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01.12.2021 Klimaschutz kann sich rechnen: Wert- und Mietsteigerungen möglich

Der Klimagipfel in Glasgow ist vorüber – doch das Thema hält uns weiter in Atem. Wie kann und muss sich die Immobilienwirtschaft auf den Klimawandel einstellen? Welche Auswirkungen sind vor allem in puncto Preise und Bewertung zu erwarten? Und so drehte sich der MasterTalk Real Estate #17 am 23. November um das Thema: „Klima. Wandel. Chance: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Immobilienwirtschaft?“, veranstaltet von CoreNet Global (CNG) und der Hochschule Fresenius.

Um der Diskussion ein solides Fundament zu geben, hatte Prof. Dr. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- & Weiterbildung zuständig, zwei Diskussionsteilnehmerinnen eingeladen, die die wichtigsten Erkenntnisse ihres „PMRE Monitors 2021“ mit dem gleichnamigen Titel „Klima. Wandel. Chance.“ vorstellten:

• Prof. Dr. Marion Peyinghaus, Geschäftsführerin Competence Center Process Management Real Estate GmbH (CCPMRE) und Professorin an der hochschule 21, Buxtehude
• Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner, ebenfalls Geschäftsführerin des CCPMRE und Professorin an der HTW Berlin

Aus Sicht der zwei Autorinnen „ist der Klimawandel unausweichlich: Stürme, Überschwemmungen, Hitzeinseln in den Innenstädten sind Konsequenzen, mit denen die Immobilienwirtschaft bereits heute konfrontiert wird.“ Ein durchaus düsteres Bild der Zukunft, wie beide zugeben. Doch ihre Kernbotschaft an die Immobilienwirtschaft lautet sogleich: „Investitionen in den Klimaschutz lohnen sich.“ Auch, weil ihrer Meinung nach die Folgekosten von unterlassenem Klimaschutz die vermeintlich eingesparten Mittel um ein Vielfaches übersteigen.

Daneben erkennen beide einen Wandel in der Gesellschaft, den sie mit dem PMRE Monitor herausgearbeitet haben: Demnach entstehen neue Bedürfnisse, und Kunden erwarten klimagerechtes Wohnen und Arbeiten. Der Klimawandel solle daher nicht als Bedrohung zu verstehen sein, „sondern auch als Chance, neue Produkte zu generieren und zusätzliche Kundengruppen zu erschließen.“ Peyinghaus gibt angesichts der alarmierenden Meldungen zu: „Es hört sich skurril an, weil es bedrohlich ist. Aber im Klimawandel stecken auch Chancen. Wenn die Immobilienwirtschaft erkennt, dass sich Investitionen lohnen, wird sie es tun. So entstehen lukrative Möglichkeiten.“

Wie genau der Markt das sieht – Anbieter und Nachfrager –, haben sie aktuell in einer internationalen Untersuchung erhoben. Hierzu haben die beiden Studienautorinnen mehr als 200 Immobilienspezialisten befragt, darunter überwiegend Immobilienbewerter und Experten, die sich strategisch mit Immobilien beschäftigen. Daneben hat auch die Generation Z teilgenommen – 140 Studierende aus Deutschland und 51 aus Übersee. Eine der zentralen Fragen drehte sich um das Jahr der erwarteten Klimaneutralität in der Immobilienwirtschaft: Die Antworten ergaben das Jahr 2064, was Peyinghaus mit der Bemerkung quittierte: „Da haben wir noch viel zu tun.“ Wie man es stattdessen machen könne, da helfe ein Blick in die Niederlande. Dort sei der Schock über die möglichen Klimaschäden bereits angekommen. „Die Niederlande fühlen sich bedroht, gerade auch durch den ansteigenden Meeresspiegel, und haben diese Bedrohung in einen Geschäftszweig verwandelt, etwa mit Pump- und Sperrwerken.“ Architekten dort haben das „Leben auf dem Wasser“ zum Thema erhoben – beides lasse sich weltweit exportieren. Im Nahen Osten wiederum nutze man sehr stark Wasser als Kühlung von Gebäuden – solche positiven Vorbilder finden nun langsam auch hierzulande ihre Verbreitung.

Push- und Pullfaktoren

Die Niederlande zeigen also Kompetenz durch einen „Push“. In vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen gebe es aber auch einen Pullfaktor für die Immobilienwirtschaft: Besonders die internationalen Studierende haben in der Befragung angekündigt, dass Klimaschutz ein „Job-Auswahlkriterium“ sei. Eine ganz harte Währung für die Branche sei jedoch die Bereitschaft zur Mietpreissteigerung durch klimabedingte Baumaßnahmen. Im Mittel sind die Studienteilnehmer bereit, 5,2 Prozent mehr für die Miete auszugeben.

Wenn die Miete steigt und sogar steigen darf, gehen folglich auch die Werte „klimaresilienter Immobilien“ nach oben – sofern diese bestimmte Kriterien erfüllen. Hierzu gehört zu allererst eine gute ÖPNV-Anbindung, ein CO2-neutraler Betrieb, eine Lage im „Urban Village“ (alle wesentlichen Orte sind innerhalb von 15 Minuten erreichbar) oder eine gute Raumluftqualität. Haben die Investoren ihre Hausaufgaben gemacht und positive Klimafaktoren „eingebaut“, kann die Bewertung der Immobilien um 8,6 Prozent anziehen.

Licht und Schatten

Allerdings gibt es auch – vor allem wenn man den Bedrohungsszenarien folgt – die Kehrseite: den herben Wertverlust. An erster Stelle Überschwemmungen, Erdrutsche und Waldbrände, aber auch Dürren, eine mangelhafte CO2-Bilanz und Smog können den Wert von Immobilien drastisch senken. Rechnerisch um 20,5 Prozent – mehr als die Chancen durch Wertsteigerungen auf die Waage bringen, weshalb die Folie auch mit „Stranded Assets“ überschrieben war. 47 Prozent der Befragten geben an, sich wegen des Klimafaktors „Hitze“ keine Wohnung in der Innenstadt nehmen zu wollen, 48 Prozent keine vier Wände im Dachgeschoss.

Aber auch Betreiber von Büroimmobilien müssen sich auf veränderte Wünsche – kostenträchtig – einstellen: 76 Prozent wünschen sich eine Raumluftkühlung im Büro. Schließlich sinke bereits ab 26 Grad die Arbeitsproduktivität. „Bessere Luftqualität“ rangiert als Wunsch an die Arbeitgeber auf Platz zwei, gefolgt von „klimaneutralen Mobilitätsangeboten“ und „klimaneutralem Betrieb“. 74 Prozent wünschen sich eine generelle Klimakultur im Unternehmen.

Ihren Vortrag fasste Peyinghaus mit einer Aufrechnung von klimabedingten Investitionen und Erlösen zusammen: 12,7 Prozent mehr Instandhaltungskosten, 8 Prozent mehr Finanzierungskosten und 7,4 Prozent mehr IT-Kosten stehen 8,9 Prozent höhrere Gewinne bei „Verkaufspreisen durch Klimaneutralität“ oder 7,1 Prozent Mietpreissteigerungen gegenüber.

„Da gehe ich als Investor doch raus aus Immobilien!“

In der anschließenden Diskussion und Fragerunde machte Co-Referentin Zeitner keinen Hehl aus ihrem pessimistischen Grundgefühl: „Ich bewerte vieles was aktuell in der Immobilienwirtschaft realisiert wird als deprimierend, etwa wenn ich durch Berlin fahre, und mir die Projektentwicklung in der Europacity anschaue. Erst wenn Geld mit dem Klimawandel gemacht werden kann und der Markt danach verlangt, dann wird es interessant. Ich hoffe darauf.“

Co-Moderator Peter Prischl griff die laut Glatte „Top-Erkenntnis des heutigen Mastertalks“ zu den Wertsteigerungen auf: „Gibt es denn schon erzielbare höhere Preise für Immobilien – real?“ Laut Peyinghaus fehlen noch die Daten zum direkten Zusammenhang zwischen Klima und Wertsteigerung, trotz einzelner Leuchttürme. Prischl nahm sogleich die asymmetrische Verteilung von „8,6 Prozent Chancen vs. 20,5 Risiken“ aufs Korn: „Da gehe ich doch als Investor ganz raus aus Immobilien!“

Dem entgegnete Peyinghaus, dass Deutschland ja beileibe „nicht nur aus Überschwemmungsgebieten besteht. Da gleicht sich das Risiko aus.“ Für Büros in Innenstädten sei aber das Problem der „Hitzeinseln“ relevant. Überhaupt werde „das Risiko, das auf uns zukommt, schnell allen klar werden.“ In den letzten Jahren habe man das nicht gesehen. Jetzt aber nehmen die Risiken zu – eine klare „Motivation, um etwas zu tun.“ Hier fügte Glatte hinzu: „Gerade in Asien ist es die Immobilienbranche, die das Thema antreibt. Anders hierzulande, wo die Branche hinterherhängt.“ Was brauche man also, um den Umbruch einzuleiten?

„Mehr Konsequenz“, brachte es Peyinghaus auf den Punkt, ergänzt durch Kollegin Zeitner: „Mehr Mut, mehr Leuchtturmprojekte. Und: Wir müssen es auch von uns verlangen, nicht nur von der Politik!“ Dies leitete sogleich zur Abschlussfrage von Mastertalk-Initiator Glatte über: „Wie wird die Studie in zehn Jahren ausfallen? Welche Jahreszahl komme da bei der Klimaneutralität für die Branche raus? Peyinghaus hofft auf das Jahr 2050, etwa durch „mehr Restriktionen und steigende CO2-Preise.“ Glatte schlussfolgerte: „Die Immobilienwirtschaft wird sich bewegen müssen. Aber auch wir, nicht nur die Branche. Wir müssen raus aus der Komfortzone. Man muss bereit sein, Lasten zu tragen.“

Mit diesen Worten beendete er den letzten Mastertalk in diesem Jahr, obendrein mit einer Rekordteilnahme von ca. 80 Gästen – „was zeigt, dass das Thema auf den Nägeln brennt und uns auch bei den Mastertalk-Themen in 2022 weiterbeschäftigen wird.“







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