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12.12.2022 DAX-Unternehmen bei ESG-Transparenz international mit Spitzenwerten

Die großen deutschen börsennotierten Unternehmen werden ihrem guten Ruf in Bezug auf ihr ESG-Reporting auch im internationalen Vergleich gerecht. Aber häufig legen sie die Latte bei der Qualität ihrer Berichte nur so hoch, wie es vorgegeben wird und bleiben bei vielen wichtigen Details transparente Informationen schuldig. Dieser Trend zeichnet sich im Global ESG Monitor 2022 (GEM) ab, der als international führend gilt bei der Analyse der nichtfinanziellen Berichterstattung globaler Konzerne. Dafür wurden 625 ESG-Berichte von 350 Unternehmen auf vier Kontinenten analysiert, die in zehn nationalen oder kontinentalen Börsenindizes enthalten sind.

Die im DAX 40 enthaltenen Unternehmen[1] kommen dabei im Durchschnitt auf 68 von 100 möglichen Punkten. Auf Indexebene betrachtet liegt der deutschen Auswahlindex damit an der Spitze aller zehn internationalen Indizes aus Nordamerika, Europa, Asien und Australien, die im Rahmen des Global ESG Monitor 2022 betrachtet wurden. Er rangiert noch vor dem Gewinner unter den kontinentalen Indizes, dem EUROSTOXX 50, der auf einen Durchschnittswert von 66 Punkten kommt.

Deutsche Emittenten landen international auf den vorderen Plätzen

Die ESG-Berichte der DAX-Unternehmen gehören zu den seitenreichsten innerhalb der für den Global ESG Monitor 2022 definierten Stichprobe. Die Mehrheit der DAX-Konzerne gibt zudem für sich die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) vor und stellt Zuständigkeiten und Monitoring-Prozesse in ihren Berichten klar dar. So geben zum Beispiel mehr als neun von zehn DAX-Unternehmen (92 Prozent) an, welche Performance-Indikatoren sie messen und überwachen und wie sie das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmensalltag verankern (95 Prozent).

Von den einzelnen Unternehmen im DAX belegt der Duft- und Geschmackstoffhersteller Symrise mit 86 Punkten Platz eins. Dicht dahinter folgen die Deutsche Bank (85 Punkte) und das Wohnungsunternehmen Vonovia (84 Punkte). Letzteres ist gleichzeitig das bestplatzierte DAX-Unternehmen im EUROSTOXX 50. Auf globaler Gesamtebene liegen der italienische Energiekonzern Enel mit 90 Punkten und das spanische Stromerzeugungs- und -vertriebsunternehmen Iberdrola mit 87 Punkten vorne, die beide aus dem EUROSTOXX 50 kommen.

Die Konzerne am Ende des DAX-Feldes fallen durch zum Teil deutliche Transparenzlücken auf. Als Drittletzter erreicht der Spezialchemiehersteller Covestro exakt die Hälfte der möglichen Punktzahl (50). Der Biotech-Konzern Qiagen und der Betreiber von Essenslieferplattformen Delivery Hero liegen mit 46 beziehungsweise 42 Punkten deutlich unterhalb dieser Schwelle – wenngleich diese Werte im internationalen Vergleich nicht zu den schlechtesten zählen.

Es gibt Informationslücken im Detail – und damit Luft nach oben

Es kann zum Reputationsrisiko werden, Dinge auszulassen, denn zum Greenwashing gehören neben Falschaussagen, Verzerrungen, Übertreibungen auch bewusste Auslassungen.

Das sieht Michael Diegelmann, Mitbegründer des GEM und Vorstand des IR- und ESG-Beratungshauses cometis, so: „Wir wollen niemandem bewusstes Greenwashing unterstellen“, ordnet der ESG-Experte das Ergebnis des aktuellen Reports aus deutscher Perspektive ein. „Beim Vergleich aller zehn Indizes untereinander gibt der DAX in Sachen ESG-Berichte den Takt vor. Dennoch gibt es Luft nach oben. Denn nach absoluten Maßstäben gesehen bewegen sich die deutschen Top-Unternehmen mit einem Durchschnittswert von rund zwei Drittel der maximal erreichbaren Punktzahl lediglich im gehobenen Mittelfeld. Dabei wäre in vielen Bereichen mehr möglich – und auch angezeigt.“

So zum Beispiel beim Thema Kinder- und Zwangsarbeit. Hier nehmen nur etwas mehr als die Hälfte der DAX-Unternehmen (56 Prozent) in ihren Berichten Stellung zu Strategien und Maßnahmen, um das Risiko von Zwangs- und Kinderarbeit auszuschließen. Bei den Unternehmen im EUROSTOXX 50 liegt dieser Wert bei 60 Prozent.

„Der Gesamteindruck, den wir bei der Datenauswertung für den Global ESG Monitor 2022 gewonnen haben, ist: Die Verantwortlichen investieren viel Mühe und Arbeit in ihre ESG-Berichte“, ergänzt Ariane Hofstetter, Mitbegründerin und Leiterin Research und Data Science des GEM sowie Geschäftsführerin des Marktforschungsinstituts Kohorten.

„Die im Rahmen des Global ESG Monitor erhobenen Daten zeigen aber vor allem Verbesserungspotenzial bei den Details. Insbesondere bei greifbaren Ergebnissen und Erfolgen, die bereits eingeführte ESG-Prozesse nach sich ziehen. Auf diese Details kommt es aber oft an, denn sie gewährleisten die Nachvollziehbarkeit, Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der Angaben“, kritisiert sie.

So zum Beispiel bei der Wesentlichkeitsanalyse. Hier fehlen oft wichtige Angaben über die Zahl und Art der involvierten Stakeholder oder die Maßstäbe, nach denen Aussagen der einzelnen Stakeholder-Gruppen in die Priorisierung der Themen eingegangen sind.

Bei Informationen zu den Lieferketten hakt es

Zwar beschreiben 87 Prozent der DAX-Unternehmen ihre Lieferketten und machen Angaben darüber, dass sie ihre Lieferanten durch Umfragen, Audits, Besuche vor Ort und Fragebögen in Bezug auf Umweltfragen überwachen. Um die Angaben als Stakeholder jedoch einordnen zu können, braucht es Kontext und hier fallen die Beschreibungen zu knapp aus: Bei nur knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Berichte finden sich Informationen zur geographischen Lage der Zulieferer. Lediglich 23 Prozent geben Informationen an zur Gesamtzahl der Zulieferer und 26 Prozent zum geschätzten Gesamtbetrag der Zahlungen an Zulieferer. Ohne diese Informationen fällt es als außenstehender Stakeholder schwer, die Sinnhaftigkeit und die Effektivität der beschriebenen Maßnahmen zu bewerten und zu vergleichen.

Ein ähnliches Phänomen beim Thema Governance: Durchweg alle Unternehmen im DAX berichten über ihre Governance-Strukturen. Wie effektiv diese Strukturen jedoch arbeiten, würde sich u.a. in der Summe der finanziellen Schäden niederschlagen, die durch rechtliche oder gerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Betrug, Insiderhandel, kartellrechtlichem oder wettbewerbswidrigem Verhalten, Marktmanipulation, Fehlverhalten oder sonstigen Verstößen entstanden sind. Hierzu macht aber nur ein Viertel (26 Prozent) der Unternehmen Angaben.

Ein drittes Beispiel ist der Beitrag der Unternehmen zur Schließung des Gender Pay Gaps: Ein Teilaspekt aus dem Themenbereich Gender Equality, zu dem über zwei Drittel (69 Prozent) der DAX-Unternehmen sagen, dass sie einen Beitrag leisten wollen. Aber nur weniger als die Hälfte der untersuchten DAX-Unternehmen (44 Prozent) machen dann Angaben über das Verhältnis des Gehalts von Frauen gegenüber Männern anhand dessen diese Selbstverpflichtung Substanz gewinnen würde.

Gutes Zeugnis für CO2-Emissionsberichte – für das Wasser-Management fehlen Bestnoten

Mehr Transparenz herrscht beim Thema Klimaschutz. Die weit überwiegende Mehrheit der Dax-Unternehmen (95 Prozent) haben für sich die wichtigsten CO2-Emissionsquellen identifiziert und die größten zukünftigen Herausforderungen im Hinblick auf klimarelevante Emissionen skizziert. Im Umgang mit der Ressource Wasser fallen demgegenüber die Reporting-Quoten jedoch deutlich ab. Jedes vierte DAX-Unternehmen (26 Prozent) macht keine belastbaren Aussagen zu seinem Wasser-Management und seinen Anstrengungen, den Verbrauch zu senken.

Unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse in Europa fällt auf: Nur etwas mehr als zwei Drittel der DAX-Unternehmen (69 Prozent) machen Angaben zum politischen Kontext, in dem sie agieren. „Dies ist möglicherweise als Ausdruck der Selbstverständlichkeit geordneter politischer Verhältnisse in Deutschland zu interpretieren“, sagt GEM-Mitbegründer Diegelmann. Diesen Blickwinkel hält er aber für international agierende Unternehmen für zu flach. „Mit dem Krieg in Europa und allen daraus resultierenden Konsequenzen ergeben sich Berichtspotenziale für die anstehenden Reportings. Es wird dann darauf ankommen, dass sich die DAX-Unternehmen nicht auf den im Rahmen des Global ESG Monitor 2022 verteilten Lorbeeren ausruhen. Denn das gesamte ESG-Universum ist ausgesprochen dynamisch.“

[1] Von den insgesamt 40 Unternehmen im DAX sind 39 in die GEM-Studie einbezogen worden. Die Daimler Truck AG hat im Untersuchungszeitraum noch nicht als eigenständiges Unternehmen berichtet.





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