News RSS-Feed

15.03.2022 Gestiegene Unsicherheit dominiert globalen Immobilienausblick

Vor dem Hintergrund eines zweiten großen wirtschaftlichen Schocks durch den Krieg in der Ukraine und anhaltende Inflationssorgen konzentriert sich Emerging Trends in Real Estate® Global Outlook 2022 auf die globalen Aussichten für die Immobilienbranche und den zunehmenden Druck auf die Finanzwirtschaft, die Emissionsreduzierung von Immobilien zu unterstützen. Die Branche fordert die Kreditgeber und ihre Aufsichtsbehörden auf, Kredite für die Nachrüstung bestehender Gebäude und den Ausbau der erforderlichen klimafreundlichen Technik bereitzustellen.

Der Emerging Trends in Real Estate® Global Outlook 2022 basiert auf den drei regionalen Emerging Trends in Real Estate-Berichten, die Ende 2021 veröffentlicht wurden, sowie auf einer Reihe von Befragungen zu den Erwartungen für das kommende Jahr, die das Urban Land Institute (ULI) und PwC mit führenden Vertretern der globalen Immobilienbranche durchgeführt haben. Der Bericht ist ein wichtiger Indikator für die Stimmung in der globalen Immobilienbranche und für Investitions- und Entwicklungstrends in der ganzen Welt.

Dazu Lisette van Doorn, CEO von ULI Europe: „Die Immobilienbranche hat bereits zwei schwierige Jahre hinter sich und muss sich auf weitere Unsicherheiten gefasst machen, und das nicht nur auf kurze Sicht. Die Branche sieht sich erneut mit einer Konjunkturabschwächung konfrontiert und hat gleichzeitig mit langfristigen strukturellen Trends zu kämpfen, die durch die Pandemie und nun auch noch durch die russische Invasion in die Ukraine verstärkt oder beschleunigt wurden. Eine der wichtigsten Fragen ist, wie die aktuelle Krise die Umwelt-, Sozial- und Governance-Agenda (ESG) beeinflussen wird. Die Pandemie hat bereits die Bedeutung von ESG für alle im Immobilienbereich Tätigen verstärkt. Wenn überhaupt, dann deuten die Befragungen für Global Emerging Trends darauf hin, dass in diesem Jahr die Besorgnis über Kapital- und Betriebsausgaben sowie über die Risiken, die mit der bedarfsgerechten Anpassung von Immobilien verbunden sind, noch größer ist.“

Gareth Lewis, Director bei PwC Real Estate, kommentiert wie folgt:

„Unsere Untersuchungen für den diesjährigen Global Emerging Trends in Real Estate Report haben einige altbekannte Themen der letzten Jahre aufgezeigt. Nach der Pandemie war die Zuversicht der Immobilieninvestoren im Allgemeinen groß, was vor allem auf die Verfügbarkeit von renditehungrigem Kapital zurückzuführen war. Doch ähnlich wie in den Vorjahren sind im Hintergrund immer wieder Bedenken hinsichtlich der anhaltenden Auswirkungen der Pandemie, der Dauer des verlängerten Immobilienzyklus und der Auswirkungen der strukturellen Veränderungen in der Branche zu hören. Die Ukraine-Krise hat jedoch einen neuen, stärker gebündelten Grund zur unmittelbaren Besorgnis geschaffen, insbesondere im Hinblick auf die steigende Inflation und die Zinssätze. Dies führt zu Belastungen, mit denen sich die Immobilienwelt seit Jahrzehnten nicht mehr ernsthaft auseinandersetzen musste.“

Marktausblick

Die russische Invasion in die Ukraine erhöht die wirtschaftliche Unsicherheit noch weiter und lässt ein langsameres globales Wachstum und eine höhere, länger anhaltende Inflation erwarten.

Der Optimismus, den das ULI und PwC Ende 2021 feststellen konnten, ist nun in verhaltenere Worte gekleidet. In der Branche herrscht die Ansicht vor, dass sich das Wirtschaftswachstum abschwächt, die Inflation ihren Höhepunkt erreicht und länger anhält und dauerhaftere Probleme in der Lieferkette zu erwarten sind.

Schon vor den Nachrichten über die Invasion in die Ukraine begannen nach den Rekordinvestitionen des letzten Jahres viele Branchenteilnehmer, ‚die Erwartungen für 2022 zurückzuschrauben“. Es wird erwartet, dass eine neue Besorgniswelle das Vertrauen von Verbrauchern, Nutzern und Investoren erschüttern wird, was dann – insbesondere in Europa – eine Verlangsamung der Geschäftsabschlüsse nach sich ziehen wird.

Die Branche befürchtet, dass sie mit sehr schnellen Umwidmungen von Regierungsausgaben zugunsten der Verteidigungs- und Energiepolitik und weg von den Bereichen, die Immobilien direkt zugutekommen, wie Infrastruktur und Wohnungsbau, konfrontiert werden könnte.

Bewältigung der Inflation

Die Inflation, die im vergangenen Jahr eine der größten Sorgen war, ist heute ein noch größeres Problem, da sie sich mit dem Krieg in der Ukraine zumindest in Europa und den USA verschärft und die Unsicherheit in diesem Jahr noch größer ist als im vergangenen.

Ein hohes Inflationsniveau ist nach wie vor problematisch, wenn es um die Entwicklung geht, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Branche die pandemiebedingt verzögerten Projekte wieder aufnehmen oder Umnutzungsinitiativen vorantreiben möchte. Die Kosten für Baustoffe und Arbeitskräfte gehören zu den am stärksten spürbaren Risiken für die Branche im Jahr 2022. Selbst im asiatisch-pazifischen Raum stellt die Inflation eine zusätzliche Herausforderung für die Entwicklung dar, insbesondere in Bezug auf die Logistik.

Aussichten für den Sektor

Die meisten Befragten halten immer noch an der traditionellen Sichtweise fest, dass Immobilien eine gute Absicherung gegen die Inflation darstellen, sind aber wesentlich vorsichtiger, was das Risiko angeht. Dies könnte der Nachfrage nach Betriebsimmobilien zugute kommen, da viele von diesen kontrazyklisch sind und dank der Möglichkeit, Dienstleistungen hinzuzufügen und deren Preise anzupassen, eher einen Inflationsschutz bieten als herkömmliche Sektoren.

Einige Investoren denken mehr über Diversifizierung nach – d. h. über die Streuung des Risikos auf verschiedene Sektoren und Regionen. Dies könnte dazu führen, dass die ohnehin bereits starken Kapitalströme aus dem Westen in den asiatisch-pazifischen Raum noch weiter an Fahrt gewinnen.

Die Logistik ist nach wie vor der Hauptanziehungspunkt für Investoren, auch wenn die Investitionsvolumina in der Logistik wahrscheinlich ebenso wie im übrigen Immobiliensektor zurückgehen werden. Die Herausforderung für die Investoren besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen der spätzyklischen Preisgestaltung und der gesellschaftlichen bzw. außerzyklischen Verlagerung zum elektronischen Handel zu finden.

Der Bürosektor in Asien ist nicht mit der gleichen existenziellen Krise durch die Telearbeit konfrontiert wie in den westlichen Märkten. Im Gegensatz dazu entfielen im vergangenen Jahr zum ersten Mal weniger als 20 Prozent der gesamten Investitionen in US-Immobilien auf Büroimmobilien – ein erschreckender Rückgang. Zwei Jahre nach dem Ausbruch von COVID-19 gibt es in Europa und Amerika noch immer keine klare Richtung. Aber in jedem denkbaren Fall werden die Unternehmen in Zukunft weniger Flächen anmieten. Es ist unwahrscheinlich, dass die daraus resultierenden Leerstände durch Neueinstellungen und zusätzlichen Raumbedarf für die soziale Distanzierung aufgefangen werden können.

Im Jahr 2021 wurde weltweit zum ersten Mal mehr Kapital in Wohnungen als in Büros investiert. Diese wachsende Attraktivität von Wohnimmobilien spiegelt sich seit mehreren Jahren in den nordamerikanischen und europäischen Ausgaben von Emerging Trends wider. Das Interesse der Investoren am Wohnungssektor ist auch 2022 ungebrochen, ebenso jedoch auch die Sorge um die Erschwinglichkeit. Die Befragten weisen darauf hin, dass dieselbe Dynamik von Angebot und Nachfrage, die zu dem Problem der Erschwinglichkeit von Wohnraum geführt hat, aus Sicht der Kapitalmärkte eine überzeugende Widerstandsfähigkeit schafft. Seniorenwohnungen, Studentenwohnungen und Wohngemeinschaften profitieren beispielsweise von geringeren Leerständen und attraktiven risikobereinigten Renditen im Vergleich zu gewerblichen Anlagen.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt bei der Verlagerung von Kapital in den Wohnungsbau, der am sozialen/erschwinglichen Ende des Spektrums liegt, und auch hier ist dieser Trend in Nordamerika und Europa stärker ausgeprägt als im asiatisch-pazifischen Raum. Investitionen in den sozialen Wohnungsbau werden von den Anlegern zunehmend als eine Möglichkeit gesehen, ein stabiles Einkommen mit dem „S“ in ESG zu kombinieren. Mit anderen Worten: Dies ist sowohl kurz- als auch langfristig eine intelligente Strategie.

Initiativen zur Umwidmung haben im vergangenen Jahr an Fahrt gewonnen; diese Dynamik wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach im Rahmen der größeren Marktunsicherheit nachlassen.

Finanzierung der CO2-Reduzierung

Die jüngsten Befragungen zeigen, dass das Thema ESG und das daraus resultierende Risiko durch veraltete oder verlorene Vermögenswerte noch dringlicher ist als vor einem Jahr. Der zunehmende Fokus der Mieter auf gesunde Gebäude, ihre Marken und ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele beschleunigt die Veralterung älterer Gebäude.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Organisationen, die Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung stellen, die Möglichkeit haben, die Herangehensweise der Immobilienbranche im Hinblick auf die CO2-Reduzierung und die Sozialverträglichkeit zu beeinflussen. Eine umfangreiche Umschichtung von Kapital in Richtung umweltfreundlicherer Immobilien ist bereits im Gange, aber es muss noch viel mehr getan werden, insbesondere auf Seiten der Kreditgeber und Regulierungsbehörden, wenn die Branche ihre Ziele erreichen will.

Die Frage, ob ökologische Nachhaltigkeit wirtschaftlich sinnvoll ist, ist weitgehend beantwortet. Im Gegensatz dazu steckt das „S“ in ESG – die Sozialverträglichkeit – derzeit noch in den Kinderschuhen. Aber die Finanzierung von Immobilien, die die Gesellschaft verbessern sollen, nimmt zu. Auf den Finanzmärkten, in der Welt des Fremd- und Eigenkapitals, sind jedoch noch grundlegende Fragen zu klären, bevor diese Umverteilung dazu führen kann, dass Immobilien zur Lösung der Probleme der Klimakrise beitragen.

Eigenkapitalinvestoren haben die Initiative ergriffen, um der bevorstehenden Regulierung zuvorzukommen. Im Gegensatz dazu scheinen Fremdkapitalgeber – mit bemerkenswerten Ausnahmen – auf die Regulierung zu warten und eher reaktiv als proaktiv ihren Einfluss zu nutzen, um die Dekarbonisierung von Immobilien zu unterstützen. Dies ist eine Branche, in der Schulden eine große Rolle im finanziellen Ökosystem spielen. Wenn Kreditgeber ihren Einfluss in diesem entscheidenden Moment der Geschichte nicht nutzen, ist das eine verpasste Chance.

Manchmal bauen die Finanzmärkte Barrieren auf, anstatt sie abzubauen. Die reichlich vorhandene Liquidität in der Weltwirtschaft bietet eine historische Chance, Kapital für grüne Gebäude und Projekte bereitzustellen. Aber genau diese Liquidität kann die Dringlichkeit zum Handeln bei Kreditgebern und Investoren auch verringern. Die Art und Weise, wie Immobilien ein „grünes“ Gebäude definieren, kann Investoren und Kreditgeber in die Irre führen, die zwar in gutem Glauben handeln wollen, aber letztendlich auf eine Art und Weise handeln, die eine umfassende Dekarbonisierung eher behindert als fördert.

Die Befragten sind geteilter Meinung darüber, ob „grüne“ Darlehen für bestehende Immobilien typischerweise geringere Marge bieten; einige gehen davon aus, andere nicht. In jedem Fall sind die reduzierten Darlehensmargen, die den Kreditnehmern manchmal zur Verfügung stehen, nicht der Hauptvorteil. Gleichzeitig wird der „braune Abschlag“, d. h. Gebäude, die keine Chance haben, die von Mietern, Investoren, Aufsichtsbehörden oder einer Kombination aus all diesen Faktoren festgelegten Nachhaltigkeitsstandards zu erfüllen, als sehr real angesehen.

Die Fülle von Normen und Vorschriften wird von den Befragten als großes Hindernis angesehen. Mangelnde Einigkeit über das Benchmark-Niveau der Kohlenstoffemissionen eines Gebäudes oder die Messung der betrieblichen und grauen Emissionen behindern die Fähigkeit von Finanziers, Verbesserungen zu fordern oder Ziele festzulegen.

Ein weiteres Problem, das die zunehmende Vergabe „grüner“ Kredite behindert, ist die fehlende Nachfrage oder zumindest der Mangel an Produkten, gegen die Kredite vergeben werden können. Wenn die Kreditgeber ihre grünen Kreditprogramme auf bestehende energieeffiziente Immobilien beschränken, werden ihnen schnell die Gebäude ausgehen, die sie finanzieren können; sie bewirken also keinen Wandel.

Die Immobilienbranche muss sich zusammenschließen und mit den Regulierungsbehörden auf städtischer, nationaler und internationaler Ebene zusammenarbeiten, um die Definition des Begriffs „Nullemmission“, die Art und Weise, wie Kohlenstoffemissionen gemessen werden, die Klassifizierung „grüner“ Gebäude, die Art der Ziele, die Regulierungsbehörden und Behörden durchsetzen werden, und die Definition „grüner“ Kredite zu harmonisieren.

Die meisten Befragten kommen zu dem Schluss, dass der Begriff „grüner Kredit“ idealerweise überflüssig sein sollte – denn jeder Kredit wäre ein „grüner“ Kredit. Aber von diesem Punkt sind wir derzeit noch weit entfernt.

Die Zukunft ist die Nachrüstung

Für Investoren stellen bestehende Gebäude, in die investiert werden muss, um sie energieeffizienter zu machen, die größte Herausforderung und zugleich die größte Chance dar. Einige Befragte argumentieren, dass es nie einen besseren Zeitpunkt gab, um das Geld für die Dekarbonisierung bestehender Gebäude auszugeben, solange die Zinsen niedrig sind.

In der Immobilienbranche wächst das Verständnis für die Rolle, die freigesetztes Kohlendioxid im Hinblick auf die gesamten Kohlenstoffemissionen eines Gebäudes spielt – also der Kohlenstoff, der bei der Herstellung und dem Transport der für den Bau des Gebäudes benötigten Materialien sowie beim Abriss entsteht. Der Bau eines neuen, „supergrünen“ Gebäudes ist fast nie die umweltfreundlichste Option, da auch beim Abriss des Vorgängergebäudes und beim Bau des neuen Gebäudes CO2 ausgestoßen wird.

Die meisten Befragten sind der Meinung, dass die Kreditgeber – insbesondere die Banken – bei der Finanzierung der Renovierung und Optimierung von Bestandsgebäuden einen Schritt zurückliegen. Oft sind es Kreditfonds, die Finanzmittel für wertsteigernde Sanierungsvorhaben bereitstellen. Im Gegensatz zu vielen Banken ist es bei diesen nicht regulierten Fonds weniger wahrscheinlich, dass sie eine definierte Nachhaltigkeitsstrategie oder einen Rahmen haben. Durch die Finanzierung solcher Sanierungen leisten sie jedoch einen Beitrag zum ökologischen Wandel, auch wenn die bereitgestellten Mittel nicht als „grüner Kredit“ bezeichnet werden. Außerdem stellen viele Kreditgeber „grüne Entwicklungsfinanzierungen“ für Projekte bereit, die nach ihrer Fertigstellung eine hohe Energieeffizienzeinstufung haben werden, berücksichtigen dabei jedoch nicht das durch das Projekt verursachte freigesetzte Kohlendioxid. In diesem Sinne stellen sie Finanzmittel für ein Projekt bereit, das eine erhebliche Menge an CO2 erzeugt, aber dennoch als „grün“ gilt.

Investoren, die Wertsteigerungsstrategien (Value-Add/Opportunistic) mit kurzfristigen Horizonten verfolgen, könnten sich als potenzielle Befürworter von Nachrüstungen erweisen, auch wenn sie nicht reguliert sind und weniger wahrscheinlich eine definierte Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen. Ihr Ansatz des „Kaufens, Reparierens und Verkaufens“ beinhaltet nun wahrscheinlich auch, das Gebäude so nachhaltig wie möglich zu gestalten.




Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!