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18.03.2022 Köln: Rat der Stadt treibt junge Familien aus den Stadtmauern

Gestern hat der Rat der Stadt Köln die vorrangige Nutzung des Erbbaurechtes bei der Vergabe städtischer Grundstücke beschlossen. Pünktlich zu diesem Termin hat die Bonner Quaestio Forschung & Beratung GmbH im Auftrag des BFW Landesverbandes NRW und der WIK (Wohnungsbauinitiative Köln) eine 48seitige Kurzstudie zum Kölner Wohnungsmarkt vorgelegt. Im Fokus: Erbbaurecht und Wohneigentumsbildung.

„Die Entscheidung der Stadt Köln, ihre Baugrundstücke zukünftig vorrangig im Erbbaurecht zu vergeben bedeutet, dass künftig auf Grundstücken der Stadt Köln keine Eigentumsbildung mehr möglich ist. Im ersten Schritt ist der Geschosswohnungsbau betroffen, das Modell soll aber auf andere Wohnformen und auch Gewerbe ausgedehnt werden“, verdeutlicht die BFW-Landesgeschäftsführerin Elisabeth Gendziorra. „Damit wird eine wichtige Wohnform - das Eigenheim, das vor allem von jungen Familien immer noch bevorzugt ist – aus der Neubauagenda für kommunale Grundstücke gestrichen.“

„Es ist nachvollziehbar, dass die Stadt ihre Grundstücke nicht aus der Hand geben und diese für spätere Stadtentwicklung sichern will. Die Konditionen des Kölner Erbbau-rechtsmodells sind aber zum einen unter den aktuellen Marktbedingungen nicht realisierbar und verschärfen zum anderen den ohnehin bestehenden Engpass auf dem Kölner Wohnungsmarkt“, sagen Jens Bruckner, Vorsitzender der WIK, und Martin Dornieden, Vorsitzender des BFW NRW.

Hier hat Quaestio genau hingeschaut: Köln ist unter den sieben größten Städten Deutschlands Schlusslicht beim Wohnungsneubau. Das gesetzte Ziel von 6.000 Wohneinheiten pro Jahr wird seit Jahren gerade mal zur Hälfte erreicht. „Vor allem Familien wird kaum noch die Möglichkeit geboten, Wohneigentum zu bilden. Andere Studien haben bereits erfasst, dass es hier eine Wanderungsbewegung aus der Stadt ins Umland gibt. Die negativen Folgen für die Stadtgesellschaft in allen Lebensbereichen sind absehbar, wenn im Gros besonders Vermögende und niedrigere Einkommensgruppen bleiben“, folgert Bruckner.

Martin Dornieden, Vorsitzender des BFW NRW, sieht noch ein weiteres Problem: „Ein wirtschaftlich nicht tragfähiges Erbbaurechtsmodell ignoriert die Erfahrungen mit vernachlässigten Immobilien, die noch heute die Lebensqualität ganzer Stadtteile in Köln beeinträchtigen. Wer mit dem jetzt beschlossenen Modell Geschosswohnungsbau errichtet, hat in 30 Jahren kein Geld um die Immobilie zeitgemäß instand zu halten.“

Köln Schlusslicht beim Wohnungsneubau

Die Erhebungen der Quaestio-Forscher lieferten interessante Zahlen: Die Bautätigkeit in Köln war trotz erhöhter Investitionsbereitschaft zwischen 2011 und 2020 mit gut 2.900 Wohnungen pro Jahr kaum höher als im wachstumsschwachen Krisenjahrzehnt davor, als 2.700 Wohnungen gebaut wurden.

Einhellig berichten die in Köln tätigen Bauträger und Projektentwickler, dass sich der Wettbewerb um die immer knapper werdenden Grundstücke deutlich verschärft hat und in rasant steigenden Grundstückspreisen mündet. „Dazu kommen schwer nachvollziehbare Entscheidungen von Rat und/oder Verwaltung, die durch unterschiedliche Maßnahmen ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich die Situation nicht zum Positiven gewendet hat“, kritisiert Gendziorra. Als Beispiel führt sie die Nicht-Ausweitung der Planungsaktivitäten und diverse politische Weichen-stellungen an, die immer höhere Lasten auf die Projektentwickler und damit am Ende auf die Erwerber (oder Mieter) der Wohnungen übertragen haben.

Dies wird nach Ansicht von BFW NRW und WIK auch das Interesse an Investitionen in den geförderten Wohnungsbau untergraben bzw. erfordere ein hohes Maß an Querfinanzierung mit dem freifinanzierten Projektanteil.

Beide Verbände betonen, dass es nicht darum geht, Eigentumswohnungsbau gegen den Mietwohnungsbau in Stellung zu bringen. „Köln braucht mehr Eigentumswohnungen und mehr Mietwohnungen. Beides wäre leicht möglich, wenn die Bautätigkeit insgesamt erhöht werden könnte“, so die Landesgeschäftsführerin. Es müsse zentrale Aufgabe sein, den Wohnungsneubau und den damit verbundenen Städtebau qualitativ so zu gestalten, dass eine ausreichende Wohnungsversorgung für alle Zielgruppen gewährleistet sei.

Überhitzte Märkte mit steigenden Bodenpreisen, steigenden Baukosten und einer Verschiebung von wirtschaftlichen Lasten zu den Investoren und Nutzern sind nach Ansicht des BFW dabei kein guter Ausgangspunkt. Die Stadt benötige umso mehr eine proaktive kommunale Planungs-, Boden- und Liegenschaftspolitik.






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