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31.05.2022 Stabile Büroflächennachfrage trotz Verbreitung hybrider Arbeitsmodelle

Als im April 2020 der erste Corona-Lockdown einen Teil der Arbeitnehmer in das Homeoffice zwang, waren erste Arbeitgeber schnell dabei, eine Reduzierung ihres Büroflächenbedarfs ins Visier zu nehmen. Im Juli 2020 sagten 69 % der Führungskräfte in einer KPMG-Studie, dass sie Bürofläche vermindern wollten. Nach zwei Jahren Praxis mit dem Homeoffice und dem wohl endgültigen Ende eines pandemiebedingten Zwangs hat sich eine differenziertere Beurteilung des Homeoffice herauskristallisiert. Und es scheint inzwischen klar zu sein, dass sich die Büroflächennachfrage nicht verringern wird, auch wenn hybride Arbeitsmodelle mit gewissen Homeoffice-Anteilen die Regel werden.

Die Homeoffice-Debatte ist alles andere als neu. Schon vor 30 Jahren, als sich das World Wide Web zu verbreiten begann, wurden Visionen einer „Telepolis“ entwickelt – einer Stadt, deren Bewohner nicht mehr in Büros fahren müssen, sondern mit Hilfe des Internets von häuslichen Terminals aus arbeiten. 2016, also lange vor Corona, veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie, die besagte, dass Deutschland bei der Nutzung des Homeoffice im internationalen Vergleich zurückhinkt – insbesondere weil Arbeitgeber skeptisch sind. Ab April 2020 wurden diese jedoch gezwungen zumindest für Teile der Belegschaft das Homeoffice anzubieten. Verschiedene Studien aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebersicht, die rasch durchgeführt wurden, wiesen unterschiedliche Effekte des Homeoffice auf; teilweise Produktivitätssteigerungen, teilweise aber auch Kommunikationsdefizite.

Allerdings verbreiteten sich auch sehr schnell Tools, welche das Arbeiten im Homeoffice erleichtern sollen: Videokonferenz-, Kollaborations- und Projektmanagement-Tools. Nach zwei Jahren Erfahrung mit dem Homeoffice hat sich gezeigt, dass hybride Arbeitsformen zum „neuen Normal“ werden, d.h. die Kombination von Arbeitstagen im Homeoffice mit Präsenztagen, die insbesondere genutzt werden, um Meetings durchzuführen und die informelle Kommunikation mit den Kollegen zu pflegen – die ungeplanten Gespräche im Kopierraum, vor dem Aufzug, in der Küche oder in der Kantine, die unentbehrlich sind, um den Kommunikationsfluss zu gewährleisten.

Eine repräsentative Arbeitgeberbefragung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Dezember 2021/Januar 2022 ergab, dass der Anteil der Unternehmen, die nach dem Ende der Pandemie hybride Arbeitsmodelle anbieten werden, gestiegen ist. Dabei gibt es Unterschiede nach Branchen, Unternehmensgröße und Zahl der Homeoffice-Tage pro Woche. In der Informationswirtschaft, wozu in der Studie die IKT-Branche, Mediendienstleister und wissensintensive Dienstleister zählen, ist die Bereitschaft groß, den Mitarbeitern hybride Arbeitsmodelle zu ermöglichen. Dahingegen planen bspw. im verarbeitenden Gewerbe – aufgrund des hohen Anteils an ortsgebundenen Tätigkeiten – weniger Unternehmen die Einführung von Homeoffice-Tagen. Jedoch verursachte die Corona-Pandemie auch hier – soweit möglich – einen Schub zum hybriden Arbeiten.

Zudem haben größere Unternehmen offensichtlich mehr Möglichkeiten, das Homeoffice anzubieten, als kleine Unternehmen. So erwarten Unternehmen der Informationswirtschaft mit mindestens 100 Mitarbeitern, dass rd. 70 % der Belegschaft nach dem Ende der Pandemie mindestens einen Wochentag im Homeoffice arbeiten wird, während der entsprechende Anteil vor der Corona-Pandemie bei lediglich 24 % lag. Kleinstbetriebe im verarbeitenden Gewerbe, gehen davon aus, dass nur 9 % der Mitarbeiter zukünftig im Homeoffice tätig sein werden. Bei den größeren Unternehmen sind es immerhin 32 %.

Auch sind hybride Modelle mit ein oder zwei Homeoffice-Tagen in der Woche verbreiteter als weitergehende Homeoffice-Modelle. Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Kantar für die Kollaborationsplattform Slack wollen 73 % der Arbeitnehmer zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten, im Durchschnitt an exakt 2,0 Tagen pro Woche. Die Führungskräfte verlangen im Schnitt 2,6 Präsenztage pro Woche im Büro, so dass sowohl aus Sicht der Arbeitnehmer als auch aus Sicht des Managements das Modell 2 Tage Homeoffice / 3 Tage Präsenz am populärsten ist.

Für die Nachfrage nach Büroflächen bedeuten diese Zahlen, dass durch hybride Arbeitsmodelle kaum ein Rückgang zu erwarten ist, denn eventuelle Reduzierungen von einzelnen stationären Arbeitsplätzen – bedingt durch hybrides Arbeiten und Modelle wie Desk Sharing – werden durch den Trend zu neuen Arbeitswelten mit zunehmenden Gemeinschafts- und Kooperationsräumen und mehr Fläche für den individuellen Arbeitsplatz ausgeglichen.

Dementsprechend gaben in einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft im vierten Quartal 2021 nur rd. 6 % der Unternehmen an, innerhalb der nächsten 12 Monate ihre Büroflächen vermindern zu wollen. Fast dreimal so viele (rd. 17 %) möchten hingegen ihre Büroflächen umgestalten und insbesondere größere Abstände zwischen Arbeitsplätzen einführen oder Gruppen- oder Großraumbüros in kleinere Büroeinheiten umwidmen. Das kann sogar zu erhöhter Büroflächennachfrage führen, insbesondere wenn zusätzliche Kommunikationsflächen geschaffen werden. Das gilt auch für Siemens, wo unter der Überschrift „MobileWorking im NewNormal“ eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, die hybride Arbeitsmodelle zum Standard macht, ohne dass diese darauf abzielt, Büroflächen einzusparen:

„Es geht nicht darum, Büroflächen zu reduzieren“, heißt es aus dem Hause Siemens dazu. Stattdessen baut die Real Estate-Tochter von Siemens ihr Angebot an Co-Working-Flächen für Mitarbeiter und Partner kontinuierlich aus. Robert Kollar, Berater für gewerbliche Vermietung bei Aengevelt Immobilien: „Auch wenn die Arbeit im Homeoffice zum Standard werden wird, bleibt das Büro ein Ort des Zusammentreffens. Das Büro wird zu einer Art, „modernes Lagerfeuer“, wo man sich versammelt, um neue Ideen zu entwickeln und zu diskutieren. Arbeitgeber werden mehr denn je dazu gezwungen, den Wünschen ihrer Mitarbeiter nach hybriden Arbeitsmodellen zu entsprechen. Und auch moderne, attraktive Büros sind ein wichtiges Argument im Wettbewerb um die besten Fachkräfte.“

Aengevelt Research erwartet keinen Homeoffice-bedingten Rückgang der Büroflächennachfrage. Allerdings werden Auswirkungen auf die Stadtentwicklung erwartet: Angesichts der angespannten Wohnungsmärkte in den Städten werden Wohnlagen an den Ballungsrändern wieder attraktiver, da sich die Präsenz- und somit Pendeltage mit hybriden Arbeitsmodellen reduzieren werden, so dass höhere Pendeldistanzen in Kauf genommen werden können. Ein oder zwei Homeoffice-Tage pro Woche – und somit mehr Zeit in den eigenen vier Wänden – bedeuten jedoch auch, dass sich die Ansprüche an die Wohnung weiter erhöhen: So zeigt das Wohnbarometer des Bauträgers Dornieden aus dem Jahr 2020, dass aufgrund der vergangenen Corona-Einschränkungen mittlerweile 65 % der Befragten zwischen 25 und 69 Jahren einem eigenen Garten oder einer Terrasse einen höheren Stellenwert beimessen als vor der Pandemie. Für 50 % ist ein Balkon wichtiger geworden und für 43 % hat sich der Stellenwert für ein extra Zimmer für das Homeoffice erhöht.

Somit zeigt sich: Die während der Corona-Pandemie verbreitete Befürchtung über einen starken Rückgang der Büroflächennachfrage – bedingt durch hybride Arbeitsmodelle – wird sich nicht bewahrheiten. Obwohl die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice in vielen Unternehmen wie beschrieben auch nach der Pandemie beibehalten bzw. eingeführt wird, werden mögliche Reduzierungen von stationären Arbeitsplätzen durch neue Büro-Konzepte aufgefangen. Es ergeben sich jedoch neue Fragen und Herausforderungen: Hat das vermehrte Arbeiten im Homeoffice Auswirkungen auf den Klimaschutz? Wie wirkt sich hybrides Arbeiten auf das soziale Miteinander in den Firmen aus? Welche Herausforderungen ergeben sich auf dem Wohnungsmarkt?







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