News RSS-Feed

22.09.2020 Moses Mendelssohn Stiftung baut Gedenk-Campus mit 150 Wohnungen

Die gemeinnützige Moses Mendelssohn Stiftung errichtet am Berliner S-Bahnhof Grunewald nahe zum dortigen Mahnmal Gleis 17 einen Gedenk-Campus. Entstehen soll eine Kombination von Erinnerungsstätte, Forschungseinrichtung sowie 150 Apartments für Studierende. Der Campus wird an die mehr als 50.000 Berliner Jüdinnen und Juden erinnern, die ab Herbst 1941 vom Gleis 17 mit Zügen der Deutschen Reichsbahn in Arbeits- und Konzentrationslager deportiert wurden. Die Moses Mendelssohn Stiftung hat für das Projekt ein Gelände erworben, das an das Mahnmal Gleis 17 angrenzt. Bei diesem Mahnmal erinnert seit 1991 eine Betonmauer mit Negativabdrücken menschlicher Körper an die langen Wege und Märsche zu den Deportations-Bahnhöfen. Bautechnisch geplant und realisiert wird das Campus-Projekt durch die Frankonia Vermögensverwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft.

Auf dem Campus werden Studierende unterschiedlicher Disziplinen und aus verschiedenen Ländern gemeinsam wohnen und lernen. „Die unmittelbare Nähe zum Mahnmal Gleis 17 soll für angehende Wissenschaftler Motivation sein, sich mit dem historischen Ort auseinander zu setzen“, erklärt Prof. Dr. Julius H. Schoeps, Vorstandsvorsitzender der Moses Mendelssohn Stiftung und Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam (MMZ). „Es geht uns darum, ein innovatives und integratives Ausstellungs-, Vermittlungs- und Wohnkonzept zu entwickeln.“ Für dessen konkrete Ausgestaltung verantwortlich ist die Kultur- und Sozialwissenschaftlerin Dr. Elke-Vera Kotowski: „Unser Konzept soll innovativ sein und gleichzeitig viele gesellschaftliche Gruppen und wissenschaftliche Richtungen integrieren.“

Konkret ist bereits die Benennung des Campus. Studierendenapartments der Moses Mendelssohn Stiftung werden traditionell nach Persönlichkeiten benannt, die im deutsch-jüdischen Kontext von Bedeutung sind. Der Campus am S-Bahnhof Grunewald wird nach der Kinderbuchautorin Else Ury (1877–1943) benannt, Verfasserin der seinerzeit weit verbreiteten Kinderbuchreihe „Nesthäkchen“. Else Ury wurde im Alter von 65 Jahren von Berlin aus in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort am 13. Januar 1943 ermordet. „An diese wichtige, aber heute weitestgehend vergessene Vertreterin des deutschen Judentums soll der Campus erinnern“, begründet Dr. Kotowski.

Im Erdgeschoss eines der drei geplanten Gebäude wird die Stiftung eine Dauerausstellung zu den historischen Hintergründen des Mahnmals Gleis 17 entwickeln. „Wir wollen, dass hinter den Namenlosen und den nackten Zahlen die Menschen wieder sichtbar werden, die von hier aus in die Todeslager transportiert wurden“, bemerkt der Vorstandsvorsitzende Schoeps. Um die Biografien und Schicksale möglichst umfassend darzustellen, wird eine Datenbank angelegt, die alle Informationen der von Gleis 17 sowie den übrigen Berliner Bahnhöfen Deportierten in Erinnerung ruft. Die Bedeutung dieses Vorhabens unterstreicht auch Charlotte Knobloch. Die ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland hat die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen.

Die für Studierende und Auszubildende geplanten Apartments werden durchschnittlich 20 Quadratmeter groß und voll möbliert sein, sie bieten ein eigenes Bad sowie eine Küchenzeile. „Es gibt bereits 24 Wohngebäude in Deutschland und Österreich, die nach diesem Förderkonzept entstanden und nach jüdischen Persönlichkeiten benannt sind“, erläutert Schoeps. „In Berlin existiert bereits das David Friedländer Haus in der Kaiserin-Augusta-Allee, direkt an der Spree.“ Das Haus erinnert an den 1750 geborene Aufklärer, der sich – zunächst gemeinsam mit Moses Mendelssohn und noch intensiver nach dessen Tod – für die Emanzipation der Juden einsetzte.

In Anlehnung an die „Allee der Gerechten“ in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem soll auf dem Gelände im Grunewald zudem ein „Hain der Gerechten“ entstehen. Dort soll jener Menschen gedacht werden, die sich trotz der drohenden Sanktionen durch die NS-Diktatur der verfolgten Jüdinnen und Juden angenommen haben. Geplant sind dafür Informationsstelen im Außenbereich.

Die Stiftung wird das Vorhaben mit eigenem Personal und Projektmitteln betreiben, setzt aber bei einzelnen Projekten auf Kooperationen und Vereinbarungen mit anderen Gedenkorten im Berliner Raum. Kooperationen wird es zudem mit den Hochschulen der Region geben. Studierende unterschiedlicher Fachdisziplinen sollen künftig Konzepte für die Geschichtsvermittlung und die Gedenkkultur erarbeiten.








Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!