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14.03.2022 EU-Taxonomie als kommunikative Chance begreifen

Die Kritik an der Einstufung der EU von Kernenergie und Erdgas als nachhaltige Übergangstechnologien ist berechtigt. Die Diskussion darüber lenkt jedoch ab davon, dass die EU mit der neuen Taxonomie beim Klimaschutz insgesamt zunehmend ernst macht: Das neue Regelwerk aus Brüssel soll ab diesem Jahr zeigen, welche Unternehmen wirklich nachhaltig sind. An die Stelle vieler unterschiedlicher, größtenteils freiwilliger Nachhaltigkeitskriterien tritt mit dem neuen Klassifizierungssystem schrittweise ein europaweit verbindlicher Standard für die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsaspekten. Die auf Transformation, Strategie und Kommunikation spezialisierte Managementberatung Globeone sieht durch die anspruchsvolleren Transparenzvorschriften für Unternehmen viele kommunikative Chancen, aber auch erhebliche Reputationsrisiken.

„Die EU-Taxonomie stellt die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine ganz neue Ebene. Sie verleiht ihr mehr Gewicht und schafft ein neues Level an Vergleichbarkeit“, so Dr. Niklas Schaffmeister, Managing Partner von Globeone. „Unternehmen, die nachweislich taxonomiekonform handeln, können ihre Nachhaltigkeitsleistungen reputationssteigernd gegenüber Investoren und anderen Stakeholdern kommunizieren.“ Wer noch Nachholbedarf bei der nachhaltigen Ausrichtung seiner Wirtschaftsaktivitäten habe, der sei künftig gezwungen, den Transformationsprozess proaktiver als bislang zu gestalten und kommunikativ zu begleiten, um nicht voreilig als unnachhaltig abgestempelt zu werden.

„Es gibt aber auch Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht per se nachhaltig, aber auch nicht unnachhaltig ist“, so Schaffmeister. „Diese nach den Taxonomie-Standards unauffälligen Unternehmen haben es künftig vermutlich deutlich schwerer, ihre Daseinsberechtigung zu erklären. Sie treten in einen erheblichen Wettbewerb um gesellschaftliche Anerkennung und Kapital, denn die überwiegende Aufmerksamkeit von Verbrauchern und Investoren dürfte sich auf die Klassenbesten in Nachhaltigkeitsfragen konzentrieren.“ Kritiker sähen bereits die Gefahr einer „grünen Blase“, aber dennoch gebe es insgesamt wenig Zweifel daran, dass die Taxonomie in den kommenden Jahren zu einem echter Gamechanger werde und die Transformation der Wirtschaft weiter antreibe.“

Unternehmen sollten drei große Fragen klären

Viele betroffene Unternehmen seien noch relativ unvorbereitet mit Blick auf die erstmals für die Berichterstattung zum Geschäftsjahr 2021 geltenden Transparenzvorschriften. Drei große Fragen seien in zahlreichen Konzernen zu klären: „Erstens, was bedeutet die EU-Taxonomie für die Glaubwürdigkeit? Ein Abgleich mit dem voraussichtlichen Ergebnis des Reportings und dem bisherigen Storytelling des Unternehmens ist unabdingbar, um Reputationsrisiken zu antizipieren“, so Schaffmeister. Schon kleine Diskrepanzen zwischen der Positionierung und tatsächlichen Übereinstimmung mit der EU-Taxonomie könnten unbequeme Fragen der kritischen Öffentlichkeit sowie von an nachhaltigen Geschäftsmodellen orientierten Investoren aufwerfen und Zweifel an der eigenen Aufrichtigkeit aufkommen lassen.

„Die zweite Frage lautet: Verfügt das Unternehmen über geeignete Prozesse, um taxonomiekonform berichten zu können?“, ergänzt Simon Aschermann, Manager bei Globeone. Die EU-Taxonomie hebe die weit verbreitete Arbeitsteilung zwischen finanziellem und nichtfinanziellem Reporting auf. „Vor allem in Unternehmen, wo das Nachhaltigkeitsreporting Teil der Kommunikation ist, kann dies schnell zur Überforderung führen. Die Reporting-Prozesse sind deshalb zunächst so aufzubauen, dass sich Informationen aus dem Unternehmen verlässlich zusammentragen lassen.“

Die dritte Fragestellung betreffe die Verantwortung für die Kommunikation des jeweiligen Abschneidens nach dem Klassifizierungssystem der EU-Taxonomie. „Mit der Umsetzung des Reportings gemäß EU-Taxonomie entwickelt sich Nachhaltigkeit zu einem Thema, das für alle Stakeholder von Bedeutung ist: Mitarbeiter, Öffentlichkeit, Medien – und jetzt auch Investoren“, so Aschermann. Die Herausforderungen der neuen Berichtspflicht seien in Unternehmen deshalb nur in enger, funktionsübergreifender Kooperation zu bewältigen. „Als Haupttreiber der Reputation ist es idealerweise die Kommunikation, die mit ihrem ganzheitlichen Blick auf die Stakeholder alle relevanten Abteilungen an einen Tisch bringt.“

EU-Taxonomie als Chance begreifen

Je schlechter das Reporting ausfalle, um so dringender stelle sich die Frage, wie es weitergeht. „Wichtiger denn je wird es, die eigenen Nachhaltigkeitsanstrengungen sichtbar zu machen und einen klaren Fahrplan für die Transformation aufzuzeigen“, so Aschermann. „Leere Worthülsen haben im Zuge der neuen Taxonomie-Standards nur eine kurze Halbwertszeit.“ Qualitatives Messaging allein sei nicht mehr ausreichend, um die Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsbemühungen sicherzustellen. „Unternehmen tun gut daran, die EU-Taxonomie als Chance zu begreifen, ihre Transformationsgeschichte hin zu einer grüneren Zukunft über das reine Reporting hinaus anhand konkreter Belege greifbar zu machen.“






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