DEAL TALK (05/2008, DEAL-Magazin)

Thema: „Die Krise birgt viele Chancen“

Anfang des Jahres fand in Köln der erste DEAL TALK statt. Hier diskutierten Experten, wie sich die Subprime-Krise und ihre Folgen auf den deutschen Immobilien-Markt auswirken. Das „DEAL Magazin“ hat die wichtigstenTeile des Gesprächs zusammengefasst.

DIE TEILNEHMER

Am DEAL TALK in Köln nahmen teil: Dr. Thomas Beyerle (DEGI Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds mbH), Barbara Deisenrieder (AMB GENERALI Immobilien GmbH), Franz C. Ditterich (DAM Advisors Ltd.), Dr. Rolf Kroker (Institut der deutschen Wirtschaft Köln), Norbert Kuhn (Hahn Immobilien Beteiligungs-AG) und Thomas Nern (RESTAURA GmbH). Moderatorin war Anné Schwarzkopf (Pálffy + Thöne Real Estate Consultants).

DER TALK

Herr Kroker, Herr Beyerle, seit Monaten beherrschen die Subprime-Krise und ihre Folgen die öffentliche Diskussion. Wie schlimm steht es um die Weltwirtschaft?

Kroker: Gesamtwirtschaftlich sprechen wir derzeit noch nicht von einer Krise. Wir reden von einer Wachstumsverlangsamung, selbst die USA sind trotz unmittelbarer Betroffenheit durch die Subprime-Krise nicht in einer Rezession. Auch für Europa und insbesondere Deutschland sind die gesamtwirtschaftlichen Prognosen nach wie vor positiv. Wir erwarten in diesem Jahr für Deutschland ein Wachstum von 1,7 %. Es werden fast 300.000 neue Arbeitsplätze entstehen, so dass wir davon ausgehen, dass auch der private Konsum anspringt und den Aufschwung weiterträgt. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gab es schon Krisen, die dramatischer waren.

Beyerle: Die derzeitige Situation verdeutlicht zugleich die Vorteile der Globalisierung: Die hohe Korrelation zwischen den USA und Deutschland gibt es in der bisherigen Form nicht mehr. Wir haben mittlerweile eine sehr starke Exportwirtschaft in Richtung Asien. Im Hinblick auf die Gesamtwirtschaft werden wir eine US-Krise fast problemlos durch unser Engagement in Asien auffangen.

Die Situation auf dem deutschen Immobilienmarkt indes hat sich Anfang 2008 infolge der Subprime-Krise grundlegend verändert. Die bislang dominierenden, auf Fremdkapital angewiesenen Finanzinvestoren sind auf dem Rückzug. Was bedeutet das für den Markt?

Beyerle: Ich sehe eine Trendwende zum Besseren. Während wir in den vergangenen drei Jahren vor allem mit Private-Equity- und Hedge-Fonds konkurrieren mussten, kehren nun die Immobilienprofis an die Verhandlungstische zurück.

Halten Sie das auch für eine positive Nachricht, Frau Deisenrieder?

Deisenrieder: Für uns birgt diese Krise sehr viele Chancen, weil wir seit ihrem Beginn im Sommer 2007 wieder ein gesuchter Gesprächspartner für Anbieter hochwertiger Gewerbeimmobilien sind. Vor allem eigenkapitalorientierte Investoren profitieren also von der aktuellen Situation ganz erheblich.

Und welche Folgen hat die Subprime-Krise aktuell für das Geschäft deutscher Immobilienentwickler und -investoren, Herr Nern und Herr Kuhn?

Nern: Im Grundsatzgeschäft beschäftigt uns die Krise überhaupt nicht. Wir denken vielmehr von Projekt zu Projekt und entscheiden uns für ein Engagement, wenn es uns vorteilhaft erscheint. Dabei interessiert uns die Finanzierungsstruktur der Banken nicht. Wir erleben deshalb im Moment eine faszinierende Situation: Wer ein schlüssiges Konzept mitbringt, hat keine Probleme mit der Finanzierung.

Kuhn:Wir haben kein immobilienwirtschaftliches Problem. Wer ein grundsolides Geschäft betreibt, hat optimale Chancen und ist gesuchter Ansprechpartner für alle. Es gab zwar kurzzeitig eine Phase, in der höhere Eigenkapitalmargen gefordert waren. Aber mit den Banken, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten, haben wir keine Schwierigkeiten, weitere Projekte zu finanzieren. Insgesamt können wir uns jetzt am Markt besser etablieren als noch vor einem Jahr, weil wieder richtige Risikoanalysen stattfinden. Da trennt sich die Spreu vom Weizen.

Experten befürchten auch in Europa eine Zuspitzung wie in den USA. Die britischen Inseln, Belgien, Skandinavien und Spanien gelten als besonders gefährdet – die Ausfallrate bei Eigenheimdarlehen ist hier bereits deutlich gestiegen. Welche Gefahr droht für Deutschland, Herr Beyerle?

Beyerle: Diese Krise wird sich kaum auf dem deutschen Immobilienmarkt bemerkbar machen. Der spanische Wohnimmobilienmarkt beispielsweise hat mit regionalen deutschen Büroimmobilienmärkten kaum etwas zu tun. Es gibt zwar psychologische Komponenten, die den Konsum beeinflussen könnten. Aber insgesamt glaube ich, dass es keine Auswirkungen anderer europäischer Teilmärkte auf den deutschen Immobilienmarkt geben wird.

Deisenrieder: Außerdem gibt es einen internationalen Trend zur Betrachtung immobilienwirtschaftlicher Basics. In unseren Gesprächen geht es wieder vorrangig um Fundamentaldaten wie Vermietungsquoten, Asset Management, die Qualität der Bewirtschaftung – und nicht ausschließlich um die finanzwirtschaftliche Strukturierung einer Anlage. Die Märkte kehren zurück zur Substanz und konzentrieren sich nicht mehr auf schwer verständliche, aber hoch riskante Finanzvehikel. Auch dies wird zu einer Konsolidierung beitragen.

Brauchen wir angesichts der Subprime-Krise möglicherweise neue Regeln in der Bankenrechtsprechung, Herr Beyerle? Oder noch mehr Kontrolle, um derartige Krisen zukünftig auszuschließen?

Beyerle: Ich glaube nicht, dass wir neue oder andere Regeln brauchen. Das Marktsystem reagiert selbst, indem es zurzeit beispielsweise keine Derivate will. Auch REITs stehen im Moment auf verlorenem Posten. Es ist ein reiner Lernprozess. Als Folge der Krise werden wir in nächster Zeit mehr Risikomanager haben, so dass sich wieder Vertrauen einstellt. Dazu sind keine Paragrafen nötig.

Nern: Für die Zukunft ist es viel wichtiger, dass Finanzinvestoren ein Verständnis dafür entwickeln, was eine Immobilie kann und was nicht: Entscheidend ist immer die Substanz und der Cash-Flow des Objektes. Die Werthaltigkeit einer Immobilie muss stimmen, dann lassen sich darauf auch geeignete Finanzierungen aufbauen.

Auch der Finanzmarkt selbst steht vor strukturellen Veränderungen infolge der Subprime-Krise. Welches Innovationspotential sehen Sie bei Finanzierungen in der Immobilienwirtschaft, Herr Ditterich?

Ditterich: Prognosen sagen für die nächsten Jahre eine steigende Anzahl an Spezialinstituten voraus. Als Anbieter mezzaninen Kapitals z. B. haben wir derzeit so viele Anfragen wie nie zuvor. Die Marktteilnehmer erkennen jetzt, dass sie für bestimmte Produkte nicht ausreichend spezialisiert sind. Sie ziehen sich zurück und konzentrieren sich auf die Bereiche, in denen sie über Knowhow verfügen. Ich glaube, dass sich die Finanzierungslandschaft global verändern wird, indem sie sich diversifiziert. Ich schätze, dass der Anteil an Nicht-Banken für Spezialprodukte auch in Deutschland von derzeit 5 auf rund 50 % steigen wird.

Wenn Sie in die Zukunft schauen: Wie lange wird es dauern, bis die deutsche Immobilienlandschaft wieder die Rekordergebnisse der vergangenen Jahre vermelden kann?

Ditterich: Ich hoffe, dass es in der deutschen Immobilienwirtschaft diese Rekordwerte nicht mehr geben wird, weil es ein ungesunder Hype war. Wir sollten wieder zu normalen Werten wie vor drei bis vier Jahren zurückkehren und uns auf diesem hohen Niveau halten.

Können Sie dem zurückliegenden Boom auch etwas Positives abgewinnen, Herr Kuhn?

Kuhn: Durchaus, denn Deutschland hat daraus sehr viel gelernt – zum Beispiel zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, zwischen vorteilhaft und nachteilig. Und es hat erkannt, was professionelles Immobilienmanagement tatsächlich ist und welche Werte es schafft.

STATEMENTS ZUR AKTUELLEN LAGE

Einige Wochen nach dem ersten DEAL TALK hat die Subprime-Krise auf dem weltweiten Immobilien- und Kapitalmarkt weitere Kreise gezogen. Mehrere nationale Immobilienmärkte befinden sich im Abwärtssog–Investoren zeigen sich trotzdem verhalten optimistisch. Viele Prognosen der Teilnehmer des DEAL TALK haben sich derweil bestätigt. Ihre aktuellen Einschätzungen:

Dr. Thomas Beyerle:
Das größte Problem für Immobilieninvestoren ist mittlerweile, dass man augenscheinlich in einer schizophrenen Welt zu Hause ist. Oder einfacher ausgedrückt: Die Fundamentaldaten sind aktuell in stabilem weitgehend positivem Fahrwasser – trotz Rückgang der nationalen BIP-Werte in vielen Ländern. Die Mieten steigen, die Renditen drehen vereinzelt langsam nach oben. Es wird Personal eingestellt, Büroflächen werden entwickelt und gebaut. Kein Ruf der Optimisten, sondern lediglich eine messbare Tatsache.

Barbara Deisenrieder:
Die Entwicklung der letzten Monate hat gezeigt, dass ein Großteil unserer damaligen Vermutungen eingetreten ist. Dennoch ist die Krise nicht ausgestanden, und ich gehe davon aus, dass die in der Expertenrunde diskutierten Trends weiter anhalten bzw. sich verstärken werden.

Franz C. Ditterich:
Die Krise wird uns noch weit länger beschäftigen als wir denken, da sie strukturelle Schwächen des weltweiten Finanzsystems und deren Teilnehmer aufgedeckt hat, deren Beseitigung zum Teil sehr zeitaufwändig sind. In der Folge wird es zu deutlichen Strukturveränderungen kommen, und die Marktteilnehmer werden wieder vermehrt ihre Wertschöpfung in Steinwurfweite um den eigenen Stammsitz suchen.

Dr. Rolf Kroker:
Die Hoffnung, die Subprime-Krise sei mit Ablauf des ersten Quartals 2008 weitgehend ausgestanden, hat sich nicht erfüllt. Offensichtlich hat es Ansteckungseffekte gegeben, denn das Marktsegment der zweitrangigen Kredite ist für sich genommen zu klein, um die heftigen Reaktionen an den Finanzmärkten allein zu erklären. Überraschungen sind also weiter möglich.

Norbert Kuhn:
Obwohl sich die Subprime-Krise weiter ausgeweitet hat als Anfang des Jahres angenommen, sind die gesamtwirtschaftlichen Prognosen für Deutschland nach wie vor gut. Die Nachfrage nach Immobilien ist zwar gegenüber dem Vorjahr gesunken und wird auch deutlich unter Vorjahresniveau bleiben. Gleichwohl wird auch in diesem Jahr ein deutlich über dem Niveau früherer Jahre liegendes Investitionsvolumen erreicht werden. Das hängt mit dem nach wie vor ungeschmälerten Drang institutioneller Anleger zu indirekten Immobilienanlagen und der insgesamt positiven deutschen Wirtschaftsentwicklung zusammen. Infolge der Subprime-Krise wird der Schwerpunkt der Transaktionen jedoch im vierten Quartal liegen, da sich zurzeit noch kein eindeutig einschätzbarer Marktpreis gebildet hat.

Thomas Nern:
Auch die letzten Wochen haben gezeigt, dass es nach wie vor möglich ist, gesunde Immobilieninvestments zu interessanten Konditionen in attraktive Finanzierungsstrukturen zu bringen. So konnten wir jüngst den Erwerb eines Portfolios mit 33 Wohnobjekten im mittleren zweistelligen Millionenbereich im Rheinland im Rahmen einer CMBS Struktur finanzieren. Für uns ist dies ein Indiz, dass erkennbare Qualität der Investments nach wie vor auch auf Interesse bei den Bankenpartnern trifft. Und: Marktplayer mit Zielsetzung eines professionellen, nachhaltigen Werterhalts und auch einer Wertsteigerung der Investments mit gesunder Eigenkapitalstruktur werden als Profiteure dieser Bankenkrise hervorgehen, da fehlende Anschlussfinanzierungen aus den Ankaufszeiträumen der letzten fünf Jahre nun einige gute Verkaufsobjekte in den Markt spülen werden.

EXPERTEN-RUNDE DEAL TALK

Der DEAL TALK zu den Folgen der Subprime-Krise war die erste Veranstaltung dieser Reihe. Die nächsten Termine sind für Juli und September geplant – jeweils im Palais Lindenthal in Köln. Veranstalter sind DEAL, das Wirtschaftsmagazin für Immobilien und Investment und die Pálffy + Thöne Real Estate Consultants. Das Unternehmen mit Büros in Köln und Leipzig berät Kunden aus der Finanz- und Immobilienbranche in der Kommunikation, beim Marketing, bei der Immobilienbewertung, der Due Diligence, des Researchs und des Fondsmonitorings. Die Moderatorin des DEAL TALK, Anné Schwarzkopf, ist Geschäftsführende Gesellschafterin der Pálffy + Thöne Real Estate Consultants.



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