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02.08.2022 Büromarkt: Mietplus dämpft negative Werteffekte des Renditeanstiegs

Mit einem negativen Performancewachstum von minus 1,5 Prozent weist der VICTOR Prime Office im zweiten Quartal 2022 das erste Mal seit 2014 (minus 0,1 Prozent im dritten Quartal 2014) einen leichten Rückgang auf. Der Indikatorstand für die beobachteten Toplagen der fünf deutschen Immobilienhochburgen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München notiert Ende Juni 2022 bei 230,6 Punkten. Damit büßt der Index die Wertzuwächse der vergangenen beiden Quartale wieder ein und liegt nun knapp über dem Stand des dritten Quartals 2021 (229,4 Punkte).

„Der Performancerückgang ist den in allen Top-Lagen um zehn Basispunkte gestiegenen Spitzenrenditen geschuldet. Diese Anstiege spiegeln vor allem die Entwicklungen in laufenden Verkaufsprozessen wider und lassen sich noch nicht vollumfänglich an realisierten Transaktionen festmachen“, kommentiert Ralf Kemper, Head of Valuation & Transaction Advisory JLL Germany. „Im zweiten Quartal konnten wir sowohl Deals zu den ,alten‘ Top-Preisen wie auch preisangepasste Transaktionen mit höheren Renditen beobachten. Die Unsicherheit führt aktuell aber vor allem zu einer abwartenden Haltung sehr vieler Marktteilnehmer. Die noch aktiven Investoren überdenken die aufgerufenen Preise und passen Angebote angesichts gestiegener Finanzierungskosten an. Einige Investmentprodukte werden derzeit verkäuferseits vom Markt genommen, so dass das aktuelle Renditeniveau nur aus vergleichsweise wenigen Transaktionen abgeleitet werden kann.“

Das Transaktionsvolumen am Büroimmobilienmarkt betrug im zweiten Quartal 2022 lediglich 3,5 Milliarden Euro und erzielt damit das niedrigste Quartalsergebnis der vergangenen acht Jahre. Während im ersten Quartal noch einige vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges abgeschlossene Deals das Transaktionsvolumen befeuerten, haben insbesondere die anhaltenden Liefer- und Materialengpässe, gestiegene Preise für Baumaterialien und Energie sowie die verschlechterten Finanzierungskonditionen für Unsicherheiten gesorgt und den Investmentmarkt stark gebremst. Im Gegensatz dazu ist nach wie vor viel Bewegung am Bürovermietungsmarkt: Mit knapp 1,5 Millionen m² übertrifft der Flächenumsatz in den Big 5 im ersten Halbjahr 2022 den entsprechenden Vorjahreswert um gut 32 Prozent. Rund 780.000 m² davon entfielen auf das zweite Quartal 2022 – und damit mehr als im Quartalsdurchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

Anhaltendes Mietpreiswachstum wirkt gegen steigende Renditen

Im zweiten Quartal 2022 weisen alle fünf Immobilienhochburgen – bedingt durch den flächendeckenden Renditeanstieg um zehn Basispunkte – einen leichten Performancerückgang auf. Gleichzeitig steigende Mietpreise dämpften allerdings die renditegetriebenen Indikatorrückgänge. So stiegen in Berlin und Hamburg die Mieten am stärksten, sowohl innerhalb wie außerhalb des Spitzensegments. Im Resultat der gegenläufigen Bewegungen landet Berlin mit lediglich minus 0,3 Prozent auf einem neuen Indikatorstand von 256,5 Punkten, Hamburg erreicht mit minus 1,4 Prozent bzw. 250,5 Punkten den zweiten Platz. Die Frankfurter Bankenlage trifft mit minus 1,5 Prozent Rückgang wieder einmal genau den Durchschnitt der Top 5 und verzeichnet einen neuen Indikatorstand von 216,3 Punkten. In München stagnierten die Spitzenmieten und der Indikator fiel um minus 2,0 Prozent auf 239,7 Punkte. Schlusslicht ist nach einem Stillstand im Vorquartal erneut die Düsseldorfer Innenstadt (minus 2,6 Prozent auf 201,9 Punkte).

Aufgrund der negativen Quartalsperformance gibt auch die Jahresperformance nach, bleibt allerdings mit plus 1,5 Prozent im positiven Bereich (zwischen Q1 2022 und Q1 2021 waren es noch plus 5,2 Prozent). München übernimmt mit plus 3,3 Prozent den Spitzenplatz in der Rangfolge, gefolgt von der Frankfurter Bankenlage mit plus 1,3 Prozent. Berlin und Düsseldorf teilen sich den dritten Platz mit jeweils plus 1,1 Prozent und Hamburg ist das Schlusslicht mit plus 0,3 Prozent.

Ralf Kemper ordnet die aktuelle Lage ein: „In Anbetracht des gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Hintergrunds sowie der gestiegenen Spitzenrenditen mag der Rückgang des Index überraschend gering erscheinen. Allerdings bezieht die Analyse auch die Mieten in unsere Berechnung mit ein. Und diese sind sowohl im Spitzenbereich als auch in der Breite zum Teil kräftig gestiegen.“

Kemper erklärt weiter: „Aus der Bewertungsperspektive bedeutet eine höhere Spitzenrendite nicht automatisch einen Wertverlust. Die überwältigende Mehrheit der Mietverträge für Büroflächen ist indexiert und an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelt. Somit kompensieren Steigerungen im Cashflow teilweise höhere Renditen bzw. Internal Rates of Return. Marktteilnehmer müssen wieder lernen, wie die Inflation, insbesondere die derzeit erhöhte Inflation, in die Kalkulation mit einzubeziehen ist.“

Seit März 2022 liegt die Inflation in Deutschland über sieben Prozent – das Ende der erhöhten Inflation ist aus heutiger Perspektive offen. Die EZB hat kürzlich die Zinswende eingeläutet und den seit März 2016 bei null Prozent liegenden Leitzins um 50 Basispunkte angehoben, um der Inflation entgegenzuwirken. Dies hat einen direkten Einfluss auf die Finanzierungskonditionen und in den nächsten Wochen wird es spannend zu beobachten sein, wie viel der Zinswende bereits bei Banken und Investoren eingepreist war.

„Wir befinden uns derzeit in einem Konglomerat aus Herausforderungen, wie wir es noch nie erlebt haben“, so Ralf Kemper weiter. „Pandemie, Ukraine-Krieg, Klima- und drohende Energie-Krise sowie hohe Inflation und Finanzierungskosten drücken die Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung. Dementsprechend ist die Prognose der Zukunft wie ein Blick in die Glaskugel – ob der Rückgang des VICTOR die Trendwende einläutet oder lediglich die aktuelle Schockstarre an den Märkten widerspiegelt, wird sich erst im weiteren Jahresverlauf zeigen.“

Liquidität ist weiterhin vorhanden, gesammelte Gelder wollen investiert werden. Fremdkapital ist für gutes Produkt ebenfalls weiterhin verfügbar, wenngleich zu veränderten Konditionen. Die Realzinsen für viele Investmentmöglichkeiten außerhalb des Immobiliensegments bleiben trotz steigender Zinssätze negativ (erwartete Realzinsen Deutschland für Bundeswertpapiere mit zehnjähriger Restlaufzeit liegen gemäß Bundesbank per Juli 2022 bei minus 0,914 Prozent).

Das Angebot an Büroflächen auf der Vermietungsseite wird weniger stark zulegen als zuletzt erwartet: Projektentwicklungen verschieben sich angesichts der unsicheren Situation oder werden ganz auf Eis gelegt. Dies alles kann sich steigernd auf die Mietpreise auswirken, wenngleich nicht sicher ist, inwieweit Mieter die stark gestiegenen Warmmieten (gestiegene Mieten sowie gestiegene Nebenkosten) nachhaltig tragen können. Hier werden sich je nach Branche der Mieter Unterschiede herausbilden und Ralf Kemper geht davon aus, dass langlaufende, wertgesicherte Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern sich als „Investor’s Darling“ voraussichtlich deutlich abheben.

„Die Preisbildung wird noch einige Zeit schwierig bleiben, eine breite Wiederbelebung der Investmentmärkte im dritten Quartal ist unwahrscheinlich. Wir rechnen jedoch mit einem starken Jahresendspurt mit verlässlicher Preisfindung im vierten Quartal“, blickt Kemper auf das Restjahr.







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