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31.03.2021 Nachhaltigkeitszertifikate verteuern Mieten – Immobilienwerte steigen

Nachhaltiges Bauen und Betreiben von Gebäuden prägt seit geraumer Zeit wie kaum ein anderes Thema die Diskussionen in der Immobilienbranche. Denn Gebäude sind wesentliche CO2 -Emittenten und Energie-Konsumenten. Deren Planer, Investoren, Betreiber und Nutzer tragen dementsprechend eine große Verantwortung für die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Immobilien tragen zusammen mit der Bauwirtschaft weltweit immerhin etwa 39 Prozent zu den CO2-Emissionen und 36 Prozent zum Energieverbrauch bei. In Deutschland sind Immobilien und die Bauwirtschaft für etwa ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich.

„Wie Gebäude künftig entworfen, gebaut und betrieben werden, hat also einen wesentlichen Einfluss auf das Ausmaß des Emissionsausstoßes“, gibt Ralf Kemper, Head of Valuation & Transaction Advisory Germany, zu bedenken. Kemper weiter: „Damit verbunden ist eine erhebliche Veränderung am Immobilienmarkt, wesentlich in zweierlei Hinsicht. Zum einen gibt es eine langsame, aber stetige Veränderung der Nutzeranforderungen. Zum anderen gibt es eine schnelle Entwicklung bei den Eigentümern.“

Jeder zehnte Quadratmeter zertifiziert

Derzeit sind knapp zehn Prozent des gesamten Büroflächenbestands in den deutschen Big 7 mit einem Nachhaltigkeitszertifikat zertifiziert, entsprechend rund 9 Mio. Quadratmeter. Damit ist in etwa jeder zehnte Quadratmeter Bürofläche in den sieben größten Büromärkten in Deutschland zertifiziert. Die zunehmenden „Net Zero“-Verpflichtungen von Unternehmen lassen jedoch einen Anstieg des zertifizierten Bürobestands in der nächsten Dekade vermuten. Beflügelt durch die Offenlegungsverordnung, die am 10. März 2021 in Kraft getreten ist, fühlen sich Eigentümer im Obligo. Ferner ist ein Trend zu freiwilligen Verpflichtungen von Immobilienunternehmen festzustellen. Zum Beispiel bezeichnen nach einer internen JLL-Analyse alle der 25 größten börsennotierten Immobilienunternehmen in Europa ESG als eine der Top-Prioritäten für deren Unternehmen. Zusätzlich lassen viele der größten Investmentmanager die UN Principles for Responsible Investment (UN PRI) unterzeichnen oder lassen die Investmentvehikel durch die Organisation GRESB zertifizieren.

Überdurchschnittlich hoch ist demzufolge der Anteil zertifizierter Flächen bei neuen Bauvorhaben oder Sanierungen. In den vergangenen drei Jahren wurden in den Big 7-Märkten insgesamt 3,5 Mio. Quadratmeter Büroflächen in mehr als 450 Gebäuden erstellt. Insgesamt sind damit zwischen 2018 und 2020 3,7 Prozent des aktuellen Gesamtbestands errichtet worden. Beim überwiegenden Teil handelte es sich um Neubauten (88 Prozent), auf Totalsanierungen entfielen über 400.000 Quadratmeter und damit 12 Prozent. In Bezug auf die Gesamtquadratmeter wiesen insgesamt 27 Prozent ein Zertifikat auf. In den Top Lagen der Big 7 erhöht sich der Anteil zertifizierter Gebäude im genannten Zeitraum sogar auf 42 Prozent der Projektentwicklungsfläche.

Bei der regionalen Betrachtung liegen Frankfurt und Düsseldorf mit einem Anteil von 44 bzw. 43 Prozent zertifizierter Flächen bei den Fertigstellungen 2018-2020 an der Spitze. Internationale Akteure spielen auf diesen Märkten eine sehr wichtige Rolle. Dabei berücksichtigen ausländischen Investoren und Nutzer bereits deutlich länger als deutsche das Thema Zertifizierung, wenn es um Investitions- oder Anmietungsentscheidungen geht. Hamburg (17 Prozent) und Köln (15 Prozent) liegen am Ende der Rangliste.

Schaffung von Transparenz bei der Bewertung von Nachhaltigkeit – Aufschlag auf Mietpreise

Bereits in den letzten fünfzehn Jahren ist die Zahl der zertifizierten Gebäude in Deutschland stetig angestiegen. Die etablierten Zertifizierungssysteme wie DGNB, LEED und BREEAM sind bei der Bewertung von Nachhaltigkeit bei Immobilien ein wichtiges Instrument zur Schaffung von Transparenz geworden. „Zertifizierungen sind mittlerweile nicht nur ein Aushängeschild für die Nutzer der Büroflächen, sondern auch ein wichtiges Element im Ankaufsprozess der Investoren selbst“, so Honoré Achille Simo, Head of Business Development Valuation & Transaction Advisory, JLL EMEA . Dieser Aspekt werde durch eine von JLL durchgeführte Befragung unter 23 ausgewählten Immobilieninvestoren bestätigt. Die Befragungsteilnehmer hatten in den letzten zehn Jahren mehr als 60 Milliarden Euro in Deutschland investiert. Mehr als die Hälfte dieser Investoren hat eine spezielle ESG-Due-Diligence als verpflichtenden Bestandteil einer Ankaufsprüfung etabliert.

Nachdem 100 Prozent der Befragten der ESG-Komponente „Environmental“ eine hohe Bedeutung zumaßen, stellte sich die Frage nach der Bedeutung eines Nachhaltigkeitszertifikats beim Kauf einer Immobilie. „Kritische Stimmen sehen das Thema ökologische Nachhaltigkeit in einem Zertifikat nicht ausreichend abgebildet“, so Simo. In der aktuellen Befragung kommen aber mit 53 Prozent immerhin mehr als die Hälfte zu dem Urteil, dass ein Nachhaltigkeitszertifikat eine hohe bis sehr hohe Bedeutung beim Kauf einer Immobilie hat. Diese Bedeutung ist selbsterklärend. Denn der Einfluss eines Nachhaltigkeitszertifikats auf die zu erzielende Miete zeigt, dass für ein Bürogebäude mit mindestens einem Gold-Zertifikat in Top-Lagen sowie Zweit- und Drittlagen ein Aufschlag auf die Mieten nachweisbar ist. In Zweit- oder Drittlagen fällt dieser Aufschlag mit 3,8 Prozent höher als in Top-Lagen aus. Diese Mietaufschläge spiegeln sich im Wert von bis zu 7,5 Prozent wider.

Ruf nach Grün unüberhörbar

„Diese Entwicklung ist jedoch lediglich eine Momentaufnahme. Generell gilt, dass der Ruf nach Grün in der Gesellschaft und der Politik unüberhörbar wird. Dieser schlägt sich in einer Verschärfung der regulatorischen Auflagen und der Selbstverpflichtung von Marktteilnehmern wie Mietern, Finanzinstituten und Investoren nieder. Vieles spricht dafür, dass die zunehmende Nachfrage nach grünen Gebäuden bei Flächenknappheit die Mietentwicklung weiter antreiben wird. Ebenfalls spricht vieles dafür, dass die erhöhte Kapitalverfügbarkeit für grüne Strategien den Druck auf die Renditen erhöhen wird und damit auch die Preise weiter steigen werden“, erläutert Simo. Und Kemper ergänzt: „Es kann im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass sich die Vermietbarkeit von Gebäuden, die nicht zertifiziert sind und nicht nachträglich zertifiziert werden, zukünftig als herausfordernd gestalten dürfte. Das verminderte Interesse potenzieller Mieter aufgrund von Ausschlusskriterien, eine potenziell niedrigere erzielbare Miete sowie das erhöhte Obsoleszenzrisiko dürften eine höhere Renditenerwartung seitens der Investoren zur Folge haben und mittel- bis langfristig zu Preisabschlägen im zweistelligen Prozentbereich führen.“










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