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09.08.2022 Retail Flashlight Aachen: Einzelhandel und 1A-Lagen im Sommer 2022

Olaf Petersen, Geschäftsführer und Chefresearcher des Einzelhandelsspezialisten COMFORT analysiert mit seinen Kollegen in den COMFORT-Büros vor Ort die aktuelle Lage im Sommer 2022. Wie stellt sich die Situation für den Einzelhandel und die Handelsimmobilien der 1A-Lagen in den beliebtesten deutschen Einkaufsstädten dar? In dieser Folge geht es um die nordrhein-westfälische Kaiserstadt Aachen, die wichtigste Einkaufsstadt im Dreiländereck Belgien – Deutschland – Niederlande.

Allgemein

Nachdem beinahe die kompletten Jahre 2020 und 2021 wesentlich durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen geprägt waren, ist das Virus in den vergangenen Monaten zwar noch immer existent, aber zunehmend in den Hintergrund des öffentlichen Geschehens getreten. Dies liegt zum einen am Wegfall der Beschränkungen für Einzelhandel und Gastronomie aber auch an den neuen Ängsten, welche die Ukraine-Krise hervorrufen. Stark steigende Preise trüben die Verbraucherstimmung signifikant ein. Auf diesen Nenner lässt sich die Entwicklung der wesentlichen aktuellen Rahmenbedingungen für den deutschen Einzelhandel im 1. Halbjahr 2022 bringen. Dabei stellen sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen insgesamt relativ solide dar. So ist die 2020er Rezession mit moderatem Wachstum überwunden und Wiederaufholtendenzen auf dem Arbeitsmarkt wie auch im Bereich Tourismus sind unübersehbar.

In dieser Gemengelage haben sich die Einzelhändler in den deutschen Innenstädten bislang insgesamt ganz ordentlich geschlagen. Bislang profitierten diese stärker von den ausgelaufenen Corona-Bestimmungen und der Normalisierung der Shopping-Möglichkeiten als sie durch neuerliche Verunsicherung durch den Krieg in der Ukraine und die starke Inflation beeinträchtigt werden. Nach zwei Jahren Corona ist das Bedürfnis nach einem echten Shopping Bummel in beliebiger Kombination mit privaten Treffen, essen gehen, Kino –/Theater-Besuch stark ausgeprägt.

Offensichtlich wird auch der ein oder andere zuvor zwangsläufig online getätigte Einkauf nunmehr wieder stationär realisiert. So liegen laut Statistischem Bundesamt die in den ersten fünf Monaten 2022 generierten Online-Umsätze nach der Rekordentwicklung der Jahre zuvor immerhin um rund 7 % nominal beziehungsweise ca. 11 % real unter den entsprechenden Vorjahresumsätzen. Zum Vergleich: Die Umsätze in der durch den Lockdown besonders gebeutelten stationären City-Einzelhandels-Leitbranche Bekleidung, Schuhe, Lederwaren haben sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.

Zum innerstädtischen Shopping-Verhalten ist weiter anzumerken, dass sich die Passantenfrequenzen in den Top-Einkaufslagen aktuell zumeist noch nicht wieder ganz auf dem Niveau von vor Corona bewegen. Diese haben zwar nach den langen Lockdown-Phasen wieder erheblich aufgeschlossen, bewegen sich aber häufig noch in einer Größenordnung von zwischen 10 - 20 % unter dem 2019er Niveau. Positiv wirkt dem entgegen, dass die Durchschnittbons der Einzelhändler in der Regel übergreifend höher ausfallen als noch vor Corona.

Diese bundesweiten Trends sind auch weitgehend für Aachen gültig. So erreichte die Arbeitslosenquote im Juni 2022 einen Wert von 7,0 % und rangiert damit immerhin 0,8 Prozentpunkte unter dem entsprechenden Vorjahreswert.

Die innerstädtischen Passantenfrequenzen hinken entlang der Toplage Adalbertstraße jedoch laut den Zahlen von hystreet für den Juni / Juli noch signifikant gegenüber den 2019er Zahlen (liegen dafür erst ab dem Herbst vor) hinterher.

Auch die Gesamtzahl der Aachener Hotel-Übernachtungen erreichte in 2021 lediglich rund 540.000. Gegenüber dem letzten ‚Normaljahr‘ 2019 (ca.. 1.040.000 Übernachtungen) entspricht das einem Minus von nahezu der Hälfte bzw. bedeutet rund eine halbe Million Übernachtungen weniger. Auf der anderen Seite waren es in 2021 immerhin schon wieder knapp 60.000 bzw. gut 10 % mehr als im Jahr 2020.

Aachen

Als Oberzentrum und Verwaltungssitz der gleichnamigen Städte-Region stellt Aachen einen regional bedeutenden Wirtschaftsstandort mit soliden Eckzahlen (stabile Bevölkerungsprognose, mehr als 130.000 Erwerbstätige und hoher Arbeitspendlerüberschuss) sowie hoher Hightech-Kompetenz (insbesondere durch die RWTH Aachen University) dar.

Nicht zuletzt ist die Kaiserstadt die wichtigste Einzelhandelsdestination im gesamten Dreiländerdreieck B-D-NL. In diesem Kontext reflektiert der Aachener Einzelhandel auf ein großes Einzugsgebiet von rund 800.000 Menschen allein in Deutschland. Hinzu kommt die traditionell hohe Zahl von Shoppingtouristen aus Belgien und den Niederlanden sowie das allgemein große Städtetouristen-Potenzial der historischen Innenstadt. Dies alles findet in der sehr positiven Einzelhandelszentralität von ca. 115 (lt. GfK in 2021) seinen Ausdruck.

Charakteristisch für den städtischen Einzelhandel ist die hohe Bedeutung der - gemäß städtischer Abgrenzung - innerhalb des Alleenrings lokalisierten Innenstadt. Neben einigen großflächigen Anbietern wie Galeria Kaufhof, der jüngst erweiterten Mayersche Buchhandlung, H&M oder Saturn trägt die breite Vielzahl an Filialisten sowie lokaler Betreiber in der City in Verbindung mit dem innerstädtischen Einkaufszentrum Aquis Plaza dazu bei, dass mehr als 40 % der gesamtstädtischen Verkaufsfläche wie auch des Einzelhandelsumsatzes der Innenstadt zuzuordnen sind.

Aachen Eckdaten

Der Markt für Einzelhandelsimmobilien

Der Investmentmarkt für Handelsimmobilien stellte sich in 2021 ausgesprochen zweigeteilt dar. Auf der „Gewinnerseite“ standen die Anbieter im periodischen Bedarf (LM-Supermärkte und -Discounter, Fachmarktzentren mit FMCG-Kompetenz). In der Folge hat sich das Investoreninteresse stark in Richtung Lebensmittel / lebensmittelbeankerte Assets verschoben. Insbesondere der sehr lange 2021er Lockdown, wachsende Online-Käufe sowie die zeitweise eingeführten 2G-Regelungen haben die Konsumentennachfrage im Nonfood-Bereich klar beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund ist 2021 die Investmentnachfrage nach klassischen Shoppingcentern sowie Geschäftshäusern tendenziell gesunken.

So hielten sich Core-Investoren in der zurückliegenden Pandemie-Situation eher zurück. Demgegenüber versuchen Core+- und opportunistische Investoren sowie Eigennutzer verstärkt, sich ergebende Investment-Chancen in Toplagen auszunutzen, um mit gezieltem ‚manage-to-core‘ bzw. Eigenbelegungen Geschäftschancen auszunutzen. Damit Core-Investoren aktiv werden, müssen die Retail-Mieten jedoch zu den aktuellen Mietermarkt-Gegebenheiten passen. Sofern dies der Fall ist, sind die Investoren auch bereit, für nachhaltige Retail-Standorte in Top-Städten hohe Kaufpreisfaktoren zu bezahlen. Für nicht mehr marktgerechte Mieten müssen auf der anderen Seite signifikante Preisabschläge hingenommen werden.

Aktuell ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass die durch die enorm gewachsene Inflation induzierte Zinswende offensichtlich auch eine Zeitenwende bei der Entwicklung der Immobilienpreise eingeleitet hat. Nachdem sich infolge des Zinsanstiegs die Kosten für Fremdkapital in wenigen Monaten mehr als verdreifacht haben, wurden die über die Investitionsfinanzierung möglichen Leverage-Effekte deutlich reduziert bzw. sogar ins Gegenteil verkehrt. Diese Entwicklung bevorteilt tendenziell reine Eigenkapital-Investoren, nicht zuletzt aus dem Family-Office-Bereich. Insgesamt sind die realisierbaren Kaufpreisfaktoren am Markt aber unter Druck geraten.

Diese generellen Rahmenbedingungen gelten auch für Aachen als wichtiger Immobilien-Investment-Standort in Deutschlands Westen.

Klassische Geschäftshäuser als Investmentprodukte sind in der Aachener Innenstadt ein ausgesprochen rares Gut. Für herausragende Objekte in 1A-Lage mit einem nachhaltigen Mietniveau dürften hier in, dem durch die momentane Zinsentwicklung beeinflussten Markt Kaufpreisfaktoren zwischen dem 17,5- und dem 19,5-fachen der Jahresmiete bezahlt werden.

1A-Lagen: Aktuelle Entwicklungen und Mieten

Auf dem Retail-Vermietungsmarkt hat sich die bereits im vergangenen Jahr begonnene Marktstabilisierung weiter fortgesetzt. Abgesehen von Großflächen ab circa 1.000 m² ist die Flächennachfrage wieder merklich gestiegen. In der Folge sind nunmehr bei den gängigen kleineren und mittelgroßen Ladenlokalen eine wieder wachsende Zahl von Abschlüssen und in der Folge auch eine Bodenbildung bezüglich der zu zahlenden Mieten festzustellen.

Nachdem diese in der Hochphase der Pandemie – abhängig von Stadt, Lage und Objekt - in der Regel signifikant bis stark gesunken sind, geht es nun ausgehend von dem im Jahr 2021 erreichten Niveau tendenziell nicht mehr weiter nach unten. Den Hintergrund dieser positiven Entwicklung auf dem Vermietungsmarkt bildet vor allen Dingen ein deutlich gewachsenes Vertrauen der Einzelhändler bzw. Gastronomen und damit der potenziellen Mieter in ihre eigenen Geschäftsmöglichkeiten. Und zwar sowohl rein stationär - durch die erfolgte Rückkehr der Konsumenten - aber auch im Zusammenspiel mit dem in der Corona-Zeit forcierten Online-Geschäft. Zudem hat sich auch auf der Eigentümerseite zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Mieten wohl nicht wieder ohne weiteres auf das Vor-Corona-Niveau zurückkehren werden. Die Gesprächsbereitschaft und die Flexibilität auf Vermieterseite sind vor diesem Hintergrund deutlich gewachsen.

Zu Aachen erfolgt nachfolgend eine aktuelle Kurzcharakterisierung der innerstädtischen Toplagen sowie die Bewertung und Darstellung der gegenwärtigen Höchstmiete. Diese wird aktuell in der Adalbertstraße als klare Nummer 1 erreicht. Die westlich der Petersstraße gelegenen A-Lagen Holzgraben/Dahmengraben, Großkölnstraße haben demgegenüber in den letzten Jahren nicht zuletzt durch die 2015 erfolgte Eröffnung von Aquis-Plaza signifikant an Schlagkraft eingebüßt, während die Krämerstraße sich in dem schwierigen Umfeld verhältnismäßig gut behauptete. Dem Marktplatz am Rathaus zwischen Krämerstraße und Großkölnstraße kommt eine besondere Funktion als Gastronomielage mit Konzepten wie Extrablatt, Starbucks, Sausalitos, Alex und neuerdings Five Guys zu.

Adalbertstraße

? Klassische 1A-Lage mit einem ausgewogenen Branchenmix
? Toplage zwischen Peterstraße und Kugelbrunnen / Aquis Plaza (mit ca. 30.000 m²/130 Shops)
? Lt. hystreet aktuell knapp 6.000 Passanten pro Stunde in der Spitze
? Zukünftige Projektentwicklung von P&C in der Adalbertstraße 38. Hier ist perspektivisch nunmehr eine Mischnutzung mit P&C sowie voraussichtlich einer Hotelnutzung vorgesehen.
? Neue Mieter: T-Punkt (Telekom)
? Mietpreis: ca. 65 – 70 EUR/m² (klein)

Holzgraben / Dahmengraben

? Verbindet die Großkölnstraße mit der Adalbertstraße
? Teils szeniger Einzelhandelsbesatz und aktuelle Projektentwicklungen in einem herausfordernden Umfeld
? Neue Mieter: L’Tur (Umzug)

Großkölnstraße

? Topographisch leicht ansteigend Richtung Markt / Krämerstraße
? Großflächenmieter wie Müller Drogerie-markt, SinnLeffers und Appelrath & Cüpper dominieren insbesondere den oberen Teil Richtung Marktplatz, der untere Teil wurde durch den Neubau B&B Hotel mit DM Ende 2020 aufgewertet
? Neue Mieter: DM, Oui

Krämerstraße

? Topographisch abfallend vom historischen Rathaus und Marktplatz Richtung Dom
? Attraktive Niveaulage, geprägt durch kleinflächigen Einzelhandel
? Neue Mieter: Regionaler DOB-Anbieter Jardin L, der sich gleich zwei Mal präsentiert, sowie seit Ende letzten Jahres Five Guys

Die Adalbertstraße am Kugelbrunnen mit TK Maxx sowie dem Center AQUIS PLAZA Quelle: COMFORT Die Mieten für Ladenlokale und Flächen waren auch in der Aachener Innenstadt unter Druck geraten, wobei der Rückgang hier allerdings – bedingt durch den Markteintritt von Aquis Plaza in 2015 und seine Inanspruchnahme des relevanten innerstädtischen Mietermarktes - bereits vor der Corona-Krise eingesetzt hatte. Auf dem 2021 erreichten Niveau haben sich die Mieten nunmehr weitgehend stabilisiert. Sie rangieren damit um 10 % bis 20 % unterhalb des Niveaus vor der Corona-Krise 2019.









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