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05.07.2022 Finanzmärkte haben Mini-Rezession eingepreist

Die erneut gestiegenen US-Inflationszahlen für Mai haben die Fed dazu veranlasst, ihre Zinserhöhung zu beschleunigen. Die Futures gehen nun von einem Fed-Funds-Ziel von 3,5 % bis zum Frühjahr 2023 aus. Auch die EZB hat eine entschiedene Haltung eingenommen und für Ende Juli den Beginn der Zinserhöhungen angekündigt. Die Futures lassen einen Anstieg der EONIA-Sätze auf fast 2 % Mitte nächsten Jahres erwarten.

Angesichts der raschen Straffung der Geldpolitik ist es möglich, dass sich die Aufmerksamkeit der Anleger von der Inflation auf die Konjunkturabschwächung verlagert. Dann dürften die mittel- und langfristigen Zinssätze nicht mehr steigen, während die Aktienmärkte weiterhin volatil bleiben, da sie die Auswirkungen der Konjunkturabschwächung auf die Unternehmensgewinne abwarten.
Der Krieg in der Ukraine bleibt neben anderen Themen ebenfalls auf dem Radar der Anleger, insbesondere wegen seiner Auswirkungen auf den Ölpreis. Die Fortdauer des Kriegs selbst scheint inzwischen Teil des Szenarios zu sein.

In China lockern die Währungsbehörden die Kreditbedingungen, und die zur Corona-Eindämmung geschlossenen Gebiete werden wieder geöffnet. Die chinesische Wirtschaft könnte sich daher nach der Verlangsamung im Jahr 2021 wieder beschleunigen.

Thema des Monats:
In welchen Umfang sind mögliche Zinssteigerungen eingepreist?

Seit Anfang des Jahres hat die Fed die Zinssätze dreimal angehoben und dabei das Tempo der Interventionen beschleunigt: 25, 50 und 75 BP. Den erklärten Absichten zufolge möchte die Zentralbank die Fed Funds, die heute bei 1,6 % liegen, Ende dieses Jahres auf 3,38 % und Ende 2023 auf 3,75 % anheben, um sie dann in der letzten Hälfte des Jahres 2024 wieder auf 3,38 % zu senken.

Nach der jüngsten Zinserhöhung um 75 BP hat der Markt hingegen seine Prognosen gesenkt. Dies deutet darauf hin, dass die Konjunkturabschwächung und der erhoffte Rückgang der Inflation bei diesem Straffungstempo früher als erwartet eintreten werden. Nach den Fed Funds Futures wird der Zinssatz in diesem Jahr das Ziel von 3,38 % erreichen, aber dann ist der Anstieg praktisch vorbei. Vielmehr wird die Fed die Zinsen bis Mitte 2024 um etwa 1 % senken, um den Konjunkturabschwung einzudämmen.
Verlängert man jedoch den Zeithorizont mit den 3-Monats-Zinsfutures, kann man erkennen, dass der Markt keine echte Rezession, sondern eher eine Mini-Rezession einpreist. Die Zinsen werden bis 2024 sinken und danach allmählich wieder ansteigen, und so zu einem ausgeglicheneren Zyklus führen.

Und die EZB? Die Termingeschäfte auf den EONIA und die Dreimonatseinlagen lassen für die zweite Jahreshälfte 2023 einen Höchststand von etwa 2 % erwarten, danach eine Stabilisierung und anschließend einen langsamen Wiederanstieg.

Wenn der Endpunkt der Fed Funds Anfang 2023 bei 3,5 % und der des EONIA im gleichen Zeitraum bei 2 % liegt, wie stark sind dann die nächsten Zinserhöhungen der Fed und der EZB in den Zinskurven der Staatsanleihen eingepreist?
In den USA hat sich die Kurve ab der 2-jährigen Laufzeit seit einigen Wochen zwischen 3 % und 3,5 % eingependelt. Diese Form spiegelt die Erwartung wider, dass die kurzfristigen Zinssätze in diesem Jahr steil ansteigen, dann aber 2023 wieder zurückgehen, um den Abschwung einzudämmen.

Wenn es der Fed gelingt, die weiche Landung der Wirtschaft zu steuern, könnten die mittel- und langfristigen Zinssätze in den kommenden Monaten allmählich sinken und dann wieder steigen, sobald das Szenario einer harten Landung (Mini-Rezession) vermieden wird. Im Falle einer harten Landung wäre der Rückgang der mittel- und langfristigen Zinssätze dagegen stärker ausgeprägt.

In der Eurozone erschweren die Spreads die Einschätzung dessen, was zu erwarten ist. Die 10-jährigen Zinssätze in Italien und Deutschland liegen bei 3,5 % bzw. 1,5 % und damit im Durchschnitt 2,5 % über dem erwarteten EZB-Zinsniveau. Auch hier kann man sagen, dass die Anhebungen der EZB im Durchschnitt eingepreist sind.
Beide Kurven sehen interessant aus, sowohl im Falle einer sanften Landung als auch, noch stärker, im Falle einer Mini-Rezession.

Was auf den Aktienmärkten eingepreist ist, scheint objektiv betrachtet schlechter messbar zu sein. Es ist jedoch zu beachten, dass die Multiplikatoren (Kurs-Gewinn-Verhältnisse) in diesem Jahr deutlich gesunken sind, da die Märkte angesichts der weiterhin steigenden Gewinne gefallen sind.

Die Multiplikatoren des EURO STOXX und der Schwellenländer-Indizes liegen im Bereich früherer Krisentiefs. Die Multiplikatoren des führenden Marktes, das heißt der USA, befinden sich noch nicht auf extremen Niveaus, sondern scheinen jetzt nahe an den langfristigen Durchschnittswerten zu liegen. Diese Beobachtungen reichen nicht aus, um zu sagen, dass die Aktienmärkte ihren Tiefpunkt erreicht haben. Aber typischerweise eignen sich die aktuellen Bewertungsniveaus bei einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont für einen schrittweisen Aufbau von Positionen.

Bei diesen Multiples ist das Szenario einer sanften Konjunkturabschwächung so gut wie sicher eingepreist, was, sollte es eintreten, die Aktienmärkte wieder nach oben treiben würde. Im Falle einer Mini-Rezession müsste jedoch eine Senkung der Gewinnschätzungen einkalkuliert werden. Je weniger stark die Rezession wahrgenommen wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Gewinnrückgang durch wieder steigende Multiples ausgeglichen wird.

Die Märkte rechnen nicht mit einer großen Rezession wie im Jahr 2008. Ein derartiges Ereignis erscheint ausgesprochen unwahrscheinlich. Unternehmen und Verbraucher gehen mit starken Bilanzen in diesen Abschwung. Die Weltwirtschaft muss sich verlangsamen, um einige Auswüchse zu beseitigen, aber sie bedarf keiner umfassenden Umstrukturierung.

(Quelle: Eurizon Investmentausblick Juli 2022)








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