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26.07.2021 Vermietungen in 1a-Lagen: Wendepunkt zum Besseren ist erreicht

Olaf Petersen, Geschäftsführer und Chefresearcher des Einzelhandelsspezialisten COMFORT, meldet sich mit einem weiteren Ausblick für den Einzelhandel zu Wort. Der Fokus ist dabei vorrangig auf das Vermietungsgeschehen in den deutschen Einkaufsstädten gerichtet. Beinahe das gesamte Jahr 2020 und das erste Halbjahr 2021 befand sich dieser Markt ebenso wie Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland im Würgegriff der weltweiten Corona-Pandemie. Jenseits aller Unterstützung und Förderung durch den Staat: Der stationäre Einzelhandel und die Gastronomie zählten bedingt vor allen Dingen durch den Lockdown eindeutig zu den Hauptleidtragenden der Corona-Krise. So erreichte das Konsumklima der Verbraucher absolute Tiefstwerte und in den Innenstädten fehlten touristische Besucher und deren Geld insbesondere aus dem Ausland.

Privater Konsum als Treibmittel

„Nach der Überwindung des Lockdowns kommt der private Konsum nun aber wieder in Schwung und gibt neuen Schub für Einzelhandel und Gastronomie“, sagt Petersen. Im Zusammenspiel mit gewachsenen Sparguthaben und aufgestauten Konsumwünschen sei dies ab dem zweiten Halbjahr 2021 der ideale Nährboden für gute Geschäfte – insbesondere im stationären Einzelhandel. Für das Gesamtjahr 2022 werde sogar eine reale Steigerung des privaten Konsums von rund 8,5% erwartet Dies dürfe als sensationeller Wert betrachtet werden.

„Das Coronajahr 2020“, so Olaf Petersen weiter, „war für den Einzelhandel wahrlich ein außerordentliches Jahr, mit gravierenden Unterschieden zwischen den Branchen. Nach den Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) erzielte der Einzelhandel in 2020 ein hohes Wachstum von rund 6 % nominal beziehungsweise rund 4,5 % real - basierend auf einem Jahresumsatz von rund 577 Mrd. EUR. Klarer Gewinner sind Online-Handel sowie der systemrelevante Handel (im wesentlichen Nahversorgung) mit hohem überdurchschnittlichem Wachstume. Demgegenüber zählte der überwiegende Teil des stationären Nonfood-Handels zu den Verlierern – in der Spitze mit hohen zweistelligen Umsatzverlusten im Bekleidungseinzelhandel.

Stationärer Einzelhandels versus Onlinehandel

Eine klare Abgrenzung zwischen online und offline wird nach Angaben von Olaf Petersen eingedenk der steigenden Bedeutung des Themas Omnichannel künftig kaum noch möglich sein. Die Zahlen des HDE wiesen einen Anteil des E-Commerce am gesamten Einzelhandelsumsatz von rund 13 % aus, wobei die tatsächlichen Online-Umsätze seiner Ansicht nach viel zu niedrig ausgewiesen werden, weil nur die Umsätze von E-Commerce-Spezialisten und nicht die Online-Umsätze von originär stationären Einzelhändlern erfasst werden. „Gerade in der Corona-Krise haben aber auch deren Online-Umsätze einen spürbaren Schub erhalten,“ erklärt der COMFORT-Chefresearcher. Dies sei mit Blick auf eine verbreiterte Aufstellung des Einzelhandelsgeschäfts für die Zukunft auch gut so. Im Übrigen gelte dies ebenso umgekehrt, indem zusätzliche stationäre Läden zu Umsatzverstärkern für klassische Online-Händler werden. „Solche Läden verleihen dem Online Format ein stationäres Gesicht und machen die Online-Marke auch in der echten Welt sicht- und erlebbar.“

Vermietungsmarkt in den 1a-Lagen – deutlicher Druck auf die Mieten

„Dass die Corona-Krise das Vermietungsgeschäft für innerstädtische Handelsimmobilien negativ beeinflusst,“ sagt Petersen, „liegt auf der Hand. Tatsächlich sind aber vor allen Dingen Entwicklungen beschleunigt worden, die bereits zuvor den Markt erfasst hatten. Die Mieternachfrage hatte für viele Städte und Lagen bereits in den Jahren vor Corona nachgelassen.“ So habe sich der ehemalige Vermietermarkt nun endgültig zu einem Mietermarkt gewandelt. Mit entsprechendem Druck auf die Mieten, was insbesondere für Großflächen ab ca. 1.000 m² sowie vertikaler Geschossstruktur zutrifft.

Vom Vermieter- zum Mietermarkt

Aber auch die Usancen des Vermietungsgeschäfts befinden sich gemäß den Beobachtungen der COMFORT-Experten in einem umfassenden Wandel. So werden Mietverträge immer flexibler: Umsatzmiet-Komponenten, Sonderkündigungsrechte bzw. kürzere Vertrags-Laufzeiten erhalten eine höhere Relevanz. Die klassischen Nebenkosten- sowie Index-Regelungen stehen ebenfalls unter Druck. Im Rahmen der Flächenvermarktung gewinnt die Maklervergütung via Zahlung von Innenprovisionen seitens der Vermieterseite immer mehr die Oberhand. In puncto Incentives erwarten expansionswillige Mieter von Vermietern zusehends die Gewährung mietfreier Monate, eigener Investitionen oder Baukostenzuschüsse.

Mieten gingen im Durchschnitt zwischen 20 und 30% zurück

„Zusammengefasst lässt sich konstatieren“, sagt auch Manfred Schalk, der bei COMFORT übergeordnet für die Koordinierung des Vermietungsgeschäftes zuständig ist, „dass sich der Markt in einer Phase der Neujustierung befindet.“

Dies wirke sich auf die Flexibilisierung der Laufzeiten ebenso aus wie auf die Höhe der Mieten. Im Durchschnitt, der natürlich alle Ausreißer nach oben oder unten glättet, seien die Spitzenmieten gegenüber denen der Vergangenheit in einer Größenordnung zwischen 20 und 30 % zurückgegangen. Dies betreffe insbesondere die vor der Corona-Krise besonders gefragten Einkaufsstädte und -metropolen, deren hohes Mietniveau besonders unter den Einschränkungen und dem Verlust ausländischer Touristen gelitten haben. Weniger stark sind die aktuellen Effekte oftmals bei kleineren Standorten, deren Zentralität und Bedeutung sich eher auf regionalem Niveau bewegt, „Damit liegen wir in vielen Top-Städten etwa wieder auf dem Level von vor zehn oder elf Jahren, also dem Jahr 2010.“ Ein Szenario, erklärt Schalk, das in diesem Immobiliensegment lange Zeit für vollkommen unmöglich gehalten worden ist. Kannten die Mietpreise doch seit Jahrzehnten praktisch nur eine Richtung: Nach oben.

Berlin und München im Mietpreisranking vor Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt
Im aktuellen Ranking der absoluten Höchstmieten für Deutschlands Top 25 Einkaufsstädte hält Berlin für die Kleinflächen (80-120 m²) die Pole--Position vor München. Es folgen Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt am Main und Köln vor Hannover, Freiburg, Stuttgart und Dortmund. Bei den mittelgroßen Flächen (300-500 m²) liegt dann allerdings München mit deutlichem Abstand vorne und zwar vor Hamburg, Düsseldorf und Berlin auf den weiteren Plätzen.

Mittlerweile, so die beiden COMFORT-Experten übereinstimmend, sei allerdings das während der Krise vielbeschworene Licht am Ende des Tunnels deutlich erkennbar. Wenngleich sich der Markt im Wandel befinde, habe es doch auch während der Corona-Krise namhafte Vermietungen in den 1a-Lagen gegeben. Aktuell nehme diese Erholung vor dem Hintergrund der Lockerungen natürlich noch mehr Fahrt auf. Dabei handelte es sich nach COMFORT-Angaben im Nonfood-Bereich einerseits um Relocations, bzw. Standort- und Mietoptimierungen im Zuge der Expansion bereits im Markt befindlicher Player, wie beispielsweise Globetrotter, NEW YORKER, s.Oliver, CALZEDONIA/intimissimi, TALLY WEiJL, JD Sports, DECATHLON, SÖSTRENE GRENE, Maison du Monde, BUTLERS, Teufel Lautsprecher, Dyson, Victorinox, diverse Brillenkonzepte (u.a. Mister Spex und eyes+more) sowie verschiedene Gastro-Filialisten wie FIVE GUYS, dean & david, L’Osteria, The ASH oder FRITTENWERK.

Diverse neue Mietkonzepte am Markt

Hinzu kommen einige neue Konzepte am Markt. So beispielsweise die von COMFORT in Zusammenarbeit mit Cushman & Wakefield vollzogenen Markteintritte der nordamerikanischen Trend-Mode-Labels Canada Goose (in Berlin, Frankfurt und München) oder Moose Knuckles (Düsseldorf) bzw. die Platzierung des einzigen M&M’s-Flagship-Store in Kontinentaleuropa im Renommierprojekt Gloria auf dem Berliner Kurfürstendamm. Ebenfalls aus Amerika kommt Restoration Hardware nach Deutschland Aus Skandinavien stammt das für Deutschland neue Konzept Samsöe Samsöe. Auch neue Showroom- und Experience-Konzepte wie jene der chinesischen Weltmarken Huawei und Xiaomi bzw. des deutschen Traditionsherstellers MIELE oder E-Autos (Polestar) und neuartige Concept-Stores wie The Latest, Blaenk oder VAUND sind aktuell auf dem Vormarsch.

Lebensmittler und Drogerien auf dem Vormarsch

All dies werde ergänzt um die zunehmend wieder in unsere Innenstädte drängenden Anbieter des periodischen Bedarfs. Seien es die klassischen Lebensmittler und Discounter wie EDEKA und REWE sowie ALDI, LIDL und Netto mit neuen City-Konzepten, Biomärkte (z.B. ALNATURA, denn’s BIOMARKT und BIO COMPANY) oder diverse Anbieter aus dem vielschichtigen Drogeriemarkt, Kosmetik- und Gesundheitssektor (von dm-drogerie markt, ROSSMANN, Müller Kleinkaufhaus, BUDNI bis hin zu RITUALS, SEPHORA, LUSH oder easyapotheke). Last, but not least, bleiben die erfolgreichen Niedrigpreiskonzepte wie TK Maxx, WOOLWORTH, Zalando oder TEDI expansiv.

Besatz der Innenstädte wird wieder vielfältiger

Dabei gerät die ehemalige textile City-Dominanz in den Cities zunehmend in Vergessenheit. Potentielle Mieter, deren Konzept und Sortiment eine Anmietung in der städtische Topflächen bis dato angesichts der hohen Preise ausgeschlossen hatten, bekommen nun ihre Chance. „Dies kann für die Attraktivität der Innenstädte durchaus ein Gewinn sein, wenn der Besatz künftig wieder deutlich vielfältiger wird“, sagt Olaf Petersen.

Nachfrage nach Flächen nimmt deutlich zu

Eine solche Entwicklung lasse sich auch aus einer aktuellen Auswertung der COMFORT–internen Mietgesuchs-Statistik für das erste Halbjahr 2021 ablesen. Im Vergleich zu den Zahlen des entsprechenden Vorjahreszeitraums erreicht hier die Zahl der neuen Gesuche insgesamt in etwa das Vorjahresniveau. Ganz wesentlich hierbei, erklärt Petersen, sei aber die Entwicklung. Während insbesondere im Januar/Februar (also mitten im Lockdown) die Anzahl der neuen Mietgesuche deutlich unterhalb des Vorjahres lag (als von Corona nur als Randnotiz die Rede war), habe sich das Bild nunmehr komplett gewandelt. Im 2. Quartal lagen die Gesuche jeweils zweistellig oberhalb der Vorjahreswerte. Es sei eine klar positive Dynamik erkennbar. All dies lässt für Manfred Schalk und Olaf Petersen nur den Schluss zu, dass ein Comeback des Einzelhandels in den Innenstädten bereits in vollem Gang ist. „Der Untergang“, sagt Petersen, „der den Innerstädten vielfach prophezeit wurde, war wohl eher der griffigen Formulierung als der Realität geschuldet.“





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