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05.07.2023 Der Hamburger Wohnimmobilienmarkt hat sich um 180° gedreht

Mit Kriegsbeginn in der Ukraine, Inflation und Zinswende hat sich auch der Hamburger Immobilienmarkt 2022 binnen kürzester Zeit gedreht – vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Zinshäuser sind heute 15 % bis 20 % günstiger zu haben. Ähnliche Abschläge gibt es auch bei vermieteten Eigentumswohnungen zur Kapitalanlage. Bei freien Eigentumswohnungen zur Eigennutzung fallen die Abschläge niedriger aus, je nach Lage. Eigenkapitalstarken Anlegern bieten sich damit Chancen. Der einbrechende Neubau wird die Preise von Bestandsimmobilien allerdings zeitnah stabilisieren. Vor allem aber spielt beim Immobilieninvestment der energetische Standard inzwischen eine entscheidende Rolle – auf Augenhöhe mit der Lage. Der „Marktbericht 2023 – Anlageimmobilien in Hamburg“ des Immobiliendienstleisters Zinshausteam & Kenbo analysiert die Zahlen des Gutachterausschusses und die Entwicklungen am Hamburger Immobilienmarkt.

Die Wende am Hamburger Wohnimmobilienmarkt vollzieht sich 2022. Den Preispeak für Zinshäuser und Eigentumswohnungen gibt es Anfang des vergangenen Jahres. Der Kriegsbeginn in der Ukraine Ende Februar 2022 forciert durch die einsetzende Energiekrise die Inflation und nötigt die Europäische Zentralbank zur Zinswende.

Chancenlagen werden zu Risikolagen

Mit den binnen fünf Monaten von 0,7 % auf 3,5 % steigenden Hypothekenzinsen bricht insbesondere der Absatz von Eigentumswohnungen ein und bei den Zinshäusern beginnt eine Preiskorrektur. Die Zahlen des Gutachterausschusses illustrieren diesen Prozess anschaulich.

So liegt im vergangenen Jahr die Zahl der Zinshaus-Transaktionen mit 446 über dem zehnjährigen Durchschnitt. Gerade im ersten Halbjahr 2022 erwerben eigenkapitalstarke Investoren insbesondere Zinshäuser in etablierten Lagen und sorgen hier übers Gesamtjahr gesehen sogar für ein Preisplus. „Hingegen wurden die Chancenlagen der letzten Jahre – die preislich überdurchschnittlich zulegen konnten – rasch als Risikolagen umgewertet“, erläutert Matthias Baron, geschäftsführender Gesellschafter bei Zinshausteam & Kenbo.

„Faktor 40 oder höher ist aktuell kein Thema mehr“

So sinkt der durchschnittliche Preis für Zinshäuser in schlechten Lagen 2022 um 12 % auf 2.538 €/m², während er in bevorzugten Lagen um 15 % auf 8.455 €/m² steigt. Der Durchschnittspreis über alle Lagen geht um gut 4 % auf 4.116 €/m² zurück.
Eine deutliche Korrektur haben inzwischen auch die Verkaufsfaktoren erfahren – also der Preis aus dem Multiplikator der Jahresnettokaltmiete. 2022 ist der Faktor für bevorzugte Lagen noch auf das 46,5fache gestiegen – ein Allzeithoch. „Faktor 40 oder höher ist aktuell kein Thema mehr“, betont Baron. „In besseren Lagen geht es im Mittel um Faktor 25, in mittleren um gut 20. Risikoimmobilien werden im Moment kaum gehandelt – auch, weil die Banken sie nicht finanzieren.“

Energetische Standards sind wichtig

Zu den inzwischen besonders geprüften Risiken zählen die energetischen Standards bzw. die Investitionen, die nötig sind, um ein gutes energetisches Niveau zu erreichen. „Seit Anfang 2022 hat sich die Preisschere zwischen Immobilien mit hoher und niedriger Energieeffizienz deutlich geöffnet“, beobachtet der Immobilienspezialist. „Gerade für Immobilien der 1950er bis 1980er Jahre erwarten Banken als Voraussetzung für die Darlehensgewährung energetische Konzepte von Kaufinteressenten – wie es die EU-Taxonomie vorschreibt.“

Dass die Hamburger Energiewerke (HEnW) nach dem Geschäftsbericht von Juni 2023 ein Bruttowachstum an Neuanschlu?ssen um 450 Megawatt thermische Leistung (MWth) bis 2030 plant – das entspricht etwa 100.000 Wohneinheiten – begrüßt Baron. „Klimaneutral betriebene Fern- oder Nahwärmenetze sind die deutlich preiswertere und sichere Variante im Vergleich zu Wärmepumpen.“

Entscheidungsstarke Verkäufer sind im Vorteil

Der Hamburger Zinshausmarkt sei traditionell kleinteilig strukturiert, erklärt Baron. „Institutionelle Investoren spielen eine untergeordnete Rolle. Das hilft in dieser Phase. Denn jetzt sind entscheidungsstarke Käufer, vor allem aber Verkäufer im Vorteil. Abwarten ist keine Option, wenn die Faktoren fallen. Der Verkauf fällt natürlich dem Eigentümer leichter, der vor zehn oder mehr Jahren gekauft hat. Er kann trotz der jüngsten Korrekturen einen erheblichen Wertzuwachs realisieren.“

Seit der Finanzkrise 2008 hatte primär der Wertzuwachs für Rendite gesorgt, während die Mieten moderat stiegen – nach der Ende Juni vorgestellten Hamburger Mietenstudie langsamer, als die Verbraucherpreise. Nun sorgt die Mietendynamik seit 2022 für den Cash-flow, während die Werte konsolidieren. Baron erwartet nicht, dass die Preise weiter fallen. „Hamburgs Bevölkerung ist 2022 vor allem durch Flüchtende um 38.000 Menschen gewachsen, während der Wohnungsbau aufgrund der Zinswende, hoher Baukosten sowie der desolaten Kommunikation der Wärmewende absehbar ab 2024 deutlich zurückgeht.“

Käufer mit Eigenkapital kaufen

Ähnlich verhält es sich mit Eigentumswohnungen. „Die Nachfrage ist potenziell ebenso groß wie 2021“, betont der Immobilienmakler. „Doch die meisten Kaufinteressenten gerade in mittleren und schwächeren Lagen haben ihre Pläne angesichts der hohen Zinskosten zurückgestellt. Käufer mit viel Eigenkapital kaufen weiterhin – meist in teuren Lagen.“

So stiegen nach Zahlen des Gutachterausschusses die Verkaufspreise in den zehn teuersten Stadtteilen 2022 um durchschnittlich 6,3 %, während sie in den zehn günstigsten Vierteln um 7,4 % nachgaben.

„Die Preiskorrektur nach unten stößt schnell an Grenzen“, so Baron und verweist auf die hohen Baukosten durch die steigenden energetischen Anforderungen und die Inflation. „Zudem gibt es eine erhebliche Verknappung des Angebots – einerseits aufgrund des zurückgehenden Neubaus und andererseits durch die Umsetzung des Baulandmobilisierungsgesetzes, das seit Ende 2021 die Genehmigung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in ganz Hamburg vorschreibt – de facto meist ein Umwandlungsverbot.“

Erste signifikante Korrektur der Bodenrichtwerte seit über zehn Jahren

Die Zurückhaltung am Markt spiegeln auch die Zahlen zum Verkauf von Grundstücken für den Geschosswohnungsbau. Der Flächenumsatz sank mit 191.800 m² auf den niedrigsten Wert seit 2006 und lag 29 % unter dem Wert von 2021.

Während die Statistiken des Gutachterausschusses noch keinen deutlichen Rückgang der Grundstückspreise verzeichnen, sind die Bodenrichtwerte im Gleichschritt in allen Stadtteilen um rund 15 % abgewertet worden. Und so gab auch der Mittelwert aller Stadtteile um 15 % auf 2.088 €/m² Wohnfläche nach – der ersten deutlichen Korrektur seit 14 Jahren.

ESG-Investitionen in den Gewerbeimmobilienbestand

Am Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien hat sich im ersten Halbjahr 2023 (noch) nicht viel bewegt. Trotz der steigenden Mieten in den begehrten zentralen Bürolagen, warten die Käufer. „Die Zinswende hat einerseits die Finanzierungskosten verteuert und andererseits alternative, sichere Anlageoptionen wieder in den Fokus gerückt – Staatsanleihen etwa“, illustriert Andreas Boberski, geschäftsführender Gesellschafter bei Zinshausteam & Kenbo, die veränderten Rahmenbedingungen.

Nach den Zahlen des Gutachterausschusses sank der Umsatz mit Büro- und Geschäftshäusern 2022 bereits auf 1,91 Mrd. Euro – ein Zehnjahrestief und ging gegenüber 2021 um ein Drittel zurück. Und die passenden Baugrundstücke waren noch weniger begehrt. 39.000 m² wurden für 55 Mio. Euro veräußert – die jeweils schwächsten Werte in diesem Jahrtausend.

„Dass die Investoren zurückhaltend sind, liegt auch an den geforderten Investitionen zur energetischen Ertüchtigung des Bestands“, erläutert Boberski. „Das lange nicht ernstgenommene Gespenst der „Stranded Assets“ wird durch die neuen strengen Auflagen auf EU- und Bundesebene – samt der Einführung von Sanktionsmechanismen – möglicher.“

Gleichzeitig führen Desk Sharing und Home-Office zu einer geringeren Auslastung der Büroflächen. Die Unternehmensberatung Combine Consulting verweist Ende Juni auf eigene Untersuchungen, wonach die Auslastung von rund 60 % in der Prä-Pandemiezeit auf 41 % in der Post-Corona-Phase gesunken ist.

„Wenn von den 14 Mio. Quadratmeter Büroflächen in Hamburg 20 % bis 30 % nicht mehr benötigt werden, stehen 2,8 Mio. bis 4,2 Mio. Quadratmeter für anderen Umnutzungen zur Verfügung“, rechnet Boberski vor. „Da sind rein rechnerisch 40.000 bis 60.000 Wohnungen mit 70 m² Wohnfläche.“














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