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04.07.2022 Geldpolitik der Fed: Eine Zäsur, aber kein Paradigmenwechsel

Dass die amerikanische Notenbank Fed der Bekämpfung der hohen Inflation absolute Priorität einräumt und zu weiteren drastischen Zinsanhebungen in den kommenden Monaten bereit ist, war überfällig und angesichts einer Inflationsrate von mehr als 8 Prozent in den USA nicht überraschend. Dennoch markieren die Beschlüsse und die verbalen Einlassungen verschiedener Mitglieder des Federal Open Market Committee (FOMC) eine Zäsur in der Geldpolitik: Erstmals seit mindestens zwanzig Jahren befindet sich die Fed wieder in einem Konflikt zwischen dem Ziel der Preisstabilität einerseits und dem Vollbeschäftigungsziel andererseits. Die für die Rückführung der hohen Inflationsraten notwendigen geldpolitischen Maßnahmen werden aller Voraussicht nach die gesamtwirtschaftliche Aktivität nicht nur dämpfen, sondern eine Rezession auslösen, deren Folge eben auch steigende Arbeitslosenquoten wären.

Inflation hat tiefergehende Ursachen

Die drei Vorgänger des amtierenden Fed-Chefs Powell – Alan Greenspan, Ben Benanke und zuletzt Janet Yellen – agierten dagegen in einem Umfeld, in dem es zumindest scheinbar keinen Zielkonflikt zwischen Inflationsbekämpfung und gesamtwirtschaftlich positiver Entwicklung gab: Was immer die Zentralbanken zur Stimulierung der Gesamtwirtschaft taten, und das war nicht wenig, wie allein eine Verzehnfachung der Notenbankbilanz der Fed seit 2008 beweist: Es schlug sich nicht unmittelbar in höheren Preisen auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten nieder. Dass dafür im Gegenzug die Asset-Preise - vor allem die Aktienkurse - stark stiegen, war den Akteuren an den Finanzmärkten, und nicht zuletzt den vielen privaten Anlegern, gerade recht. Die Tatsache, dass mit der jahrelangen Aufblähung der Geldmenge der Grundstein für die aktuellen Inflationsprobleme gelegt wurde, erregte deshalb höchstens in akademischen Kreisen ein gewisses Missfallen. Erst als im Zuge der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Lieferkettenstörungen echte Knappheiten an den Märkten auftraten, brach sich die hohe Liquidität auch an den Gütermärkten Bahn und führte zu steigenden Inflationsraten. Die seit Jahresbeginn infolge des Ukraine-Krieges drastisch gestiegenen Rohstoffpreise verstärkten diesen Effekt zusätzlich, sind aber für sich genommen keineswegs die Ursache der hohen Inflation.

Zielkonflikt bleibt bestehen

Nun also müssen die geldpolitisch Verantwortlichen wieder schwierige Entscheidungen treffen, weil steigende Zinsen zur Inflationsbekämpfung absehbar negative Folgen für die Gesamtwirtschaft haben. Im aktuellen Umfeld dürfte diese Entscheidung auch deshalb nicht allzu schwer fallen, weil anhaltend extrem hohe Inflationsraten langfristig auch der gesamtwirtschaftlichen Stabilität schaden. Der inhärente Zielkonflikt wird allerdings auf absehbare Zeit nicht verschwinden, wie jüngst sogar EZB-Chefin Lagarde einräumte. Dass die Notenbanken einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel vollziehen und künftig primär das Erreichen des Inflationsziels anstreben, ist allerdings nicht zu erwarten: Die Fed hatte erst vor knapp zwei Jahren angekündigt, höhere Inflationsraten zu tolerieren. Mit Blick auf die Finanzierung der hohen Staatsverschuldung erscheint es mindestens denkbar, dass die Notenbanken nicht an dauerhaft hohen Zinsen interessiert sind. Auch dies ist einer der Gründe, warum auch nach Beendigung der derzeitigen Ausnahmesituation mit dauerhaft höheren Inflationsraten gerechnet werden muss als in den zwanzig Jahren vor der Corona-Pandemie.

(Von: Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe)






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