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02.04.2022 PMRE Monitor: Sustainable Leadership – Führung im digitalen Zeitalter

Prof. Dr. Marion Peyinghaus (links) und Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner
ESG, New Work, digitale Transformation – dies sind nur einige der Anforderungen an Führungskräfte unserer heutigen Zeit. Sie sollen den Wandel meistern und die Chancen ihrer Position nutzen. Doch was heißt eigentlich gute und vor allem nachhaltig erfolgreiche Führung im digitalen Zeitalter? Welchen Einfluss haben Prozesse und die Unternehmenskultur in der digitalen Zusammenarbeit, und können sie den Führungsaufwand maßgeblich reduzieren?

Zur Untersuchung zukunftsweisender Führungsmodelle in der Immobilienwirtschaft hat das Competence Center Process Management Real Estate (CC PMRE) zusammen mit der HTW Berlin und der cctm real estate & infrastructure AG aus Basel im Zeitraum September bis Oktober 2021 ihre 16. Marktanalyse durchgeführt. Für den PMRE Monitor 2022: Sustainable Leadership – Führung im digitalen Zeitalter wurden sowohl Experten1 der deutschsprachigen Immobilienwirtschaft als auch Studierende befragt. Insbesondere die Ergebnisse der Generation Z nehmen einen besonderen Stellenwert ein. Denn sie sind die Mitarbeiter von Morgen, ihre Bedürfnisse prägen die künftige Zusammenarbeit. Die Erwartungen der Studierenden sind daher essenziell, um die Führungsstrukturen der Unternehmen zukunftsfähig auszurichten.

An der Studie haben sich 248 Experten der Immobilienwirtschaft (154 Führungskräfte und 94 Mitarbeiter) und 265 Studierende immobilienwirtschaftlicher Studiengänge aus Deutschland beteiligt. Die Stichprobe ist mit insgesamt 513 Teilnehmern die größte seit Beginn der Marktanalysen des CC PMRE und demonstriert damit die hohe Relevanz des Forschungsthemas.

In seiner Forschung wird das CC PMRE von einem Steuerungsausschuss begleitet und unter stützt, der sich aus 25 renommierten Fach- und Führungskräften der Immobilienwirtschaft zusammensetzt. Die hohe Relevanz des Themas Personalführung bewegt die Führungsebenen in der Immobilienwirtschaft. Dirk Tönges, Geschäftsführer MVGM Deutschland und Mitglied des Ausschusses bestätigt: „In Zeiten, in denen jeder engagierte Mitarbeiter sucht und die Gehälter immer rasanter steigen, müssen Dienstleistungsunternehmen neue Motivations- und Bindungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter entwickeln und umsetzen.“

Diese Bindungsmaßnahmen sind umso wichtiger vor dem Hintergrund der digitalen Zusammenarbeit. Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner betont: „Die Identifikation mit dem Arbeitgeber sinkt im virtuellen Raum. Corona hat den Teamspirit aufgezehrt und der Zusammenhalt unter den Mitarbeitern hat gelitten. Aber auch die Nähe zur Führungskraft ist im Schnitt um 7% gesunken. Das sind Alarmsignale, die Führungskräfte realisieren müssen.“

Die Studie hat allerdings festgestellt, dass nicht das Verhalten der Führungskräfte allein für die Bindung der Mitarbeiter und den Erfolg des Unternehmens sorgt. Es sind vielmehr die Prozesse und die Kultur des Unternehmens, die zu Zufriedenheit und Spitzenleistungen der Mitarbeiter führen. Das gilt für den analogen und noch stärker für den virtuellen Raum. Denn auch in der digitalen Zusammenarbeit ist weder die Führungskraft noch der Digitalisierungsgrad des Unternehmens der entscheidende Erfolgsfaktor: Es sind die Prozesse und die Unternehmenskultur.

Die Prozesse sorgen für ein reibungsloses, dezentrales Zusammenwirken und die Kultur ist der Kitt, der die Mitarbeiter in der virtuellen Welt zusammenhält.

Die Ergebnisse der Markstudie lassen sich in 10 Punkten zusammenfassen:

1. Inspiration und Motivation führen zum Erfolg – nicht der Bonus

Transformational führen bedeutet Führung mit Inspiration und Motivation. Transaktionale Führung bezieht sich hingegen primär auf den Austausch von Leistungen: Gehalt gegen Arbeit. In der Wirksamkeit schlägt die transformationale Führung klar den transaktionalen An satz. Die Erfolgsbilanz liegt bei 19% versus 1%. Ein Zielbild der transformationale Führung zeichnet Dr. Andreas Muschter, Zech Group, und gibt zugleich eine Warnung mit auf den Weg: „Vertrauen, Wertschätzung und Spaß sind für eine langfristig gute Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*innen unerlässlich. Dazu gehört für mich vor allem eine offene und ehrliche Kommunikation mit regelmäßigen wechselseitigen Feedbacks. Nicht vergessen: Talents join a company but leave their boss!“

2. Prozesse, Kultur und IT überflügeln jede Führungskraft

Auch die beste Führung wird von der Erfolgsbilanz klarer Prozesse, leistungsfähiger IT-Systeme und einer guten Unternehmenskultur übertrumpft. Dies sind die wahren Beschleuniger des Unternehmenserfolgs. Die Erfolgsbilanz liegt bei über 90%. In diese Bilanz fallen weiche Unternehmensziele wie die Zufriedenheit der Kunden oder Mitarbeiter, aber auch konkrete Zielkriterien wie der finanzielle Erfolg, die digitale Transformation oder der Innovationsgrad. Zudem zeigt sich, dass gute Prozesse und eine positive Unternehmenskultur ein gutes Licht auf die Führungskraft werfen, sie können also Führungsdefizite ausgleichen. Diesen Ausgleich sollten Unternehmen nutzen, bspw. bei unerfahrenen Führungskräften oder Leitungspersonen mit anderem fachlichen Hintergrund.

3. Herber Potenzialverlust: Prozessqualität sinkt

Trotz der erwiesenermaßen hohen Wirksamkeit von Prozessen und Unternehmenskultur bleiben in diesem Bereich große Potenziale ungenutzt. Der Umsetzungsgrad, insbesondere im Prozessmanagement, wird von den Mitarbeitern als unterdurchschnittlich bewertet (-3%). Schlimmer noch: In den letzten zehn Jahren hat die Prozessqualität in der Branche sogar um 21% abgenommen. Während im Jahr 2010 die Prozesseffizienz noch mit einem Zielerreichungsgrad von 22% angegeben wurde, liegt sie in der aktuellen Marktumfrage bei lediglich 1%. Dieser durchschnittliche Zielerreichungsgrad zeigt, auf dem Feld der Prozesse wurde letztlich nichts erreicht.

4. Defensives Führungsverhalten ist gefährlich

Greifen Führungskräfte erst ein, wenn Probleme bereits schwerwiegend sind, schlägt sich das in einer negativen Erfolgsbilanz nieder (-21%). Unter einem Eingreifen nur im Bedarfsfall leiden insbesondere die Mitarbeiter, überdies sinken Produktivität, Prozesseffizienz und Innovationskraft. Axel Kunze, ehemaliges Vorstandsmitglied der BImA, betont daher: „Aktive Führung ist gefragt. Zaudern und eine defensive Haltung führen nur zu Verunsicherung unter den Mitarbeitern.“

5. Individualität zählt – das müssen Führungskräfte noch lernen

Die Individualisierung zählt zu den wirkungsvollsten Megatrends unserer Zeit. So liegt auch in der Immobilienwirtschaft der größte Gap (13%) zwischen tatsächlichem und erwünschtem Führungsverhalten in der individuellen Berücksichtigung jedes einzelnen Mitarbeiters. Stärken und persönliche Bedürfnisse sollen aus Sicht der Mitarbeiter eine größere Rolle bei der Führung spielen. Individualität steht insbesondere für die Generation Z im Vordergrund (Gap 14%). Doch diesen Trend muss die Führung erst noch verinnerlichen. Denn stimmen Ist- und Idealbild einer Führungskraft übereinander, sind die Mitarbeiter eher geneigt, ihrer Führungskraft zu folgen.

6. Gesundheit, Gesundheit, Gesundheit: Der Erfolgsfaktor im War for Talents

Aus Sicht der Mitarbeiter von morgen ergibt sich noch ein ganz anderes Delta: Gesundheit ist Trumpf! Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, Maßnahmen zum Stressabbau, vegane Ernährung sind primäre Wünsche der Generation Z. All das soll die Führungskraft unterstützen, für digitale Pausen sorgen und einer Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben durch digitale Medien entgegenwirken. Aktuell ist dem noch nicht so. Der Gap liegt bei 21%. Stellen sich Unternehmen und Führungskräfte auf diesen Trend ein, erlangen sie damit einen klaren Wettbewerbsvorteil im War for Talents. Aber auch Projektentwickler sollten dies bei der Planung von Bürogebäuden und deren Ausstattung entsprechend berücksichtigen.

7. Generation Z: Kleinteilige Arbeitsaufträge, aktive Kontrollen

Ein klarer Generationsbruch zeigt sich insbesondere in den Bereichen Aufgabenerteilung und Kontrolle: Die gegenwärtigen Mitarbeiter der Immobilienwirtschaft möchten keine minutiösen Arbeitsvorgaben und schätzen Ziele mit großem Handlungsspielraum. Zu detaillierte Kontrollen sind kontraproduktiv. Die Generation Z freut sich hingegen über kleinteilige Arbeitsaufträge und fordert Kontrollen aktiv ein. Führungskräfte müssen sich auf eine Aufgabenerteilung in „Twitter-Schritten“ einstellen.

8. Kontakt zu Kollegen sticht Kontakt zur Führungskraft – vor allem in der Generation Z

Der Kontakt zu Kollegen ist in der virtuellen Zusammenarbeit wichtiger als der Kontakt zur Führungskraft. Im Schnitt möchten Mitarbeiter ihre Führungskraft an 2,6 Tagen pro Woche sehen, ihre Kollegen hingegen an 2,8 Tagen. Für die Generation Z ist das zu wenig, sie möchte ihr Team mindestens an 3,4 Tagen pro Woche sehen. Dementsprechend ist auch die Homeoffice-Quote mit 2,0 Tagen pro Woche geringer als bei den Mitarbeitern der Immobilienwirtschaft (2,3 Tage). Wie wichtig die direkte Zusammenarbeit trotz Homeoffice ist, stellt Rodolfo Lindner, Geschäftsführer von cctm heraus: „Digitale Führung ist nicht mehr wegzudenken und muss ihren Stellenwert in jeder Unternehmenskultur haben. Digitale Führung ersetzt jedoch nicht den persönlichen Kontakt und die soziale Interaktion, denn diese sind es letztlich, die Vertrauen bilden und Mitarbeiter*innen anspornen und inspirieren.“

9. Ideale Führungsspanne liegt bei 11,6 Mitarbeitern

Idealerweise sollte ein Team durchschnittlich aus 11,6 Personen bestehen. Hier zeigt sich allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen den befragten Gruppen: Führungskräfte halten eine Anzahl von Ø 12,5 Mitarbeiter für sinnvoll, aus Sicht der Mitarbeiter sind Ø 10,3 Personen pro Führungskraft erstrebenswert. Die optimale Teamgröße unterscheidet sich zudem je nach Kernprozess. In der Bewertung liegt das Ideal bei Ø 8,9 Mitarbeiter, in der strategischen Objektsteuerung oder in der Vermietung wird die Zahl auf bis zu 14,5 Personen erhöht. Sind die Teams jedoch stark diversifiziert oder erfolgt die Arbeit primär dezentral, sollte die Führungsspanne um bis zu 6% reduziert werden. Daraus lässt sich ableiten: Es gibt keine Faustregel! Teamgrößen ergeben sich aus dem Geschäftsumfeld, der Teamstruktur und der Art der Zusammenarbeit.

10. Arbeitsaufwand im digitalen Zeitalter nimmt zu – jedoch auch die Zufriedenheit

Im Vergleich zur konventionellen Büroarbeit geben Führungskräfte für die digitale Zusammenarbeit einen Mehraufwand von 9% an, Mitarbeiter beziffern ihn mit 8%. Allerdings wächst auch die Zufriedenheit. Trotz einer erhöhten Belastung ist der Zufriedenheitsgrad bei Führungskräften um 14% höher, bei Mitarbeitern immerhin um 12%. Diese Zufriedenheit ist Garant dafür, dass Homeoffice auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeitswelt bleiben wird.

Obwohl die digitale Zusammenarbeit technisch basiert ist, liegt der wahre Erfolg im Sozialen. Die Unternehmenskultur entscheidet über Erfolg oder Misserfolg des mobilen Arbeitens. Ebenso erfolgskritisch sind strukturierte Prozesse. Beide Aspekte sind im virtuellen Raum essenziell und weitaus wichtiger als das Verhalten einer einzelnen Führungskraft. Managementkonzepte müssen dahingehend neu definiert werden. Der geringe Umsetzungsgrad in der Immobilienwirtschaft belegt jedoch, dass diese wichtigen Voraussetzungen für ein reibungsloses Zusammenwirken im digitalen Zeitalter noch nicht gegeben sind.

Die Ergebnisse der Marktanalyse werden am 12. Mai 2022 im Rahmen der Veranstaltung CC PMRE Backstage im Haus der Statistik in Berlin prästiert. Im Anschluss erfolgt die umfassende Publikation im PMRE Monitor 2022: Sustainable Leadership – Führung im digitalen Zeitalter. Der PMRE Monitor 2022 ist ein Gemeinschaftswerk des CC PMRE, der HTW Berlin und der cctm real estate & infrastructure AG. Der kostenfreie Bezug (Download) der Studie ist ab dem 15. Mai 2022 unter www.ccpmre.de möglich. Für weiterführende Informationen stehen die Herausgeberinnen der Studie Prof. Dr. Marion Peyinghaus und Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner zur Verfügung.






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