Chaix & Morel et Associés aus Paris in Kooperation mit JSWD Architekten und Planer aus Köln – mit Abstand – nicht nur durch die städtebauliche Qualität überzeugt hat, sondern auch vom Architekturanspruch genau unserer Haltung entspricht: nicht überzogen, trotzdem mit einem starken Symbol im zentralen und markanten Headquarter-Gebäude.

Die Einstimmigkeit bei allen Entscheidungen, das darf ich auch sagen, ist zum großen Teil dem Vorsitzenden des Preisgerichtes Herrn Kaspar Kraemer zu verdanken, ein exzellenter Meister seines Fachs, dem es immer wieder gelingt, auch Dinge, die heftig und kontrovers diskutiert werden, auf den Punkt zu bringen, ohne dabei die Meinungsvielfalt zu unterdrücken und Egoismen zu dulden. Es ist ihm auch sehr gelungen, den ganzen Wettbewerb in einer harmonischen Atmosphäre ablaufen zu lassen, so dass man sagen kann, wir haben wirklich alle gemeinsam um das beste Ergebnis votiert.

Wie wichtig ist Ihnen das Thema Flexibilität der Raumstrukturen?

Flexibilität ist etwas, was wir in diesem Projekt dringend brauchen, auch auf die Zukunft ausgerichtet. Sie können sich vorstellen, dass ein Konzern wie ThyssenKrupp dauernd in Bewegung ist. Es werden Unternehmen verkauft, Unternehmen gekauft, neue Produkte entwickelt, auch mit externen Partnern, andere werden abgegeben. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Konstellation der Mitarbeitersituation – mal werden wir größer, dann werden wir wieder partiell etwas kleiner. Man muss sich ständig diesem Prozess anpassen können.

Das gilt natürlich auch für die Immobilien, die wir hier bauen; sie müssen diese hohe Flexibilität beinhalten. Und das gilt letztlich gleichfalls für den Campus. Das war auch ein Grund, weshalb wir uns für das Campus-Modell entschieden haben, weil es dieses Thema sehr leicht umsetzen kann. Wir können problemlos in Zukunft ein oder zwei zusätzliche Gebäude errichten und sind immer noch auf unserem Campus. Der Städtebau lässt das zu. Ebenso erlaubt er Höhenstaffelungen und Aufstockungen, weil er eben Freiraumqualitäten hat, die so gut sind, dass sie dadurch nicht beeinflusst werden. Und auf die Architektur der Raumstrukturen heruntergebrochen heißt das, dass sie flexibel gehalten werden. Wir werden keine Gipskartonwände bauen, sondern wir werden Trennwandsysteme
verwenden, die man nach Bedarf beispielsweise schnell in Gruppenraumsituationen umstellen kann. Die gesamte Gebäudetechnik muss diese Aspekte heute schon berücksichtigen. Das ist aber inzwischen nicht mehr so ungewöhnlich und zumindest bei Immobilien, die keine reinen Investorenmodelle sind, ein durchaus gängiges Konzept.

Sie sprachen eben davon, dass es im aktuellen Bestand zu viel Brutto-Geschossfläche gibt. Wie viel Prozent werden Sie in etwa einsparen können?

Unsere Analyse hat gezeigt, dass wir etwa ein Drittel der heute vorhandenen Fläche einsparen könnten. Wie viel wir davon am Ende wirklich realisieren, lässt sich in diesem frühen Planungsstadium noch nicht genau sagen. Dieses Ziel kann man jedoch nur erreichen, wenn parallel dazu ein intensiver Office Change Management-Prozess läuft, der die Mitarbeiter in die neuen Arbeitswelten einführt und die ökonomischen Dimensionen für jeden Einzelnen nachvollziehbar macht. Es gibt sicherlich Gebäude, die an manchen Stellen eine Ausnahme machen werden. Das Headquarter wird in bestimmten Bereichen diese Effizienz gewollt nicht erreichen, denn hier geht es auch um Repräsentation und auch um eine andere Form von Qualität.

Die Architektur der Baukörper soll auch die Innovationskraft des Unternehmens ThyssenKrupp widerspiegeln. Inwiefern spielen die Auswahl und der Mix der verwendeten Materialien hierbei eine zentrale Rolle?

Das Thema ist spannend und soll gleichzeitig Spannung erzeugen, weil wir da zeigen wollen, was mit Stahl in unterschiedlichsten Ausprägungen möglich ist. In erster Linie wird das Edelstahl sein, an einigen Stellen vielleicht auch Titan. Ebenso denkbar sind metallische Ausformungen anderer Art. Doch hier ist noch vieles offen. Die Konzeption besteht darin, dass wir es mit einer äußeren metallischen Haut zu tun haben und einem inneren weichen Kern, in welcher Materialität sich dieser auch immer präsentieren wird. Dies ist das eigentliche Gestaltungsprinzip, das wir auf dem ganzen Campus durchhalten wollen.

Insofern wird der Anspruch jeweils gleich in der ersten Erkennbarkeitsstufe umgesetzt; man wird also sehr schnell erkennen, wie viel neue Technologie in den Gebäuden steckt. Wir sind zum Beispiel gerade dabei, für das Headquarter-Gebäude einen höchst anspruchsvollen neuartigen Sonnenschutz zu entwickeln, gemeinsam mit einem erfahrenen ausländischen Partner, der eine Menge Knowhow bei diesem Thema einbringt. Dieses Beispiel zeigt letztlich unseren hohen Anspruch. Das Ganze muss dabei aber so ausgewogen bleiben, dass es nicht einer Technikschau gleicht.

In der letzten Ausgabe unseres Magazins haben wir u. a. auch über die Entwicklung in der Essener Weststadt berichtet. Ihre Liegenschaft hat eine Scharnierfunktion zu diesem Stadtteil. Bitte erläutern Sie uns, was genau dort entstehen wird? Wie soll der Campus an die benachbarte Weststadt angebunden werden?

Den Begriff Weststadt möchte ich etwas differenzierter betrachten. Das Ende des Krupp-Parks, der ja parallel zu unserem Campus entsteht, stellt aus meiner Sicht die Grenze zwischen der neuen Weststadt und dem traditionellen Stadtteil Altendorf dar. In den vergangenen Jahren konnte man das organische Wachstum dieser Stadterweiterung verfolgen. Und nun ist der Stadtteil sozusagen an unserem Areal angekommen und hat seine natürlichen Fort-setzungspotentiale ausgeschöpft. Da ist es fast eine logische Notwendigkeit, dieses Areal einer Bebauung zuzuführen. In diesem Sinne ist das ThyssenKrupp Quartier ein Stück Vollendung dieser Stadterweiterung.

Aber nun zu den einzelnen Elementen unseres Vorhabens. Der Campus soll aus sich heraus leben. Im Grunde bauen wir einen eigenen kleinen Stadtteil. Wir wollen ja auch hoch qualifizierte Mitarbeiter aus der ganzen Welt nach Essen holen und entsprechende Ansprüche an das Arbeitsumfeld befriedigen. Deshalb werden wir neben der ThyssenKrupp Academy, welche die zentrale Weiterbildungs-Einrichtung für alle Top-Führungskräfte des Konzerns weltweit werden soll, ein Gebäude errichten, das Forum heißen wird. Dieses wird die gesamte Gastronomie für den Campus aufnehmen. Dort werden sich auch das zentrale Konferenzzen-trum mit den Sitzungsräumen für den Aufsichtsrat sowie ein großer multifunktional einsetzbarer Veranstaltungssaal mit Platz für bis zu 1.000 Personen befinden.

Als kleine Besonderheit ist ein nicht religionenorientierter „Raum der Stille“ geplant. Selbstverständlich wird es eine Tiefgarage und ein zentrales Parkhaus für Mitarbeiter und Besucher geben. Neben den fünf neuen Gebäuden, die für die Aufnahme der Segment-Führungsgesellschaften und der operativen Einheiten erforderlich sind, ist ein Hotel vorgesehen. Das Hotel wird an dem Eckpunkt zwischen Altendorfer Straße und Berthold-Beitz-Boulevard errichtet.

Welche Pläne haben Sie für das Bestandsgebäude?

Das Gebäude ist bereits jetzt komplett mit operativen Gesellschaften und Real Estate belegt. Unsere Analyse besagt, dass es sich bei dem kreuzförmigen Gebäude um das flächenwirtschaftlichste Objekt im Bestand handelt. Trotzdem haben wir schon während des Wettbewerbs mit uns gerungen und den Architekten letztlich freigestellt,
auf dieses Gebäude zu verzichten, wenn es eine überzeugende und wirtschaftlich sinnvolle, bessere Lösung gibt. Andererseits zeigt der prämierte Entwurf jedoch, dass es intelligent in das neue Konzept eingebunden werden kann. Deshalb spricht zunächst nichts dafür, sich von dieser Immobilie zu trennen.

In welcher Form werden spezielle Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter bei der Planung berücksichtigt?

In puncto Service wollen wir unseren Mitarbeitern einiges bieten. So werden wir im ThyssenKrupp Quartier auch eine KiTa einrichten, um Müttern und Vätern die Vereinbarung von Job und Familie zu erleichtern. Es wird auch einen Bereich für den medizinischen Dienst geben. Wir denken zudem an ein Reisebüro, eventuell eine Sparkassenniederlassung und eine Reinigung. Ferner wird überlegt, wie sich die Themen Physiotherapie und Fitness integrieren lassen. In diesen Servicebereichen streben wir die Nutzung von Synergien mit dem Hotel oder mit den umliegenden Autohäusern an, die eventuell auch einen Wasch- und Fuhrparkservice anbieten könnten. Mit all diesen Angeboten wollen wir den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, bei der Erledigung ihrer alltäglichen Angelegenheiten wertvolle Zeit und Energie zu sparen.

Kann auch die Essener Bevölkerung von dem neuen ThyssenKrupp Campus profitieren?

Unser Anspruch ist es, ein Projekt zu schaffen, das mit vielen Finessen und auch logisch guten Verknüpfungen spielt und das dann später wie normal empfunden werden soll. Wir werden keinen Zaun und keine Mauer bauen, weil es heute intelligente Sicherheitstechnik gibt, die sensible Bereiche zuverlässig schützen kann. Es ist für uns wesentlich, dass wir diese immense Fläche nicht nur den Mitarbeitern zur Verfügung stellen wollen.

Das Campus-Areal darf betreten werden und man darf auch gerne an die Gebäude herangehen. Das ist die Qualität, die der Campus haben soll. Wir verstehen ihn in einer Vermittlerrolle zwischen dem, was städtisch an manchen Stellen zu wenig vorhanden ist, und vielleicht dem, was dem Stadtteil Altendorf bisher fehlt. Jetzt kommen Park und Campus zusammen. So wird die Geschichte rund und erhält eine ganz neue Qualität.

Wie viele Arbeitsplätze werden sich letztendlich auf dem Campus befinden?

Zurzeit gehen wir davon aus, dass es ca. 2.500 sein werden; es können aber auch leicht mehr werden. Auch das ist so wie der Konzern, da sind wir im Fluss.

Welche Optionen gibt es für externe Firmen, sich im Umfeld des neuen Campus-Geländes anzusiedeln?

Konkrete Pläne haben wir hierzu noch nicht geschmiedet; das wird auch gar nicht notwendig sein, denn es wird sich automatisch ergeben. Es gibt Anfragen aus diversen Richtungen. Wir gehen damit ganz behutsam um und konzentrieren uns jetzt erst mal auf das Wesentliche. Schließlich wird der Campus zur Zentrale eines internationalen Konzerns mit vielen ausländischen Gästen und einer globalen Ausstrahlung, die Optionen nach sich zieht, welche heute noch keiner absehen kann.

Potential für solche Ergänzungen gibt es im südlichen Teil des Areals, das heißt in der südlichen Fortsetzung des Krupp-Parks bis hin zur Frohnhauser Straße. Das ist das nächste zu entwickelnde Gelände. Und auch nach Norden hin gibt es weitere Flächen. Solche Dinge brauchen Zeit, sie müssen sich entwickeln dürfen. Wir wollen nichts überstürzen. Dieser Campus soll ja nicht nur eine Halbwertzeit von 20 oder 30 Jahren haben. Er soll für Generationen ein gutes Beispiel sein und vorbildhaft sowie zukunftssicher funktionieren.

Wie sieht Ihr Zeitplan zur Realisierung dieses Vorhabens aus?

Hier sprechen Sie ein heißes Thema an. Der Zeitplan ist nicht nur hoch anspruchsvoll, er ist für alle Beteiligten in höchstem Maße strapaziös. Für das erste Gebäude, die Academy, ist die Fertigstellung für Ende 2008 geplant. Es befindet sich zurzeit in der Ausschreibung. Andererseits planen wir aber auch noch an diesem Gebäude; das ist in dieser Zeitschiene nicht anders machbar. Das Headquarter soll Mitte 2009 fertig werden. Und der gesamte Campus natürlich im Jahr 2010, wenn Essen Kulturhauptstadt ist.

Diese Situation hat jedoch auch ihre Vorteile, weil sie dazu führt, dass man sehr schnell zu Entscheidungen kommen muss. Der Zeitplan ist gesetzt und wir müssen ihn nun einhalten. Da muss jeder mitziehen, und das tun zurzeit auch alle, bis hin zur Kommune. Bei dieser Gelegenheit möchte ich der Stadt Essen mein Kompliment aussprechen. Wir erfahren hier ein wirklich partnerschaftliches Miteinander und bekommen jede notwendige Hilfestellung. Andererseits ist das ThyssenKrupp Quartier ein Projekt, von dem natürlich auch die Stadt Essen profitiert. Insofern haben wir eine Win-Win-Situation.

Ein in der Stadt viel diskutiertes Thema ist die Entwicklung des Krupp-Gürtels, für den es diverse Entwürfe gab. Wie sehen Sie grundsätzlich die Bedeutung des Krupp-Gürtels vor dem Hintergrund Ihrer Ansiedlungsentscheidung?

Die Ansiedlungsentscheidung ist für den Krupp-Gürtel letztlich die Initialzündung. Ich bin überzeugt, das Ganze wird eine Eigendynamik bekommen, die sich über Jahre erstrecken wird. Immerhin umfasst der Krupp-Gürtel eine Fläche von ca. 210 ha, und ist damit fast dreimal so groß wie die Essener Innenstadt. Der Campus ist ein großer und der wichtigste Baustein des Gesamtvorhabens und jetzt kann man schon partiell ablesen, wie sich der Krupp-Gürtel in Zukunft mal präsentieren wird. Ich kann mich noch gut an Pläne erinnern, die ganz anders aussahen, mit unterschiedlichen Nutzungen in Form von kleineren aufgebrochenen Flächen. Es fehlte bisher eine große, alles überspannende Klammer, die der Entwicklung ein eigenständiges Profil verleiht. Diese Klammer ist jetzt mit dem Campus und dem ThyssenKrupp-Park geschaffen und bietet auch eine klare Orientierung.

Darf ich Sie noch um ein abschließendes Statement bitten?

Mit dem ThyssenKrupp Quartier wird ein neues Stück Konzerngeschichte geschrieben. Wir bekennen uns klar zu unseren Wurzeln, zum Ruhrgebiet. Das ist etwas Besonderes und nicht selbstverständlich, wenn man die Standortverlagerungen anderer Unternehmen – auch ins Ausland – bedenkt. Alle Beteiligten, und hier schließe ich mich ausdrücklich mit ein, sind sich dieser historischen Dimension bewusst und stolz und auch dankbar, dieses Stück Geschichte eines Konzerns mit großem Namen und einer langen Tradition mitschreiben zu dürfen. Denn so eine Chance bekommt man im Leben nicht zweimal.

Das Interview führte Andreas P. Lienig
Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!