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20.11.2013 Ausstieg aus Immobiliendarlehen bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung

Wegen „Fehlerhafter Widerrufsbelehrungen“ können laufende Hypotheken-Darlehensverträge auch nach Jahren widerrufen werden. Darlehensnehmer können somit viel Geld sparen, da heute wesentlich zinsgünstigere Darlehen angeboten werden als noch vor einigen Jahren. Obwohl die Rechtslage nach Meinung vieler Experten zugunsten der Darlehensnehmer spricht, weigern Banken und Sparkassen sich oftmals, einen Widerruf anzuerkennen. Dann kann nur der Gang zu Gericht Klarheit schaffen. Viele Immobilieneigentümer und Darlehensnehmer scheuen wegen des Kostenrisikos Rechtsstreitigkeiten mit ihrer kreditgebenden Bank oder Sparkasse. Doch diese Sorge ist nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) unbegründet. Danach muss die Rechtsschutzversicherung die Kosten eines Rechtsstreits übernehmen (Urteil vom 24.04.2013, Az.: IV ZR 23/12).

Hintergrund: Die Widerrufsbelehrung ist obligatorischer Bestandteil eines Darlehensvertrags mit Privatpersonen. Wichtig: „Falls die Bank oder Sparkasse als Kreditgeber den vom Gesetzgeber vorgegebenen Mustertext nicht sowohl inhaltlich wortgetreu wiedergibt als auch optisch deutlich darstellt, gehen mögliche Unrichtigkeiten zulasten des Geldinstituts“, erklärt Amin Wahlenmaier, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Partner der Kanzlei TREWIUS in Eislingen.
Rechtliche Grundlage für alte Fälle bis zum 11.6.2010 ist die „Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach Bürgerlichem Recht“ (auch „BGB-Informationspflichten-Verordnung“, kurz: „BGB-InfoV“ genannt). Für alle später abgeschlossenen Darlehen gelten die Regelungen des EGBGB – „Einführungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuches“.

Fachanwalt Wahlenmaier schätzt, dass mindestens zwei Drittel aller seit dem Jahr 2002 mit Privatpersonen abgeschlossenen Darlehensverträge, insbesondere solche zur Finanzierung von selbst genutztem Wohneigentum, fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten. „In allen diesen Fällen hat die Widerrufsfrist von zwei Wochen grundsätzlich nicht zu laufen begonnen. Somit können diese Darlehensverträge auch noch nach Jahren widerrufen und rückgängig gemacht werden“, erklärt TREWIUS-Partner Armin Wahlenmaier. Rechtliche Grundlage ist unter anderem eine BGH-Entscheidung vom 26.07.2011 unter dem Aktenzeichen XI ZR 349/10.

Wenn es zum Streit zwischen Banken und Sparkassen einerseits und Kreditnehmern andererseits kommt, hängt vieles davon ab, ob der Darlehensnehmer eine Rechtsschutzversicherung hat, die für die Kosten des Rechtsstreits aufkommt. Bislang haben sich die Versicherungsunternehmen in vielen Fällen darauf berufen, dass die Rechtschutzversicherung nicht eingreife, weil der konkrete Versicherungsvertrag erst nach dem betreffenden Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. Die Versicherungen verweigerten die Kostenübernahme mit dem Argument der „Vorvertraglichkeit“. Jetzt hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dies nicht zutrifft. Versicherungsschutz besteht im Grundsatz immer dann, wenn der Rechtsschutzfall nach Abschluss des Versicherungsvertrags eingetreten ist und etwaige Wartefristen abgelaufen sind. In vielen dieser Ablehnungsfälle lag der Abschluss des Darlehensvertrags vor dem Abschluss des jeweiligen Rechtsschutz-Versicherungsvertrages. Somit konnten die Versicherer in vielen Fällen die Kostenübernahme ablehnen.

Dieser Argumentation widersprach das höchste deutsche Zivilgericht. Kernaussage: „Für den BGH tritt der Rechtsschutzfall in dem Zeitpunkt ein, in dem sich die kreditgebende Bank oder Sparkasse weigert, den Widerruf des Kreditnehmers zu akzeptieren. Es kommt also nicht auf den Zeitpunkt an, an dem der Darlehensvertrag abgeschlossen wurde“, erläutert Fachanwalt Armin Wahlenmaier. Dies bedeutet: Wurde der Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen und ist die versicherungsvertragliche Wartefrist abgelaufen, bevor die Bank sich weigerte, zu akzeptieren, muss der Rechtsschutzversicherer die Kosten eines Rechtsstreits übernehmen. Unerheblich ist dabei, wie viele Jahre zuvor der Darlehensvertrag unterschrieben wurde.

Nach Einschätzung von TREWIUS-Partner Wahlenmaier „hat das BGH-Urteil für betroffene Darlehensnehmer erhebliche finanzielle Vorteile. Im Einzelfall können das gleich mehrere 10.000 Euro sein.“ Viele Darlehensnehmer fürchten das enorme Kostenrisiko, so dass sie von vornherein darauf verzichten, ihre Ansprüche geltend zu machen. Bei einem Hypotheken-Darlehen von 200.000 Euro beispielsweise können sich Gerichts- und Anwaltskosten auf insgesamt 20.000 Euro summieren. Da verzichten viele Häuslebauer, insbesondere junge Familien mit Kindern, deren Finanzierung nicht selten auf Naht genäht ist, lieber auf eine Auseinandersetzung mit ihrer Bank oder Sparkasse.

„Dank des jüngsten BGH-Urteils ist nunmehr in vielen Fällen ein Rechtsstreit ohne Kostendruck möglich“, sagt Armin Wahlenmaier. Entsprechend groß ist die Chance für Darlehensnehmer, auf Basis eines positiven Gerichtsentscheids oder eines außergerichtlichen Vergleichs mehrere 10.000 Euro Darlehenszinsen zu sparen. Die Rechnung eines Kreditnehmers ist denkbar einfach: Wer jetzt ein Hypotheken-Darlehen abschließt, zahlt dank des historisch günstigen Baugelds zwischen 2 und 3 Prozentpunkte weniger als für den alten Kredit, der dank fehlerhafter Widerrufsbelehrung auf- und abgelöst werden kann. Bei einer erneuten Zinsbindungsfrist von 10 oder 15 Jahren und 200.000 Euro Darlehensbetrag kann die gesamte Zinsersparnis im Einzelfall deutlich mehr als 50.000 Euro betragen.
Wichtig: Verbraucherzentralen und Anwälte wie Armin Wahlenmaier sind sich einig und empfehlen privaten Kreditnehmern deshalb eindringlich, „laufende Darlehensverträge von einem versierten Fachanwalt im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Widerrufsbelehrung überprüfen zu lassen. Ob die Rechtsschutzversicherung eintreten muss, prüft der Anwalt in der Regel ebenfalls.“


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