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18.06.2019 40 Jahre COMFORT – Wie hat sich der Einzelhandelsmarkt verändert?

In diesen Frühsommertagen 2019 wird die COMFORT-Gruppe 40 Jahre alt. Für uns ist das der Ausgangspunkt für den nachfolgenden kurzen Rückblick bzw. Ausblick in die Zukunft des innerstädtischen Einzelhandels.

In den 70er Jahren nahm die Filialisierung des stationären Einzelhandels in Westdeutschland erst richtig Fahrt auf. So wurden im Gründungsjahr der COMFORT 1979 noch knapp zwei Drittel aller Einzelhandelsumsätze in Einbetriebsunternehmen getätigt. H&M, mit seiner konsequenten Vertikalisierung als Paradebeispiel der modernen Filialisierung, eröffnete 1980 seine erste Filiale in Deutschland. Die Betriebsform Fachmarkt steckte auch noch absolut in den Kinderschuhen: So startete beispielsweise Media Markt 1979 mit seinem ersten großflächigen Elektrofachmarkt in München. Es gab damals gerade einmal 60 Shopping-Center in Westdeutschland – heute sind es nach Angaben des Kölner EHI Retail Institutes 483 in Gesamtdeutschland.

Im Zuge von Filialisierung und Vertikalisierung sowie der Etablierung zahlreicher neuer Fachmärkte und Shopping-Center ist die Einzelhandels-Verkaufsflächenausstattung der Bundesbürger erheblich angestiegen. Betrug diese in Westdeutschland 1979 noch pro Einwohner 0,82 m², so sind es heute 1,45 m².

Parallel zur massiven Erweiterung der Einzelhandelsflächen in Gesamtdeutschland sind in diesem Zeitraum auch die Umsätze des Einzelhandels deutlich gestiegen – pro Einwohner um nominal über 170 %. Selbst ohne die zwischenzeitlichen Preissteigerungen beträgt das Umsatzplus pro Einwohner immer noch knapp zwei Drittel.

Im Kontext dieser Gesamtentwicklungen hat sich das Erscheinungsbild der Einkaufsstraßen in den letzten 40 Jahren naturgemäß sehr verändert. Der Filialisierungsgrad in 1A-Lagen der deutschen Großstädte liegt heute bei bis zu 90 % und hat sich damit in vier Jahrzehnten in etwa verdoppelt. Die Branchenvielfalt, in Form von zum Beispiel Spielwaren, Möbel, Hausrat, Eisenwaren, Stoffen und Kurzwaren der 70er Jahre, ist vor allem durch den filialisierten Textileinzelhandel verdrängt worden. Dazu sind ganze Branchen wie Foto und Schallplatten / CDs aufgrund der digitalen Veränderungen nahezu verschwunden. Der Wettbewerbsdruck durch filialisierende Konzepte, stark steigende Mieten und Probleme bei der Unternehmensnachfolge haben inhabergeführte Geschäfte häufig zur Geschäftsaufgabe gezwungen.

Der Online-Handel hat die Monopolstellung von Ladenlokalen gebrochen

In erster Linie bedingt durch den boomenden Online-Handel sind wir nun mitten in einer gewaltigen Veränderung. Der stationäre Einzelhandel befindet sich im größten Strukturwandel seit Einführung der Selbstbedienung in den 60er Jahren und gerät in vielen Nonfood-Bereichen massiv unter Umsatz- und Margendruck. Für die Hauptmieter und früheren Zugpferde der Einkaufsstraßen, dem Modehandel, ist das Mietniveau häufig nicht mehr realisierbar und der Anteil der Textiliten an den Mietabschlüssen sinkt deutlich. Die gebrochene Dominanz der Modebranche und der damit einhergehende Rückgang der Nachfrage an Ladenlokalen ist die Chance der Fußgängerzonen, einen Teil der Branchenvielfalt zurückzugewinnen.

Gastronomieunternehmen, die traditionell wesentlich weniger Miete bezahlen können, drängen seit drei Jahren wieder verstärkt in die zentralen Bereiche der Innenstädte und sogar Branchen wie der Möbelhandel melden sich in den Innenstädten zurück. IKEA wird in Deutschland keine Filialen mehr auf der grünen Wiese eröffnen, sondern experimentiert mit City-Standorten. Der französische Einrichtungshändler Maisons du Monde wird dieses Jahr in einer absoluten Top-1A-Lage, der Hohe Straße 69-71 in Köln, ein Ladenlokal von ESPRIT übernehmen. Klassische Fachmarktlagenkonzepte wie DECATHLON (Sport) oder DÄNISCHES BETTENLAGER (Möbel / Heimtextilien / Deko) haben begonnen, innerstädtische Stores zu eröffnen und die sinkenden Mieten ermöglichen diesen Filialisten jetzt, die gewünschte Expansion in den Fußgängerzonen voranzutreiben.

Und was hat der Makler für Einzelhandelsimmobilien 40 Jahre lang gemacht?

Es gab 1979 in Deutschland kaum einen Makler, der sich auf die Vermittlung von Einzelhandelsimmobilien spezialisiert hatte. Dieses Marktsegment war damals vollkommen intransparent. Es waren weder Gewerbemakler aktiv, die deutschlandweit auch Ladenlokale vermittelten, noch gab es Veröffentlichungen zu Mieten oder Passantenfrequenzen. Ganz im Gegenteil – die Markdaten wurden abends sorgsam im Tresor verstaut.

Die bedeutenden Marktplayer der letzten Jahrzehnte haben überhaupt noch nicht existiert oder wie Kemper’s (damals noch Rena Kemper Immobilien) und COMFORT zum Beispiel nicht einmal als reine Gewerbemakler begonnen, sondern anfangs auch Wohnungen vermittelt.

Ausgelöst durch den plötzlichen Stopp des Bauherrenmodels entwickelte sich 1983 eine enorme Immobilienmarktkrise, in der sich weder Wohnungen noch Büros vermitteln ließen. Der COMFORT-Gründer Matthias E. Bechtle nahm dies zum Anlass, sich ab diesem Zeitpunkt komplett auf die Vermittlung von Einzelhandelsimmobilien zu konzentrieren. In den ersten Jahren beschränkte sich die COMFORT ausschließlich auf Nordrhein-Westfalen, bevor man 1988 mit dem Büro in Stuttgart als erster Einzelhandelsmakler überhaupt eine Dependance eröffnete. Der Spezialist für Filialisten begann selbst zu filialisieren und betreibt heute im Rahmen eines Partnerschaftsmodells sechs Standorte in den Städten Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig, München und Wien.

Bedingt durch den starken Wandel im Einzelhandel in den letzten 40 Jahren, hat sich auch die operative Tätigkeit der Makler verändert. Zu Beginn suchte man in Kleinstarbeit Händler, die regional oder deutschlandweit expandieren wollten. Also potenzielle Mieter, die man dem Eigentümer vorstellen konnte. Zu Beginn der 90er war die Nachfrage seitens des Einzelhandels dann so groß, dass ein Makler nur erfolgreich vermitteln konnte, wenn er das Wissen über verfügbare Flächen hatte.

Eine enge Bindung zu den Eigentümern war zu dieser Zeit der Schlüssel zum Vermietungs-Deal. Mögliche Mieter gab es genügend und diese waren auch zum großen Teil allen Markteilnehmer bekannt. Die folgenden 25 Jahre waren im Grunde genommen gekennzeichnet durch einen Engpass an Verfügbarkeit von Ladenlokalen in den begehrten Lagen. Der Makler, der ein intensives Vertrauensverhältnis zum Eigentümer hatte, war der Erfolgreiche.

Diese hohe Flächennachfrage und die sich verändernden Anforderungen der Filialisten sorgten besonders ab den 1990er Jahren für eine rege und stetig zunehmende Bautätigkeit. Nun wurde das spezialisierte Wissen des Einzelhandelsmaklers von Architekten, Projektentwicklern, Hauseigentümern und später auch Kommunen immer häufiger nachgefragt, sodass die Beratung zur zukunftsfähigen Flächenkonzeption und bedarfsorientierten Stadtgestaltung einen wachsenden Raum in der Tätigkeit einnahm. Die bis dahin in nahezu jeder Stadt mehrfach anzutreffenden, nicht mehr bedarfsgerechten „Sackgassenpassagen“ verschwanden zunehmend und machten neuen Konzepten Platz. Dieser Beratungsbedarf führte 2001 zur Gründung der COMFORT Center Consulting, die maßgebliche Mitwirkung an der Gestaltung von teils prominenten Neubauten wie die „Münster Arkaden“ im westfälischen Münster oder der Funktionsoptimierung von Bestandsbauten wie das „Sevens“ in Düsseldorf innehatte.

Aber nicht nur der Markt für Einzelhandelsimmobilien, vielmehr der gesamte gewerbliche Immobilienmarkt wandelte sich in diesen 40 Jahren grundlegend. War dieser Markt in den 1980er Jahren noch weitgehend regional, um nicht zu sagen provinziell geprägt und vollkommen intransparent, so steigerten sich die Erwartungen der Kunden mit der zunehmenden Globalisierung rasant. Der gewerbliche Immobilienmarkt in Deutschland musste sich den internationalen Standards angleichen, neue Begriffe, Bewertungsmethoden, Gepflogenheiten lernen und immer häufiger in unterschiedlichen Fremdsprachen verhandeln. So kann heute kein namhafter Gewerbemakler mehr auf eine eigene Marktforschungsabteilung verzichten, die Marktdaten und Trends laufend analysiert, Änderungen prognostiziert und häufig publiziert. Auch COMFORT kam dieser Entwicklung mit Gründung der COMFORT Research & Consulting im Jahr 2011 nach.

Vor dem Hintergrund des Verlustes der dominierenden Stellung der Ladenlokale bedingt durch den boomenden Online-Handel ist nun die große Herausforderung für den Einzelhandelsmakler, mietwillige und zahlungskräftige Retailer zu finden. Wie am Anfang vor 40 Jahren muss sich der Makler im Kern seiner erfolgreichen Tätigkeit wieder ganz auf das Finden eines passenden Mieters konzentrieren. Dies allerdings stellt in der globalisierten Welt völlig andere Anforderungen an die Beteiligten als in den 1980er Jahren. Waren damals Telex und Jahre später Fax das schnellste Kommunikationsmittel, haben wir heute digital viel weitreichendere Kommunikations-, Darstellungs- und Präsentationsmittel. Ähnlich wie sich der technische Wandel vollzog, änderte sich die Mieter-, aber auch Eigentümerstruktur. Während der Markt 1980 nahezu vollständig von inländischen Mietnachfragern dominiert wurde, sind es heute in der Mehrzahl internationale und globale Marken, die Flächen in Deutschlands Toplagen nachfragen. Während 1990 knapp 10 % der Immobilien in den Toplagen im Eigentum institutioneller Anleger lagen, beträgt ihr Anteil heute ein Mehrfaches davon. Reichte es früher aus, sich im Urlaub in Paris, London oder Mailand umzuschauen, ist heute die Kenntnis neuer Entwicklungen weltweit unerlässlich.

Diese Erwartung frühzeitig erkennend, nahm COMFORT 1989 den damals größten Gewerbemakler in Deutschland, Müller International (heute BNP) mit Büros in London und Paris und europaweitem Netzwerk, in den Gesellschafterkreis auf. Heute bilden vielfache Netzwerke, unter anderem die Kooperation mit dem global agierenden Gewerbemakler Cushman & Wakefield, die Informationsgrundlage. Denn makeln bedeutet im Kern ja einfach nur, Informationen richtig zu verarbeiten, zu kombinieren und an zwei interessierte Parteien zu leiten. Dies war vor 40 Jahren so und dies alleine hat sich bis heute nicht verändert.

Wie haben sich die Einzelhandelsmieten in den letzten 40 Jahren entwickelt?

Im Zuge der dargestellten Umsatzentwicklung, Filialisierung und weiteren Professionalisierung des Einzelhandels sind die Einzelhandelsmieten bundesweit deutlich angestiegen - besonders ausgeprägt in den Top-Einkaufsmetropolen. Nimmt man die Top-7-Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart, so hat sich hier die durchschnittliche High Streets-Spitzenmiete von - umgerechnet von DM auf EUR - rund 95 EUR/m² in 1979 auf heute 305 EUR/m² erhöht. Das ist ein nominales Plus von stattlichen rd. 220 % und insofern mehr als der nominale Umsatzzuwachs.

Auch in den anderen Städten ging es nach oben, wenngleich bei weitem nicht so ausgeprägt. So rangieren die Mietsteigerungen der letzten 40 Jahre in guten mittelgroßen Einkaufsstädten wie z.B. Mannheim in einer Größenordnung von deutlich über 100 %. In Münster und Heidelberg liegen sie knapp unter 100 % oder in Bonn bei rd. zwei Drittel.

Als wesentliche Bestimmungsgründe der gestiegenen Ladenmieten sind jenseits der Umsatzentwicklung insbesondere die erheblichen strukturellen Veränderungen der Branche zu berücksichtigen: So ermöglichen heute u.a. die Vertikalisierung des Einzelhandels, mit dem Wegfall ganzer Wertschöpfungsstufen (Großhandel u.a.) zusammen mit dem quasi weltweiten Sourcing beim Konsumgütereinkauf und der gewachsenen Substitution von Personal durch Verkaufsfläche, erfolgreichen Retailern eine völlig andere Kalkulation als ihren Pendants vor 40 Jahren.

Was erwartet uns in den nächsten 10 Jahren?

Das fortlaufende Verkaufsflächenwachstum ist zu Ende. Die nächsten Jahre stehen im Zeichen der Konsolidierung – es werden nie wieder so viele Einzelhandelsflächen benötigt werden, wie dies in der Vergangenheit der Fall war.

Aber auch in Zukunft werden die im Wandel befindlichen Innenstädte unverzichtbar bleiben: als d i e zentralen urbanen Erlebnisräume, die neben Shopping und Gastronomie auch durch andere Bereiche wie u.a. Arbeit, Kommunikation sowie Architektur, Kultur und als soziale Treffpunkte weit mehr zu bieten haben.

Entsprechend werden Toplagen in Top-Städten auch nachhaltig nie größeren Leerstand aufweisen. Die Zentralität dieser Lagen wird zukünftig neben Shopping und Essen gehen verstärkt auch durch andere Nutzungen wie Büro, Entertainment, Wohnen oder Hotel übersetzt.

Die Einkaufslagen werden sich verkürzen und die Mieten vor allem in den Randbereichen deutlich sinken. In den 1A-Lagen der Top-Städte jedoch suchen die Retailer die Darstellungskraft des Stores - vor allem der Fassade - für ihre Marke. Dieses Branding ist auch für den erfolgreichen Online-Vertrieb notwendig.

Immer mehr Markenshops drängen in diese weiterhin hoch frequentierten Citylagen, um ihre Marke dort über große und gerne mehrgeschossige Schaufensterfronten bestmöglich zu präsentieren. Dieses besondere Erlebnis ist den Marken auch hohe Mieten wert und rentiert sich für diese final.

Generell wird im Einzelhandel die Trennung von online und offline zunehmend verschwinden. Die Warenbestände in den Geschäften werden digital sichtbar gemacht und bei Online-Suchanfragen regional genauso auffindbar sein wie die Angebote von Ebay, Zalando oder Idealo. Somit wird das Geschäft in der Fußgängerzone zum einen ein Raum des Erlebniseinkaufes sein und zum anderen eine „Logistikfläche“, von der aus Ware versendet wird bzw. sich der Kunde die online bestellte Ware abholt.

Insgesamt wird der Innenstadt-Einzelhandel in Zukunft weniger „textil“ daherkommen. Aufgrund der bröckelnden Mieten kommen deutlich mehr Hartwaren-Anbieter wie DECATHLON, JD SPORTS, Søstrene Grene oder HEMA zum Zuge. Auch im periodischen Bedarf sehen wir zukünftig zunehmend attraktive Ladenkonzepte in den Innenstädten. EDEKA und REWE experimentieren mit flexiblen City-Formaten – vom kleinen „To-Go“ bis zu großen genussorientierten Angeboten – und die Biomärkte wie ALNATURA, denn’s oder BIO COMPANY werden zahlreicher. Ebenso die Discounter, vornan ALDI und LIDL, kommen zurück. Zudem werden die innerstädtischen Drogeriemärkte von dm, ROSSMANN und Müller immer häufiger und mit der Kooperation von EDEKA mit Budnikowsky kommt ein neuer Player dazu.

Last, but not least, steht hierzulande ein weiteres Voranschreiten der Internationalisierung der Einzelhandelsbranche zu erwarten. Da Deutschland auf längere Sicht ein großer wohlhabender Absatzmarkt auch im globalen Maßstab bleiben wird, markieren die jüngsten Markteintritte namhafter Labels à la SEPHORA, UNIQLO oder MINISO noch keineswegs das Ende der Fahnenstange.

Für die Zukunft der Innenstädte können diese aktuellen Entwicklungen nur gut geheißen werden: weniger Monotonie durch wiederkehrende Branchenvielfalt und mehr Aufenthaltsqualität. Also genau die Entwicklungen, die benötigt werden, um Attraktivität und Frequenz zu sichern. Die zentralen Innenstadtlagen werden insofern auch weiter nachhaltig die begehrtesten, hochpreisigsten und sichersten Immobilienanlagen in unseren Städten abbilden. Wenn sich nun deren Struktur seit langer Zeit - und zwar auch dank des Online-Handels - ändert, so ist das im Interesse der Anbieter- und Nutzungsvielfalt nur spannend und sehr begrüßenswert.








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