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15.06.2022 Pendlerverhalten: A-Städte-Umland wird als Arbeitsort immer wichtiger

Das Umland der deutschen A-Städte gewinnt als Arbeitsort immer mehr an Bedeutung. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wirtschafts- und Immobiliendatenanbieters empirica regio GmbH. Dafür wurden die Pendlersalden, Pendlerquoten und Pendlerverflechtungen der sieben deutschen Metropolen und ihres Umlands untersucht.

München und Berlin verzeichnen das höchste Einpendlerwachstum

München verzeichnete im Ergebnis mit einem Wachstum von 6,77 Prozent die größte Zunahme der Einpendlerzahl von 2019 bis 2021. Dahinter folgen Berlin mit 5,17 Prozent, Köln mit 2,13 Prozent, Düsseldorf und Stuttgart mit jeweils 1,53 beziehungsweise 1,14 Prozent sowie das Schlusslicht Frankfurt am Main mit einem überschaubaren Einpendlerwachstum von 0,36 Prozent.

„Die deutschen Metropolen ziehen weiterhin eine wachsende Anzahl an ortsfremden Arbeitskräften an. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern“, erklärt Jan Grade, Geschäftsführer von empirica regio. „Allerdings zeigt sich beim Blick auf die Arbeitsplatzzentralität, dass auch das Umland als Arbeitsort immer wichtiger wird.“

Arbeitsplatzzentralität stagniert

So stagniert die Arbeitsplatzzentralität in allen deutschen Metropolen weitgehend. Die Arbeitsplatzzentralität beschreibt dabei die Bedeutung eines Orts als Arbeitsort. Praktisch werden die dort lebenden Beschäftigten ins Verhältnis zu den dort arbeitenden Beschäftigten gesetzt. Steigt die Zahl der Beschäftigten, die in einer Stadt wohnen, schneller als die Zahl der Arbeitsplätze in einer Stadt, dann sinkt die Zentralität. Da die Zuwanderung in die Metropolen, insbesondere durch junge Erwachsene und Berufseinsteiger, lange Zeit deutlich höher war als die Abwanderung ins Umland, sorgte der Anstieg der Wohnbevölkerung für ein Sinken der Zentralität. Gleichzeitig steigt der Anteil der Auspendler aus den Metropolen stetig an: In Frankfurt am Main, Düsseldorf und Stuttgart arbeitet mittlerweile etwas mehr als ein Drittel der dort wohnenden Beschäftigten außerhalb der Stadtgrenze.

„In allen Top-7-Städten arbeiten mehr Menschen als dort wohnen. Allerdings sehen wir seit Jahren eine Stagnation und teilweise sogar leichte Rückgänge, trotz wachsender Einpendlerzahlen. Die Erklärung ist mehrschichtig: Auf der einen Seite konnten wir ein erhebliches Bevölkerungswachstum in den Kernstädten verzeichnen, und auf der anderen Seite arbeiten mehr Städter im Umland“, erklärt Grade. „Die Städte sind also weiterhin stark mit dem Umland verflochten, aber das Umland gewinnt an Bedeutung als Arbeits- und, bedingt durch knappen Wohnraum und hohe Preise, als Lebensraum.“

Frankfurt am Main: Deutschlands Pendlerhauptstadt

Die stärkste Kernstadtverflechtung zwischen Arbeits- und Wohnort ist in Frankfurt mit einem Wert von 53,8 zu beobachten. Düsseldorf hat die zweitgrößte Verflechtungsquote (52,9), dicht gefolgt von Stuttgart (52,1). Darauf folgen Köln (42) und München (39,7) sowie Hamburg (28,4). Die niedrigste Verflechtungsquote kann man in Berlin beobachten (18,7). Die Verflechtungsquote beschreibt das Verhältnis des Pendlervolumens (Ein- und Auspendler) zum Pendlerpotenzial (Beschäftigte am Wohnort und am Arbeitsort). Der Wert kann dabei zwischen 0 (keine Verflechtung) und 100 (vollständige Verflechtung) liegen. Als Grundsatz gilt für die gesamte Republik: je größer das Stadtgebiet, desto weniger Pendlerbewegungen in die Umgebung.

Positive Pendlersalden findet man dabei nicht nur in den Kernstädten selbst. Auch im direkten Umland von Frankfurt am Main, Stuttgart und München weisen die Städte und Gemeinden in Summe ein positives Pendlersaldo auf. Das direkte Umland bilden hierbei Gemeinden in einer Entfernung von bis zu zehn Kilometern, bei München sogar 20 Kilometer Luftlinie vom Zentrum. Mit Eschborn bei Frankfurt und Garching bei München haben sich vor den Toren der Metropolen sogar zwei Arbeitsmarktzentren gebildet, in die mehr Menschen einpendeln als dort eigentlich wohnen.

„Die steigende Bedeutung des Umlands schlägt sich im rapiden Anstieg des Mietniveaus nieder – die Mieten schließen zu den Kernstädten auf. Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschlägt es trotzdem in das immer noch günstigere Umland“, stellt Grade fest.

Um dem Bedeutungsverlust der Kernstädte als Wohnort entgegenzuwirken, müssten die Städte vor allem junge Familien in der Stadt halten. Damit ließe sich auch eine zunehmende Zersiedlung der Umgebung vermeiden und eine höhere Stabilität des Wohnungsmarkts erreichen. Notwendig seien dafür vor allem Wohnungsprogramme für junge Familien und eine Neubautätigkeit, die den Bedürfnissen dieser Zielgruppe Rechnung trägt. Die Frage, wo sich Unternehmen ansiedeln, hängt neben der Verfügbarkeit von Flächen auch davon ab, wie gut ein Standort an die regionalen und überregionalen Verkehrsverbindungen angeschlossen ist. Die Frage, ob die Beschäftigten bezahlbaren Wohnraum in der Region finden, spielt aber auch zunehmend eine Rolle, wie zum Beispiel das gestiegene Interesse am Thema Mitarbeiter- und Werkswohnungen zeigt.

„Unsere Neubaunachfrageprognose zeigt einen hohen Bedarf nach Ein- und Zweifamilienhäusern insbesondere im Umland der Metropolen, folgt damit aber auch nur den Trends der vergangenen Jahre. Diese Trends ergeben sich aber insbesondere aus der hohen Abwanderungsrate von Familien aus den Kernstädten und damit der Abwanderung einer kaufkräftigen und -willigen Bevölkerungsgruppe in das Umland. Diese Entwicklung droht die ohnehin oft überlastete Verkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen zu bringen. Viele Familien wären gerne auch in den Städten geblieben, wenn ein entsprechendes Wohnungsangebot vorhanden wäre“, sagt Grade.

Immobilieninvestoren und -entwickler sollten Pendlerstrukturen in ihre Investmententscheidungen einbeziehen, um die Arbeitsmarktzentren und Wohnstandorte einer Region sichtbar zu machen. Trends in den Beschäftigungszahlen zeigen, wo sich neue Arbeitsplatzschwerpunkte bilden, und eine gute ÖPNV-Anbindung zwischen diesen Zentren ist entscheidend, um in einer zunehmend verflochtenen Region als Wohn- und Arbeitsstandort bestehen zu können.






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