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02.06.2021 Baufertigstellungen: Immer noch deutlich zu geringer Wohnungsneubau

Die Zahl der Baufertigstellungen ist im Jahr 2020 nach den Angaben des Statistischen Bundesamts zwar gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent auf 306.376 Wohneinheiten gestiegen. Allerdings reicht dies nach Analysen von Aengevelt Research bei weitem nicht aus, um dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Tatsächlich müsste die Neubauleistung doppelt so hoch sein, um den weiter wachsenden Wohnungsbedarf insbesondere in den Großstädten zu decken und das aufgelaufene Defizit abzubauen. Auch das Ziel des Wohngipfels aus dem Jahr 2018, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, wird deutlich verfehlt.

Ob in Berlin, München, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt oder auch im westfälischen Münster oder im Breisgauer Freiburg: In allen sogenannten „Schwarmstädten“, also Städten mit großen Universitäten und guter Wirtschaftsstruktur, herrscht seit Jahren Wohnungsmangel, der sich kontinuierlich verschärft. Mieten, die trotz Mietpreisbremse weiter ansteigen, zeigen, dass die Nachfrage nach Wohnungen das Angebot übersteigt. Dadurch ist es in den meisten deutschen Großstädten für Gering- und Normalverdiener bereits schwer bis nahezu unmöglich geworden, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Im September 2018 wurde auf dem Wohngipfel von Bund und Ländern das Ziel vereinbart, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Tatsächlich sind im Jahr 2019 nur 293.002 Wohnungen fertiggestellt worden und im Jahr 2020 nach aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamtes 306.376 Wohneinheiten. Selbst wenn man die 287.352 Wohnungen aus dem Jahr 2018 hinzurechnet, von denen die meisten bereits vor dem Wohngipfel am 21. September 2018 fertiggestellt worden waren, und man eine sehr optimistische Bauleistung von 350.000 Wohneinheiten bis zum Jahresende 2021 – also rund ein Vierteljahr über das Ende der Legislaturperiode hinaus – annimmt, werden es lediglich gut 1,2 Millionen neue Wohneinheiten anstatt der angekündigten 1,5 Millionen sein.

Dazu Prof. Dr. Volker Eichener, Wohnungsbauexperte an der Hochschule Düsseldorf, der gemeinsam mit Aengevelt Research die Zahlen analysiert hat: „Das Ziel von 1,5 Millionen Wohnungen war bereits sehr bescheiden und selbst dieses Mini-Ziel wird, selbst wenn man sehr großzügig rechnet, um fast 20 Prozent unterschritten. Auch dürfen Baugenehmigungen nicht hinzuaddiert werden, das wäre unseriös. Denn die Menschen brauchen jetzt bezugsfähige Wohnungen und nicht Genehmigungen, die erst in einigen Jahren in Fertigstellungen resultieren.“

Nach Analysen von Aengevelt Research müssten sich die Fertigstellungszahlen verdoppeln und für mehrere Jahre auf dem Niveau von 600.000 Einheiten pro Jahr verbleiben, um das aufgelaufene Wohnungsdefizit vor allem in den Großstädten abzubauen und den Neubaubedarf zu decken, der sich aus Abgängen, dem Trend zur Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße und der Zuwanderung in die strukturstarken Großstädte ergibt. Tatsächlich waren in den Jahren 1994 bis 1997 jeweils weit über 500.000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt worden, im Jahr 1995 allein 590.742 Wohneinheiten. Damit war es damals gelungen, die „neue Wohnungsnot“, die sich Anfang der 1990er Jahre entwickelt hatte, binnen weniger Jahre zu beseitigen.

Um solche Fertigstellungszahlen heute wieder zu erreichen, müssten laut Aengevelt Research allerdings eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen werden:
• Gerade in den stark wachsenden Großstädten ist das Baulandangebot zu knapp und dadurch auch zu teuer, um dringend benötigte Sozialwohnungen zu errichten. Um die Neubauleistungen zu steigern, müssten die Kommunen weitaus mehr Wohnbauland ausweisen und sie müssten Grundstücke im Rahmen sogenannter „Konzeptvergaben“ nicht an den Meistbietenden veräußern, sondern an Bauherren mit sinnvollen, bedarfsgerechten Konzepten.

• Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau müssten verdoppelt werden, weil derzeit mehr alte Sozialwohnungen aus der Sozialbindung fallen als neue Sozialwohnungen errichtet werden. Der Bund müsste die Länder, die für den sozialen Wohnungsbau zuständig sind, dabei finanziell unterstützen.

• Eine Steigerung der Bauleistungen ist auch zu erwarten, wenn ein Teil der kostentreibenden Auflagen gelockert würde, vor allem bei der Energieeinsparverordnung, aber auch in anderen Punkten vom Schallschutz bis zur Stellplatzverordnung.

• Die Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus müssten verstetigt werden, damit die Bauwirtschaft ihre Kapazitäten langfristig ausbauen kann. So ist die Sonder-AfA für den Bau von Mietwohnungen bis Ende 2021 befristet worden, so dass kaum ein Unternehmen das Risiko eingeht, Personalstamm und Maschinenpark zu erweitern.

Prof. Eichener: „In vielen Städten hat die Wohnungsnot bereits schmerzhafte Ausmaße erreicht. Viele Menschen müssen in das Umland ausweichen, weil sie in der Stadt keine bezahlbare Wohnung finden. Das verstärkt den Pendelverkehr und ist im Hinblick auf Ökologie und Klima schädlich. Was wir politisch brauchen, ist eine echte Wohnungsbauoffensive, die auch hält, was der Name verspricht. Politikwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass man durch eine massive Ausweitung der Förderung des Wohnungsbaus auch dem Verlust des Vertrauens in unser politisches System entgegenwirken könnte.“

Politische Maßnahmen zur Begrenzung des Anstiegs der Mieten sind laut Aengevelt Research dagegen unwirksam bzw. sogar schädlich, weil sie die Bereitschaft zum Bau neuer Wohnungen verringern. Das einzige wirksame Mittel gegen Wohnungsmangel und Mietsteigerungen bestehe in einer massiven Ausweitung des Neubaus von Wohnungen. Dabei hilft jede neue Wohnung, die errichtet wird, gleich ob Mietwohnung oder Eigenheim. Denn nur ein ausreichendes und für alle Einkommensklassen bedarfsgerechtes Wohnungsangebot führt insbesondere in den Wachstumszentren zu einer Entspannung am Wohnungsmarkt.







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