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08.12.2021 Lohnt das Erbbaurecht als Alternative zum Grundstückskauf?

Seit Jahren sind in Deutschland steigende Grundstückspreise zu beobachten, immer mehr Kaufinteressenten fragen sich daher: Lohnt es sich finanziell eher ein Grundstück zu pachten oder es zu kaufen? Das Erbbaurecht ermöglicht es, ein Haus auf einem fremden Grundstück zu bauen oder zu kaufen. Auf den ersten Blick scheint das Erbbaurecht eine kostengünstige Alternative zum Grundstückskauf zu sein. Interessenten ist es jedoch empfohlen, beide Möglichkeiten abzuwägen und einige Fallstricke zu beachten. Die wichtigsten Fakten zum Erbbaurecht haben die VON POLL IMMOBILIEN Experten (www.von-poll.com) nachfolgend zusammengefasst.

Ein fremdes Grundstück bebauen – wie funktioniert das?

„Der Erbbaurechtsgeber, der Eigentümer des Grundstücks, überträgt dem Erbbaurechtsnehmer, dem Pächter des Grundstücks, ein Nutzungsrecht für das jeweils betroffene Grundstück. Dem Erbbaurechtsnehmer ist es als Pächter des Grundstücks gestattet, eine Immobilie darauf zu bauen oder eine bereits auf dem Grundstück liegende Immobilie käuflich zu erwerben. Somit wird der Erbbaurechtsnehmer zum Eigentümer der Immobilie – jedoch nicht Eigentümer des Grundstücks“, weiß Tim Wistokat, Rechtsanwalt und Head of Legal Department bei VON POLL IMMOBILIEN. Und er führt weiter aus: „Dafür leistet im Gegenzug der Erbbaurechtsnehmer an den Erbbaurechtsgeber einen jährlichen Erbbauzins, welcher in der Höhe grundsätzlich frei verhandelbar ist. In der Regel beträgt die Höhe des Erbbauzinses jedoch etwa drei bis fünf Prozent des Grundstückswertes.“ Dabei kann der Erbbauzins alle drei Jahre vom Erbbaurechtgeber angepasst werden – üblicherweise orientiert er sich hierbei am Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes.

Neben den vereinbarten Zahlungen sollten sich die Parteien über die Instandhaltung und die Möglichkeit, bauliche Veränderungen an der vorhandenen Immobilie vorzunehmen, einigen. Zudem sollte vorab geklärt werden, ob die Immobilie vom Erbbaurechtsnehmer weitervermietet werden darf. Um alle Vereinbarungen schriftlich festzuhalten, schließen die beteiligten Parteien einen Erbbaurechtsvertrag ab – um rechtskräftig zu sein, muss dieser vom Notar beurkundet werden. Anschließend erfolgt die Eintragung des Erbbaurechts in das Grundbuch des Grundstücks und zusätzlich in ein separat eingerichtetes Erbbaugrundbuch.

Grundsätzlich kann jeder Grundstückseigentümer ein Erbbaurecht vergeben. In der Praxis werden Grundstücke jedoch meist von Kommunen, Kirchen, Gemeinden oder Unternehmen verpachtet. Besonders die Kirche tritt in Deutschland häufig als Verpächter von Grundstücken auf, um so jungen Familien mit wenig Eigenkapital den Immobilienkauf oder Hausbau zu ermöglichen.

Was muss beim Erbbaurecht beachtet werden?

In der Regel beträgt die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags zwischen 50 und 99 Jahre. Nach Ablauf der Erbpacht erlischt das Erbbaurecht und die Immobilie wird Eigentum des Erbbaurechtsgebers. Dieser muss dem Erbbaurechtsnehmer eine angemessene Entschädigung für das Gebäude zahlen – diese orientiert sich am aktuellen Marktwert. „Auch im Falle eines Verkaufes oder einer Vererbung des Grundstücks oder der Immobilie erlischt das Erbbaurecht als dingliches Nutzungsrecht nicht“, sagt Rechtsexperte Wistokat. Und weiter: „Der neue Eigentümer des Grundstücks oder der Immobilie übernimmt vielmehr den Erbbaurechtsvertrag sowie dessen Restlaufzeit. Das bedeutet jedoch nicht, dass die vereinbarte Laufzeit automatisch erneuert oder verlängert wird. Es ist eher dahingehend zu verstehen, dass mit dem neuen Eigentümer ein Neubeginn der Laufzeit verhandelt werden kann.“ Je mehr Restlaufzeit übrig ist, desto besser sind die Chancen bei einem Wiederkauf der Immobilie. Eine Übernahme bei nur noch kurzer Laufzeit lohnt sich für Kaufinteressenten meist nicht.

Eine vorzeitige Auflösung des Vertrags ist möglich, sofern sich beide Parteien darauf einigen. Eine Ausnahme bildet der Heimfall. Sollte der Erbbaurechtsnehmer seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommen oder mindestens zwei Jahre den vereinbarten Erbbauzins nicht zahlen, kann der Erbbaurechtsgeber seinen Heimfallanspruch geltend machen. Beim sogenannten Heimfallsanspruch muss der Erbbaurechtsnehmer das Erbbaurecht an den Grundstückseigentümer zurückgeben. Der Vertrag wird vorzeitig aufgehoben und der Erbbaurechtsgeber wird zum Eigentümer des Gebäudes. Aber aufgepasst: Auch im Falle eines Heimfalls muss der Erbbaurechtsgeber den Erbbaurechtsnehmer angemessen entschädigen.

„Auch besteht die Möglichkeit, dass sich die Parteien untereinander auf eine einvernehmliche Vertragsverlängerung einigen. Zudem kann zwar der Erbbaurechtsgeber dem Erbbaurechtsnehmer ein Vorkaufsrecht am Grundstück einräumen. Einen Anspruch auf eine Vertragsverlängerung steht dem Erbbaurechtsnehmer allerdings nicht zu“, lässt Tim Wistokat von VON POLL IMMOBILIEN wissen.

Lohnt sich das Erbbaurecht?

Wer über nur wenig Eigenkapital verfügt, aber trotzdem nicht auf ein Eigenheim verzichten will, für den kann sich das Erbbaurecht unter Umständen lohnen. Da nur der Kaufpreis für das Haus, aber nicht für das Grundstück aufgebracht werden muss, fällt der Gesamtbetrag bei der Immobilienfinanzierung niedriger aus. Interessenten zahlen neben dem Kaufpreis für die Immobilie meist die Grundsteuer, Versicherungs- und Instandhaltungskosten sowie den jährlichen Erbbauzins.

Fazit

Auf den ersten Blick scheint das Erbbaurecht für Kaufinteressenten mit nur wenig Eigenkapital verlockend zu sein. Aber bei genauerem Hinsehen fallen einige, nicht unwesentliche Bedenken auf. Der wohl größte Nachteil: Während die Tilgung eines regulären Bankkredits für ein Grundstück mit der Zeit endet, laufen die Erbbauzinsen bis zum Vertragsende weiter. Gerade in Zeiten von Niedrigzinsen erweist sich eine klassische Finanzierung oftmals als finanziell vorteilhafter. Zudem kann der Erbbauzins alle drei Jahre angepasst werden. Aufgrund dessen besteht die Möglichkeit, dass die Erbbauzinszahlungen mit den Jahren die gesamten Grundstückskosten übersteigen. „Obwohl ein regulärer Immobilienkauf in der Anschaffung meist teurer erscheint, erweist er sich auf langfristige Sicht meist als unkomplizierter und kostengünstiger“, resümiert Tim Wistokat.





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