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04.03.2022 Essen: Einzelhandel und 1A Lagen zu Beginn des Frühlings 2022

Olaf Petersen, Geschäftsführer und Chefresearcher des Einzelhandelsspezialisten COMFORT analysiert mit seinen Kollegen in den COMFORT-Büros vor Ort die aktuelle Lage zum Frühlingsbeginn 2022. Wie stellt sich aktuell die Situation für den Einzelhandel und die Handelsimmobilien der 1A-Lagen in den beliebtesten deutschen Einkaufsstädte dar? In dieser Folge geht es um Essen, die traditionsreiche „Einkaufsstadt des Ruhrgebiets“.

Ab März 2020 und damit praktisch zwei Jahre befanden sich Gesellschaft und Wirtschaft im Würgegriff der weltweiten Corona-Pandemie. Dabei zählten Einzelhandel und Gastronomie zu den Hauptleidtragenden. Zwar verlief 2021 nicht mehr so negativ wie das Vorjahr: nach dem ersten durch den Lockdown geprägten Halbjahr kam ab dem Juni wieder Zuversicht auf, die jedoch zum Jahresende zunächst dem Delta- und anschließend dem Omikron-Blues mit neuen administrativen Bestimmungen (2G-(Plus-) / 3G u.a.) für die Retail-Branche wich. Das im Zuge des fortschreitenden Impffortschritts zwischenzeitliche Aufleben der Innenstädte, von Handel und Gastronomie sowie der Passantenfrequenzen hat indes eindrücklich verdeutlicht, dass unter Normalbedingungen der permanente Empfang und Versand von Paketen bzw. die Nahversorgungserledigungen zu Hause einen echten Shopping-Bummel in einer Einkaufsmetropole nicht nachhaltig zu ersetzen vermag. Anders als früher zählt hierzu heute aber deutlich mehr als nur Shoppen, sondern auch ansprechende Gastronomie-, Nahversorgungs- und Dienstleistungsangebote. Von daher lässt der mittlerweile erfolgte bundesweite Wegfall der 2 G-Beschränkungen für den Einzelhandel wie auch der absehbare Wegfall in der Gastronomie im Laufe des März für die Zukunft unserer Innenstädte wieder positive Perspektiven erkennen. Ein Nachholbedarf an innerstädtischem ‚Leben‘ ist allerorten spürbar. Und auch die gesamtwirtschaftlichen Eckdaten für den privaten Konsum zeigen nunmehr auch wieder nach oben.

Die bundesweiten Trends sind auch weitgehend für die Ruhrmetropole Essen gültig. So fiel die Arbeitslosenquote im Januar 2022 mit 10,2 % um immerhin 1,2 Prozentpunkte niedriger aus als im Vorjahr. Die innerstädtischen Passantenfrequenzen hinkten nach den Zahlen von hystreet in dem noch relativ normalen September den 2019er Werten noch rund 25 % hinterher. Dabei sind hier natürlich die Sonderbedingungen in puncto Masken, Hygieneauflagen und maximale Kundenzahl pro Geschäft relativierend zu berücksichtigen. Auch erreichte die Gesamtzahl der Essener Hotel-Übernachtungen in 2021 mit gut 790.000 nur 48 % des 2019er Niveaus.

Essen

Das nordrhein-westfälische Oberzentrum stellt mit seinen gut 580.000 Einwohnern gleichzeitig die elftgrößte Stadt Deutschlands dar - mit zentraler Lage inmitten des hoch verdichtet bewohnten Ruhrgebiets. Die Stadt hat bereits eine weite Wegstrecke von einem traditionsreichen Industriestandort hin zu einem modernen Dienstleistungsstandort zurückgelegt, was in einer in den letzten fünf Jahren deutlich positiven Beschäftigungsentwicklung zum Ausdruck kommt. Dabei fällt die Einzelhandelskaufkraft der Essener nahezu bundesdurchschnittlich aus. Die hohe übergeordnete Bedeutung der Stadt für die gesamte Region findet in dem positiven Berufspendlersaldo von arbeitstäglich knapp 50.000 Erwerbstätigen ihren Ausdruck.

Und nicht zuletzt in ihrer Bedeutung als „Einkaufsstadt des Ruhrgebiets“ mit einem Top-Einzugsgebiet von rd. 1,4 Mio. Menschen und einer klar positiven Einzelhandelszentralität (lt. GfK in 2020 112,7). Hier ist die Innenstadt rund um die Fußgängerzonen Kettwiger Straße und Limbecker Straße sowie dem Kennedyplatz als Haupt-Gastro-Destination klar der wichtigste Shopping-Standort: selbst im Corona-Jahr 2020 wurde hier noch ein Einzelhandelsumsatz von rd. 560 Mio. getätigt und das auf einer Verkaufsfläche von rd. 170.000 m². Nicht zuletzt durch die Aufgabe des Galeria Kaufhof-Standort am Hauptbahnhof fiel diese dabei aber um rd. 20.000 m² geringer als vor der Corona-Krise aus.

Der Markt für Einzelhandelsimmobilien

Auch in 2021 erreichte das gewerbliche Transaktionsvolumen trotz Corona mit rd. 60 Mrd. EUR (ohne Wohnen) wieder ein sehr ordentliches Niveau. Dabei hat allerdings das Transaktionsvolumen für Handelsimmobilien erstmals seit 2014 die 10 Mrd. EUR-Grenze unterschritten. So sind 2021 Retail Assets in einer Größenordnung von rd. 9 Mrd. EUR transferiert worden. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr (knapp 11 Mrd. EUR) lag nicht zuletzt an weniger Portfolio-Transaktionen, welche in den Vorjahren durch Unternehmens- und Anteilsverkäufe geprägt waren.

Der 2021er Markt stellte sich ausgesprochen zweigeteilt dar. Auf der „Gewinnerseite“ standen die Anbieter im periodischen Bedarf (LM-Supermärkte und -Discounter, Fachmarktzentren mit FMCG-Kompetenz). In der Folge hat sich das Investoreninteresse stark in Richtung Lebensmittel / lebensmittelbeankerte Assets verschoben. Insbesondere der sehr lange 2021er Lockdown, wachsende Online-Käufe sowie die zeitweise eingeführten 2G-Regelungen haben die Konsumentennachfrage im Nonfood-Bereich klar beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund ist 2021 die Investmentnachfrage nach klassischen Shoppingcentern sowie Geschäftshäusern tendenziell gesunken.

So hielten sich Core-Investoren in der zurückliegenden Pandemie-Situation eher zurück. Demgegenüber versuchen Core+- und opportunistische Investoren sowie Eigennutzer verstärkt sich ergebende Investment-Chancen in Toplagen auszunutzen, um mit gezieltem ‚manage-to-core‘ bzw. Eigenbelegungen Geschäftschancen auszunutzen. Damit Core-Investoren aktiv werden, müssen die Retail-Mieten zu den aktuellen Mietermarkt-Gegebenheiten passen. Sofern dies der Fall ist, sind die Investoren auch bereit, für nachhaltige Retail-Standorte in Top-Städten hohe Kaufpreisfaktoren zu bezahlen. Für nicht mehr marktgerechte Mieten müssen auf der anderen Seite signifikante Preisabschläge hingenommen werden.

Diese generellen Rahmenbedingungen gelten auch für Essen als wichtiger deutscher Immobilien-Investment-Standort. Mit Blick auf das aktuelle Kaufpreisniveau für Geschäftshäuser bewegen sich die Faktoren auf einem weiter hohen Niveau – allerdings etwas unterhalb des 2018 erreichten Peaks. Für herausragende Objekte in 1A-Lagen mit einem nachhaltigen Mietniveau werden zzt. Kaufpreisfaktoren zwischen dem 18- und dem 20-fachen der Jahresmiete bezahlt.







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