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09.08.2022 vdw: Wohnungswirtschaft muss Pläne stark nach unten korrigieren

Die sozialorientierte Wohnungswirtschaft steht vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Der Optimismus der Unternehmen im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw) ist binnen weniger Wochen total verflogen. Waren zu Jahresbeginn für 2022 noch Rekordinvestitionen für Neubau und Sanierung erwartet worden, wandern Baupläne jetzt serienweise zurück in die Schubladen. Zu den miserablen Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau kommen nun auch noch die Sorgen um die Folgen von Energiepreissteigerungen und Versorgungsengpässen. Erstes Fazit von vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt: „So schlimm war es noch nie.“

Jahresstatistik

Zu Jahresbeginn ermitteln die wohnungswirtschaftlichen Verbände unter dem Dach des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen die wichtigsten Kennzahlen für die Branche. Daraus leitet sich auch die vdw-Jahresstatistik ab. Abgefragt wurden die wichtigsten Daten für das Geschäftsjahr 2021 sowie einige Einschätzungen für das laufende Jahr.

Die Ergebnisse zeigen, dass die sozialorientierte Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen ihren zuversichtlichen Wachstumskurs auch 2021 – trotz aller sich abzeichnenden Widrigkeiten – fortgesetzt hat.

Und sie wollte in diesem Jahr ihre Investitionstätigkeit abermals deutlich ausweiten und hatte dieses Bestreben auch mit Zahlen hinterlegt. Angesichts der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Bausektor in Deutschland – explodierende Baukosten, fehlende Materialien, unterbrochene Lieferketten, dramatischer Anstieg der Energiepreise – werden sich diese optimistischen Einschätzungen jedoch nicht bewahrheiten. „Die Wohnungsunternehmen haben ihre ursprünglichen Pläne bereits korrigiert und angepasst. Eine Mitgliederbefragung im Juni hat gezeigt, dass ein großer Teil von Neubau- und Sanierungsprojekten zurückgestellt oder sogar gestrichen werden“, sagt Dr. Schmitt.

Investitionen 2021

Die Investitionen von Wohnungsunternehmen unterteilen sich generell in zwei Bereiche: den Neubau und die Bestandsentwicklung, und hier wiederum gibt es Ausgaben für Modernisierung* bzw. für Instandhaltung**.

Für 2021 hatten die vdw-Mitglieder Gesamtinvestitionen von 1,35 Milliarden Euro angekündigt. Diese Erwartung wurde übererfüllt. Am Jahresende addierten sich die Ausgaben für Neubau und Bestand auf 1,445 Milliarden Euro. Damit wurde auch das Ergebnis aus dem (Corona-)Jahr 2020 deutlich übertroffen (+320 Millionen Euro).
Im Einzelnen sieht der Vergleich von 2021 zu 2020 wie folgt aus: Neubau plus ca. 100 Millionen Euro, Instandhaltung plus 90 Millionen Euro, Modernisierung plus 130 Millionen Euro.

Planungen für 2022

Die Planungen für das laufende Geschäftsjahr sahen eine erneute Steigerung vor. Insgesamt wollten die Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften 1,733 Milliarden Euro investieren. Davon 842 Millionen Euro für den Neubau, 332 Millionen Euro für Instandhaltung und 559 Millionen Euro für Modernisierung.

Aber das Geschäftsklima hat sich seit Erhebung der Daten zu Jahresbeginn so eingetrübt, dass die Plandaten nicht erreicht werden. Wichtigste negative Einflussfaktoren neben dem Krieg in der Ukraine: die allgemeine Preisentwicklung in Deutschland und die steigenden Zinsen für Baudarlehen. Die Mitgliederbefragung im Juni hat dies bereits deutlich unterstrichen. „Wie stark der Investitionsrückgang sein wird, lässt sich derzeit nicht seriös abschätzen“, sagt Dr. Schmitt.

Zumal die Förderung insbesondere auf Bundesebene ein einziges Desaster ist. „Wir können uns auf nichts mehr verlassen“, klagt die vdw-Verbandsdirektorin. Die bisherige Gebäudeförderung wurde Ende Juli ohne vorherige Ankündigung komplett umgestellt. Die erst im vergangenen Jahr eingeführte Zuschussförderung wurde ein- und stattdessen auf Kredite und Tilgungszuschüsse umgestellt. Die Fördersätze und Tilgungszuschüsse wurden deutlich abgesenkt. Die Folgen: Im aktuell ohnehin schwierigen Investitionsumfeld werden dringend benötigte Klimaschutzmaßnahmen noch stärker zurückgefahren. Geplante Sanierungsmaßnahmen landen im Papierkorb.

Herausforderung: Neubau

Die wichtigsten Herausforderungen bleiben gleichwohl bestehen. Im Neubaubereich gilt es weiterhin bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 2021 haben die vdw-Mitglieder 2038 Wohnungen fertiggestellt, in diesem Jahr sollten es sogar 2443 werden. „Falls sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, rechnen wir mit einem Neubaurückgang in unserem Verband von jährlich bis zu 1500 Wohneinheiten ab 2023. Viele Projekte wurden bereits auf Eis gelegt“, betont die Verbandsdirektorin.

Einen positiven Impuls für den Mietwohnungsneubau verspricht der Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2022. Darin enthalten ist die Anhebung des steuerlichen Normalabschreibungssatzes von zwei auf drei Prozent. „Dies begrüßen wir ausdrücklich. Leider soll die höhere Abschreibung erst für Mietwohngebäude gelten, die ab 2024 fertiggestellt werden“, meint Dr. Schmitt.

Herausforderung: Bestandsentwicklung

Neben dem Neubau stehen im Altbestand vor allem Klimaschutzmaßnahmen, neue Heiztechniken, die Verwendung regenerativer Energien, der Abbau von Barrieren im Haus und in den Wohnungen sowie einladend gestaltete Freiflächen auf der Agenda der sozial orientieren Wohnungswirtschaft. Dafür waren im laufenden Geschäftsjahr rund 890 (2021: 754) Millionen Euro vorgesehen. Dr. Schmitt: „Egal wie es am Jahresende aussieht, die Wohnungswirtschaft stärkt mit ihren Investitionen das lokale Handwerk, denn viele Aufträge bleiben in der Region. Damit sichern unsere Unternehmen viele tausend Arbeitsplätze.“

Mieten bleiben günstig

Trotz dieser gewaltigen Investitionswelle bleiben die Mieten auf einem preisgünstigen Niveau. Im Durchschnitt liegt der Quadratmeterpreis bei 6,04 Euro (nettokalt), in Niedersachsen sind es 6,01 Euro/Quadratmeter, im Land Bremen 6,15 Euro/Quadratmeter. Auch die warmen Betriebskosten lagen 2021 bei äußerst verträglichen 1,07 (Niedersachsen) bzw. 1,01 (Bremen) Euro/Quadratmeter. Diese geringen Vorauszahlungen sind bereits Mitte des Geschäftsjahres Makulatur. Viele Unternehmen haben die Beträge deutlich angehoben, teilweise verdoppelt, um die Mieter vor zu hohen Nachzahlungen im kommenden Frühjahr zu bewahren. „Die allermeisten Mieter sind sehr verständnisvoll. Viele haben ihre Vorauszahlungen sogar freiwillig erhöht“, berichtet Dr. Schmitt.

Energiekrise

Während die Preisentwicklung am Bau, der Materialmangel, die hohen Grundstückskosten, die langen Planungs- und Genehmigungszeiten und die immer strikteren gesetzlichen Vorgaben die Ziele der Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften schon seit Monaten massiv gefährden, belasten jetzt auch noch die rapide gestiegenen Energiekosten vor allem beim Gas die sozial orientierten Vermieter und ihre Mieter. „Vor allem Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen werden von möglichen Nachzahlungen im kommenden Frühjahr finanziell überfordert sein“, befürchtet Verbandsdirektorin Dr. Schmitt.

Dringend notwendig: Sparen!

Die Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften im vdw sehen sich nicht zuletzt in diesen schwierigen Zeiten als verantwortungsvolle Dienstleister für ihre Mieter. Gemeinsam wollen wir erreichen, dass die Preissteigerungen etwa für Gas die Mieterhaushalte, die oft nur über kleine oder mittlere Einkommen verfügen, wirtschaftlich nicht überfordern. Sparen ist das Gebot der Stunde. Die vdw-Mitglieder informieren bereits seit Wochen ihre Mieter über die Situation und stehen ihnen mit Energiespartipps zur Seite.

Forderung: Politik muss reagieren

„Wir fordern die Politik auf, die Lasten bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krisen nicht einseitig auf unsere Wohnungsunternehmen zu verschieben. Wenn Mieter ihre Heizkosten im nächsten Jahr nicht bezahlen können, drohen den Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften erhebliche Liquiditätsausfälle“, befürchtet die vdw-Chefin. Grund dafür: Die Vermieter gehen bei der Energiebeschaffung in Vorleistung und rechnen diese Ausgaben über die Betriebskosten nachträglich ab.

Ein pauschales Kündigungsmoratorium zum Schutz säumiger Mieter lehnt der vdw ab. Dies schützt nur uneinsichtige Haushalte, die trotz der Mangellage überdurchschnittliche Energieverbräuche aufweisen. Vielmehr muss der Staat mit Ausgleichszahlungen die finanziellen Lücken der Mieter stopfen. Die angekündigte Wohngeldreform muss so schnell wie möglich und so unbürokratisch wie möglich kommen.

*Modernisierung: Verbesserung des Zustands der Mieträume
**Instandhaltung: Erhalt bzw. Wiederherstellung des vertragsmäßen Zustands der Mieträume










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