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21.07.2022 Immobilienfinanzierungsindex Difi rauscht in den Keller

Die Folgen des starken Zinsanstiegs in Kombination mit den unsicheren Konjunkturaussichten sorgen für Krisenstimmung an den Finanzierungsmärkten. Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (Difi), ein von JLL und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) quartalsweise erhobener Stimmungsindikator für die gewerbliche Immobilienfinanzierung, ist im zweiten Quartal 2022 signifikant eingebrochen. Der Index verliert im Vergleich zum Vorquartal 51,7 Punkte und rutscht auf minus 44,5 Punkte. Bereits im ersten Quartal dieses Jahres war der Difi nach sechs Quartalen erstmals wieder gesunken.

Der Difi bildet die Einschätzungen von Finanzierungsexperten ab. Bewertet werden die Lage am Kreditmarkt in den vergangenen sechs Monaten und die erwartete Entwicklung in den kommenden sechs Monaten. Der Indexwert wird aus dem Saldo zwischen positiven und negativen Antworten gebildet.

Die aktuelle Lage wird dabei deutlich schwächer eingeschätzt als der Ausblick. Der Situationsindikator sinkt um 53,4 Punkte auf minus 55 Punkte, der Erwartungsindikator verschlechtert sich um 35,5 Punkte auf minus 48,3 Punkte. „Die gravierenden Veränderungen sind eine Reaktion auf ein Bündel von aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Risikofaktoren. Die aktuelle Befragung ist die erste seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar dieses Jahres und die negativen Einschätzungen zeigen die Sorge über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, die sich auch auf die Immobilienmärkte auswirken könnte“, kommentiert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

Das nach wie vor hohe Baukostenniveau und die gestiegenen Finanzierungszinsen belasten zudem die Kreditvergabe. „Dies gilt insbesondere für risikobehaftete Engagements wie zum Beispiel Projektentwicklungen“, ergänzt Timo Wagner, verantwortlich für Debt Advisory bei JLL in Deutschland.

Der Stimmungseinbruch im zweiten Quartal betraf alle Assetklassen gleichermaßen. Am härtesten traf es dabei den Wohnimmobiliensektor: Der Situationsindikator brach hier um 66,7 Punkte ein, die Erwartungshaltung ist mit einem Minus in Höhe von 54,2 Punkten betroffen.

Relativ moderat hat es dagegen den Hotelsektor erwischt, welcher aber aus einem bereits anspruchsvolleren Finanzierungsniveau kommt. Insbesondere bei der Beurteilung der kommenden sechs Monate kommen Hotels mit einem blauen Auge davon: Die Einschätzung verschlechterte sich lediglich um 13,7 Punkte. „Dennoch sind gerade Finanzierungen von Hotelimmobilien aktuell als sehr herausfordernd zu bezeichnen“, betont Wagner. Die abrupte Verschlechterung am Wohnfinanzierungsmarkt sollte seiner Ansicht nach wiederum nicht überbewertet werden: „In diesem Marktsegment finden nach wie vor Finanzierungsgeber und -nehmer zusammen, sodass dem Wohnsektor ein höheres Niveau beizumessen ist.“

Für Hotelfinanzierungen verlangen Banken die höchsten Risikoaufschläge

Das wird unter anderem durch die Preisgestaltung der Kreditgeber belegt. Von allen Assetklassen finden sich bei Wohnimmobilien nach wie vor die niedrigsten Margen – auch wenn sie im Vergleich zum vierten Quartal 2021 den höchsten Anstieg verzeichneten. Im Schnitt verlangen Banken für Core-Produkte eine Marge von 112 Basispunkten und für Value-add-Produkte 162 Basispunkte. Am meisten schlagen Banken bei Hotelfinanzierungen drauf: für Core-Objekte sind es 213 Basispunkte, im Value-add-Segment liegt die Kreditmarge bei 271 Basispunkten.

Ein konträres Bild ergibt sich bei den Kreditausläufen (Loan-to-Values, LTV). So sind die durchschnittlichen LTVs für Wohnimmobilien in den Segmenten Core und Value-add im Vergleich zum vierten Quartal 2021 leicht gefallen, bei allen anderen Immobilienarten dagegen gestiegen. Im Core-Segment liegen sie aktuell zwischen 60 Prozent (Wohnen) und 73 Prozent (Logistik), im Value-add-Segment zwischen 59 Prozent (Wohnen) und 69 Prozent (Logistik). „Während die durchschnittlichen LTVs für Logistikimmobilien seit Beginn der Datenerhebung im zweiten Quartal 2014 niemals höher waren als im zweiten Quartal 2022, erreichen diese für Wohnimmobilien aktuell einen neuen Tiefstand“, sagt Frank Brückbauer vom Department International Finance and Financial Management beim ZEW.

Auch für die Refinanzierungsmärkte haben sich die Einschätzungen zum Teil deutlich verschlechtert. Einzig der Markt für Einlagen konnte sich im zweiten Quartal 2022 beim Ausblick leicht verbessern. Am besten fallen die Einschätzungen für Pfandbriefe aus, die Immobilienaktienmärkte werden am schlechtesten beurteilt. Auffallend ist zudem, dass sich die Banken beim Underwriting, also bei der direkten Kreditvergabe, zurückhalten wollen. Der Antwortensaldo steht hier bei minus 54,4 Punkten. „Banken sind zurzeit äußerst vorsichtig unterwegs und prüfen Finanzierungsanfragen sehr genau. Umso stärker kommen zurzeit alternative Kreditgeber bei der Auswahl der Finanzierungspartner ins Spiel“, erläutert Wagner.







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