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15.12.2021 Gated Communities: Gibt es Potentiale dafür in Deutschland?

Man kennt sie vor allem aus Amerika: Gated Communities. Diese durch Mauern oder Zäune nach außen abgegrenzten Wohnsiedlungen sind in weiten Teilen der Welt – bspw. in den USA, Mexiko, der Türkei oder auch europäischen Ländern wie England und Frankreich – fest im Stadtbild etabliert. In Deutschland stellen sie eine Ausnahmeerscheinung dar und werden eher als störendes, mit den Grundprinzipien deutscher Stadtentwicklung nicht zu vereinbarendes Element wahrgenommen. Aengevelt Research analysiert die Gründe und die Potentiale von Gated Communities in Deutschland.

Gated Communities: Wohnquartiere mit Zugangskontrolle

Die Stadt als Wohnort ist für die verschiedensten Haushaltsformen attraktiv. Gleichzeitig steht der Wunsch nach einem urbanen Umfeld mit kurzen Wegen, einer gut ausgebauten Infrastruktur, einem breiten Angebot an Nahversorgung, Gastronomie sowie sportlichen und Event-Möglichkeiten oft im Konflikt mit dem Bedürfnis nach Ruhe und Privatsphäre. Vor diesem Hintergrund werden Wohnsiedlungen entwickelt, die städtische Standorte mit Sicherheitsmaßnahmen vereinen und oftmals zusätzliche Annehmlichkeiten wie Serviceleistungen bieten – die Gated Communities.

Unter Gated Communities versteht man allgemein durch bauliche Elemente wie Zäune, Mauern und Tore oder personelle Maßnahmen wie Wachleute und Portiers abgeschlossene und für Außenstehende unzugängliche Wohnsiedlungen, bei denen häufig zusätzlich technische Hilfsmittel wie Kameras und Bewegungsmelder eingesetzt werden. In abgeschwächter Form kann die “Abgrenzung“ auch über Architektur, die städtebauliche Gestaltung oder auch durch Dienstleistungsangebote und eine entsprechende Vermarktung geschehen.

Ebenso vielfältig wie die Ausgestaltung von Gated Communities sind die Gründe für die Entwicklung und den Erfolg dieser Siedlungen in den verschiedenen Ländern: Oftmals spielt der Wunsch wohlhabender Bevölkerungsgruppen nach einer ästhetischen Gestaltung des Wohnumfeldes und einer homogenen Nachbarschaft mit Menschen derselben sozialen Gruppe mit ähnlichen Interessen und Wertvorstellungen sowie nach Schutz vor Kriminalität und somit der Aspekt der Sicherheit eine entscheidende Rolle. Tatsächlich können aber auch existenzielle Gründe ausschlaggebend sein, wie das Bedürfnis nach einer gesicherten Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität, beispielsweise im Libanon.

Situation in Deutschland: Urbanität vs. Privatsphäre

In den USA sind Gated Communities weit verbreitet und von vielen Kommunen, die diese Entwicklung teilweise durch strikte Bauvorschriften forcieren, sogar gewünscht: Laut U.S. Census Bureau lebten 2019 rd. 10 Mio. Haushalte in von Mauern oder Zäunen gesicherten Anlagen. In Deutschland sind klassische Gated Communities nach amerikanischem Vorbild dagegen wenig verbreitet. Der Ende der 1990er Jahre in den Medien prophezeite Boom hierzulande blieb aus.

Dennoch existieren auch in Deutschland einzelne abgeschlossene Wohnsiedlungen, die starke Ausprägungen einer Gated Community aufweisen, sowie zahlreiche Siedlungen mit schwächerer Ausprägung. Dabei überwiegen hochpreisige, exklusive Anlagen, die teilweise mit umfangreichen modulartig abrufbaren Serviceangeboten wie bspw. Postdiensten, Empfangsservice, Versorgung von Pflanzen und Haustieren, Einkaufs- und Wäschediensten etc. den Alltag der Bewohner erleichtern sollen. Durch ihre ästhetische Gestaltung und sichtbaren Sicherheitselemente fallen diese Siedlungen auf - und wecken das Interesse bzw. oftmals auch das Missfallen der Nachbarschaft und Öffentlichkeit.

Umfrage zeigt geringe Akzeptanz für Gated Communities in Deutschland

In Deutschland werden Gated Communities in den Medien und der Öffentlichkeit oft kritisch betrachtet: Da sie zumeist hochpreisigen Wohnraum bieten, können sich diesen nur bestimmte Bevölkerungsgruppen leisten, was eine Ausgrenzung anderer Bevölkerungsschichten fördert. So sieht der Wohnsoziologe Tilmann Harlander in der Ausbreitung von Gated Communities eine Gefahr, da er eine Entsolidarisierung und ein Auseinanderdriften der Gesellschaft befürchtet.

Lara Zautys, Analystin von Aengevelt Research, hat dazu eine Umfrage unter Kommunen und Bürgern durchgeführt. Von den 50 deutschen Großstädten, die teilgenommen haben, befürchten 80 %, dass solche, nur bestimmten Gruppen zugängliche Wohnsiedlungen eine Segregation, also eine Entmischung, fördern. Zumal eine Abgrenzung durch Mauern und Zäune weit über die Ausgrenzung einkommensschwächerer Haushalte durch das Preisniveau des Wohnraums hinaus geht, denn sie schließt auch Passanten und Bewohner benachbarter Quartiere aus. Durch ihre Abgeschlossenheit verhindern diese Wohnsiedlungen den freien Zugang und stehen im Kontrast zum Ideal des öffentlichen Raumes. Damit widersprechen Gated Communities dem Prinzip durchmischter Nachbarschaften, das für 98 % der Kommunen ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Stadtentwicklung ist.

Auch würden neu geschaffene Grünanlagen oder Spielplätze innerhalb dieser Siedlungen, die grundsätzlich zur Aufwertung des Stadtraumes beitragen, die Aufenthaltsqualität verbessern und Orte zur Interaktion verschiedener Bevölkerungsgruppen seien, großen Teilen der Bevölkerung vorenthalten. Für Kommunen stellt aber die freie Zugänglichkeit von öffentlichen Räumen einen wichtigen Bestandteil der europäischen Stadt dar, der geschützt werden muss. Entsprechend gaben 94 % der teilnehmenden Kommunen an, dass attraktiv gestaltete Lebensräume für alle Bürger zugänglich sein sollten.

Eine übermäßige Abschottung und Ausgrenzung zum Nutzen einer kleinen Bevölkerungsgruppe lässt sich dagegen nach Ansicht von 76 % der befragten Kommunen nicht mit den Planungsgrundsätzen des Gemeinwohls und einer sozialgerechten Bodennutzung vereinen. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass alle befragten Kommunen (100 %) angaben, dass eine Abschottung durch unzugängliche Wohnsiedlungen nicht ihrem städtischen Idealbild entspricht.

Aber auch von Seiten der befragten Bürger werden Gated Communities und die durch homogene Nachbarschaften geförderte Segregation mehrheitlich abgelehnt und vielmehr eine ausgewogene Durchmischung und ein integratives Miteinander gefordert: So gab mit 63 % der insgesamt 509 an der Befragung teilnehmenden Bürger die große Mehrheit an, dass sie (eher) abgeneigt sei, in eine unzugängliche Siedlung zu ziehen. Und deutlich mehr als die Hälfte der Teilnehmer (54 %) würde zudem eine entsprechende Siedlung in ihrem Umfeld stören.

Fazit

„Der Wunsch nach Privatsphäre im Wohnbereich lässt sich bereits durch optische Mittel wie eine sich abhebende Straßenpflasterung, Sichtschutz durch eine offene Bepflanzung oder eine Beschilderung der privaten Flächen umsetzen und so eine Begrenzung zwischen öffentlichen, halböffentlichen und privaten Räumen vollziehen. Eine tatsächliche Zugangsbeschränkung wie bei klassischen Gated Communities ist in Deutschland deshalb weder notwendig noch gewünscht. Statt Zäunen und Mauern sollten vielmehr gegenseitiger Respekt, Toleranz und Rücksichtnahme ein gemeinsames Miteinander in der Stadt bei gleichzeitig ausreichender Privatsphäre ermöglichen“, erklärt Lara Zautys und zieht das Fazit: „Gated Communities widersprechen in vielerlei Hinsicht den Grundprinzipien der deutschen Stadtentwicklung und den Präferenzen von Kommunen und Bürgern. Deshalb ist in Deutschland nicht von einer Entwicklung solcher Wohnformen in der Breite auszugehen.“








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