News RSS-Feed

30.06.2014 Wohnungsmarkt: Baut Berlin am Bedarf vorbei?

Die Zahl der neu gebauten Wohnungen in Berlin wächst - ebenso wie die Zahl der Baugenehmigungen. Insofern sollte eigentlich eine Entspannung am Wohnungsmarkt zu erwarten sein. Doch unter Wohnungsmarkt-Experten machen sich erste Zweifel breit. Denn das, was gebaut wird, ist nicht das, was die Bewohner der Stadt heute und in Zukunft brauchen. Zu diesem Ergebnis gelangte jetzt die Fachtagung des Beratungsunternehmens Analyse & Konzepte zum Berliner Wohnungsmarkt. Zu viele teure Eigentums- und Mietwohnungen und zu wenig Wohnraum für Zugezogene mit eher geringer Kaufkraft – das sind die Kritikpunkte an der derzeitigen Entwicklung des Berliner Wohnungsmarktes. Für die kommenden Jahre sei ein Ausweichen auf Stadtteile wie Moabit, Lichtenberg, den Wedding oder Neukölln zu erwarten.

Wie die Marktdaten zeigen, gewinnt der Wohnungsneubau in der Hauptstadt weiter mächtig an Fahrt: Nach 5.417 Baufertigstellungen im Jahr 2012 kamen im vergangenen Jahr schon 6.641 neue Wohnungen auf den Markt. Während es 2010 nur 1,2 neue Wohnungen je 1.000 Einwohner waren, stieg die Zahl im Jahr 2013 auf 1,9.

Das ist zwar im Vergleich zu München immer noch sehr wenig, dort entstanden im Jahr 2013 5,4 neue Wohnungen je 1.000 Einwohner, und auch Hamburg weist mit 3,5 Wohnungen eine wesentlich höhere Zahl auf. Doch die Zahl der Baugenehmigungen in Berlin deutet auf weitere, deutliche Steigerungen hin: So wurde in der Hauptstadt 2013 der Bau von 12.518 neuen Wohnungen genehmigt und im ersten Quartal 2014 waren es allein 4.394 Wohneinheiten.

Teure Eigentumswohnungen treffen auf geringe Budgets

Fraglich ist aber, wie gut der Neubau tatsächlich die Nachfrage befriedigen kann. Denn in Berlin werden mehr als 90 Prozent der neuen Wohnungen von Projektentwicklern und privaten Bauherren erstellt. Hieraus resultiert eine spezifische Struktur des Wohnungsneubaus: So wurde 2013 mit 41,4 Prozent ein sehr großer Teil als Eigentumswohnungen errichtet. In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg (65 Prozent) und Mitte (52 Prozent) waren es im Jahr 2012 sogar jeweils mehr als die Hälfte. Durch die Konzentration auf dieses Segment und die attraktiven, teuren Lagen findet der größte Teil des Neubaus im gehobenen und hochpreisigen Marktsegment statt.

Auf der anderen Seite ergibt sich das dynamische Bevölkerungswachstum Berlins zum allergrößten Teil aus Zuzügen aus dem Ausland und aus der Gruppe der 20- bis 30-Jährigen; hierunter befinden sich sehr viele Studierende und Berufsanfänger mit geringem Einkommen. Unter den Zuzügen befinden sich zwar auch Haushalte mit einem überdurchschnittlichen Einkommen, der überwiegende Teil verfügt aber über eine eher geringe Wohnkaufkraft – und kann sich entsprechend die hochpreisigen Eigentumswohnungen nicht leisten, die jetzt in den Szenevierteln entstehen.

Mieten und Kaufpreise stagnieren bereits

Noch findet der Wohnungsneubau in Berlin zwar seine Abnehmer. Nach Einschätzung von Analyse & Konzepte wird aber in den nächsten Jahren das Risiko für Fehlplanungen steigen. Denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass im hochpreisigen Segment die Kaufpreise und Mieten stagnieren. Bei steigenden Neubauzahlen im teuren Bereich dürfte sich diese Tendenz in den kommenden Jahren verstärken. Die Folge wären dort sinkende Kaufpreise und Mieten. „In Berlin wird sich auch in den nächsten Jahren die dynamische Entwicklung fortsetzen. Beim Wohnungsneubau werden aber die Stadtgebiete wesentlich stärker in den Mittelpunkt rücken müssen, in denen sich zum Beispiel aufgrund geringerer Bodenpreise auch weniger kostspielige Wohnungen errichten lassen“, lautet die Einschätzung von Matthias Klupp, Mitglied der Geschäftsleitung von Analyse & Konzepte.

Ausweichstandorte Neukölln und Moabit

Analyse & Konzepte hat hierzu den Mietwohnungsmarkt der Hauptstadt nach Typen differenziert; dabei sind das Mietniveau und die Entwicklung der Angebotsmieten in den Jahren 2008 bis 2013 eingeflossen. Wie die Karte zeigt, weisen die am stärksten nachgefragten Stadtteile, darunter Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg, Charlottenburg und Wilmersdorf, ein deutlich überdurchschnittliches Mietniveau und überdurchschnittliche Mietsteigerungen in den vergangenen fünf Jahren auf (Wohnungsmarkttyp „hochpreisig-dynamisch“). Zu den Stadtgebieten, die ein durchschnittliches Mietniveau aufweisen, aber durch überdurchschnittliche Mietsteigerungen gekennzeichnet sind, gehören zum Beispiel Neukölln, Lichtenberg, Moabit und der Wedding (Wohnungsmarkttyp „durchschnittlich-dynamisch“). Diese Bereiche rücken als Ausweichstandorte zunehmend in den Fokus der Nachfrager. Eine vergleichsweise stabile Situation mit einem unterdurchschnittlichen Mietniveau findet sich etwa in den Stadtteilen Alt-Hohenschönhausen, Marzahn, Hellersdorf und Friedrichsfelde (Wohnungsmarkttyp „unterdurchschnittlich-stabil“).

„Unsere Analysen zeigen“, so Matthias Klupp, „dass in Berlin der Wohnungsneubau ein Niveau erreichen wird, das zu einer Entspannung am Wohnungsmarkt führen kann. Zunehmend wird es aber wichtig sein, dass Wohnungen nicht nur in den hochpreisigen Segmenten und Lagen errichtet werden, sondern auch mit mittlerem und günstigerem Preis- und Mietniveau. Hierzu sollten sich die Investoren stärker als bisher an den unterschiedlichen Zielgruppen und ihren Wohnwünschen orientieren und auch Wohnbaustandorte in Berlin ins Auge fassen, die bisher noch nicht im Scheinwerferlicht stehen. Sonst bestehe die Gefahr, dass der zukünftige Wohnungsneubau an der Nachfrage vorbeigeht.“



Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!