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20.05.2021 Ist das Sparen am Ende? Zwischen Niedrigzinsen und Inflationsangst

Die Zinssätze in ganz Europa haben ihren Tiefpunkt noch immer nicht erreicht. Die Zinsen sinken seit Jahren Monat für Monat weiter, wenn auch nur geringfügig. Dieser Trend wurde durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie noch verstärkt. So entsteht ein Dilemma: Während die Europäer angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheit weiterhin ihr Geld horten, vergeben die Banken nur zögerlich Kredite, sodass immer mehr Überschussliquidität in ihren Büchern bleibt. Vor allem deshalb sind die Zinsen trotz aller Bemühungen und Konjunkturprogramme der Europäischen Zentralbank weiterhin niedrig.

Sparer können die Inflation im besten Fall ausgleichen, wenn sie ihr Geld beispielsweise in kurz- oder langfristigen Festgeldern anlegen. Die aktuellen Inflationszahlen reichen in den größten EU-Märkten von 0,79 Prozent in Italien bis zu 1,17 Prozent in Frankreich, 1,49 Prozent in den Niederlanden und 2,0 Prozent in Deutschland und Spanien. So nähert sich die Inflationsrate allmählich dem selbst gesteckten Ziel der EZB um die zwei Prozent. Dabei wird erwartet, dass sie im Laufe des Jahres weiter steigen – hierzuland laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel sogar auf mehr als drei Prozent.

Die lange Sicht: Da die jahrelange Niedrigzinspolitik nicht die notwendigen Impulse setzen konnte, diskutiert die EZB derzeit, ob eine Anhebung des Inflationsziels helfen könnte, die Zinsen wieder nach oben zu treiben.

Zinsstarre: Deutsche Großbanken und beste Sparzinsen bleiben standhaft

• In Deutschland, Spanien, Belgien, den Niederlanden und Irland blieben die Zinsen für Top-Angebote auf dem Niveau des Vormonats.
• Die besten verfügbaren Zinsen veränderten sich lediglich in Österreich, Frankreich, Italien, Schweden und Norwegen.
• Frankreich, Italien, Norwegen und Schweden verzeichneten einen Rückgang bei den Top-Angeboten.
• In sieben Märkten – darunter Deutschland – beträgt der Unterschied zwischen den Top-Angeboten und den Angeboten der größten Banken mehr als ein halbes Prozent, in Schweden sogar über einem Prozent.

Auf Tuchfühlung: 1-jährige vs. 3-jährige Festgelder nähern sich immer stärker an

Der Unterschied zwischen 1- und 3-jährigen Festgeldern bei den Top-Angeboten bleibt gering. In Deutschland und Irland beträgt er weniger als 0,1 Prozent und in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Österreich, Polen und Norwegen weniger als 0,3 Prozent. Frankreich und Italien sind die Ausreißer. Hier sind die Zinsen für 3-jährige Festgelder um mehr als 0,4 Prozent höher als die Zinsen für 1-jährige.

• Die Top-Zinsen für 3-jähriges Festgeld sind in Deutschland marginal um rund 0,017 Prozent gefallen. So nähern sich die Laufzeiten im Zins nahezu an mit einer Differenz von nur noch 0,066 Prozent.
• Lediglich im Vereinigten Königreich und in Österreich stiegen die Zinsen im Vergleich zum Vormonat leicht.
• Dagegen fallen in Frankreich die Top-Zinsen für beide Anlagehorizonte.

Analyse der EZB-Daten: Durchschnittszinsen für Deutsche seit 2020 um 60 Prozent gesunken

Gemäß den aktuellen EZB-Daten wurde der leicht steigende Trend bei den Zinsen in Europa gebrochen. Im Durchschnitt sanken – wenn auch nur leicht – die Festgeldzinsen für Einlagen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr im gesamten Euroraum um rund zehn Prozent. Seit Anfang des Jahres sah kein einziges Land der Eurozone einen durchschnittlichen Zinssatz von über einem Prozent.

• In Deutschland sank der Durchschnittszinssatz um 14 Prozent und sogar um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
• Zwei der größten europäischen Länder verloren im Mittel: In Schweden sanken die Zinsen um 12 und in Frankreich um acht Basispunkte.
• Kleinere Märkte wie die Slowakei oder Lettland verzeichneten auch Rückgänge um 10 Basispunkte und 16 Basispunkte.
• Irland, das seit Jahren unter Niedrigzinsen leidet, konnte trotz minimalen Rückgangs von zwei Basispunkten im Vergleich zum Vorjahr um 450 Prozent zulegen.

Aufatmen bei Geschäftskunden: Steigende Sparzinsen

Unternehmen könnten die guten Nachrichten der EZB in Form von kleinen Erholungen der Zinssätze für Unternehmenseinlagen in einigen der größten Euro-Märkte freuen – unter anderem in Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. In Frankreich verlassen die Zinsen sogar die Negativzone und ermöglichen den Unternehmen zumindest eine kurze Verschnaufpause. Im europäischen Durchschnitt müssen Unternehmen dennoch negative Verzinsungen von -0,11 Prozent hinnehmen.

• In Deutschland sind die Zinsen für Geschäftskunden weiterhin negativ, auch wenn sie Vergleich zum Februar auf -0,12 Prozent um 54 Prozent gestiegen sind.
• Frankreich hat dank eines Anstiegs um 17 Basispunkte die Nullmarke überschritten und steht nun bei 0,04 Prozent.
• In Spanien liegen die Zinsen weiterhin unverändert -0,31 Prozent.
• Die niedrigsten Zinsen im Euroraum gibt es in Irland. Dort müssen Geschäftskunden im Mittel -0,46 Prozent Strafzinsen zahlen.

"Wir sehen derzeit eine neue Ära beim Vermögensaufbau. Es bestehen völlig neue Herausforderungen für Verbraucherinnen und Verbraucher, einerseits Vermögen aufzubauen und andererseits ihr Geld in kurzfristigen Anlagen zu diversifizieren. Die meisten Menschen in Europa horten ihre Ersparnisse auf ihrem Bankkonto und sind dabei mit immer niedrigeren oder sogar Negativzinsen konfrontiert. Bei der stark steigenden Inflation gibt es daher aktuell kaum noch eine Chance, Renditen auf Ersparnisse zu erzielen.

Trotz allem existieren jedoch weiterhin Möglichkeiten, um eine Geldentwertung durch Inflation und Strafzinsen zu mindern. Hier gilt es, bessere Zinsen gegenüber einer Verminderung des eigenen Vermögens abzuwägen – selbst wenn dies bedeutet, dass ein Teil des Geldes abseits der eigenen Hausbank zu einem besseren Zinssatz angelegt wird.

Die Anlage der eigenen Ersparnisse und der Vermögensaufbau sind eine sehr persönliche Entscheidung – es geht darum, die beste Kombination aus verfügbarem Angebot, Zinssatz, Anlagezeitraum und Risiko abzuwägen und letztendlich die passende Lösung für sich zu wählen."

(Kommentar von Dr. Verena Thaler, Vice President of Strategy and Business Development Raisin / WeltSparen)








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