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05.09.2014 Sanktionen: Auswirkungen auf russischen Gewerbeimmobilienmarkt

Die Eskalation der US- und EU-Sanktionen gegen Russland wird beträchtliche Auswirkungen auf den russischen Gewerbeimmobilienmarkt haben. Die wichtigste Sanktion ist der erschwerte Zugang zu US- und EU-Finanzmärkten für russische Staatsbanken. Bei erhöhter Risikowahrnehmung wird die effektive Schließung der EU als Handelsplatz für Erst- und Zweitemissionen russischer Unternehmen ebenso Auswirkungen mit sich bringen wie die allgemeine Verschlechterung der Makro-Ökonomie. Letztere freilich in beiden Richtungen. Denn die Intensivierung der Handelsbeziehungen Russlands mit China wird auch die europäische Wirtschaft beeinflussen.

Die Wirtschaft und der Rubel werden unter Druck geraten

Der russische Gewerbeimmobilienmarkt ist prinzipiell in guter Verfassung, selbst nach den jüngsten ökonomischen Zwangsmaßnahmen. Der riesige russische Markt für Einzelhandelsimmobilien ist mit einem Volumen von $750 Mrd. (2014) in Begriff, in Bezug auf den Bestand an Einkaufszentren der zweitgrößte Markt in Europa - nach Großbritannien - zu werden (potentiell 18 Mio. m² bis zum Jahresende 2014) bei einer Gesamt-Leerstandsquote von lediglich 3,5%. Der Büro-Immobilienmarkt ist der zweitgrößte in Europa in Bezug auf gehandelte Flächen (523.000 m² im 1. Halbjahr 2014), bei einem weiterhin beträchtlichen Mangel an qualitativ hochwertigen Flächen (lediglich 0,23 m² an 1A-Büroflächen pro Moskauer Bürger – weniger als ein Zehntel dessen, was New-Yorkern zur Verfügung steht). Ebenso wie der Büroflächenmarkt verzeichnet der Markt für Lagerflächen steigende Leerstandsquoten in Anbetracht der großen Bestände, die in diesem Jahr auf den Markt kommen werden (630.000 m² in H1), liegt jedoch immer noch deutlich unter den durchschnittlichen Leerstandsquoten in Europa (4,4% gegenüber 7-10 %) und bei einer Flächenversorgung von lediglich 0,8 m² pro Kopf gibt es noch ein erhebliches Wachstumspotential. „Trotz dieses gesunden Hintergrunds werden sich Projektentwickler, solange Sanktionen verhängt werden, an ein neues Umfeld mit schwächerem Wachstum, weniger Investitionen und einer sich abschwächenden Verbrauchernachfrage anpassen müssen“, so Tom Mundy, bei JLL Head of Research Russia & CIS. JLL sieht drei Bereiche, die betroffen sein werden:

Zunächst einmal werden mit zunehmender Anspannung des inländischen Kreditmarkts Verbraucherkredite teurer mit zusätzlichem Druck auf einen bereits angespannten Markt. „In Verbindung mit niedrigeren Lohnsteigerungen auf dem privaten und öffentlichen Sektor werden die Einzelhandelsumsätze unter Druck geraten, was ein schwierigeres Umfeld für die Vermieter von Einzelhandelsimmobilien schaffen wird. Diese Entwicklung wird verschärft durch den Inflationsdruck infolge des von Russland verhängten Einfuhrverbots für Agrarprodukte aus Ländern, die ihrerseits Sanktionen gegen Russland verhängt haben“, meint Tom Mundy. Die Inflation der Lebensmittelpreise belief sich im Juli 2014 auf 9,8% und im derzeitigen Umfeld gehen wir davon aus, dass sie weiter unter Druck bleiben werden. Langfristig könnte dies weitreichende Auswirkungen auf die Mieten und Leerstandsquoten haben, die bereits nachgeben, insbesondere in Anbetracht des prognostizierten Rekordvolumens von 750.000 m² in Einkaufszentren, das in Moskau dieses Jahr auf den Markt kommen wird. „Für die Entwickler von Wohnimmobilien wird der Hypothekenmarkt, der im bisherigen Jahresverlauf robust war, ebenfalls schwieriger werden, wenngleich dies wahrscheinlich durch eine zunehmende Anzahl russischer Verbraucher aufgewogen wird, die nach sicheren Anlagen suchen“, so Tom Mundy weiter.

Zweitens könnte es Auswirkungen auf den Umsatz von Büroimmobilien geben, der eng mit der BIP-Entwicklung des Landes verbunden ist. Mit einem Büroflächenumsatz von 523.000 m² im ersten Halbjahr 2014 (-28% im Jahresvergleich) und einem prognostizierten Gesamtjahresumsatz von 1,3 Mio. m² ist der Moskauer Markt in diesem Jahr bereits leicht rückläufig. Sollten die Sanktionen jedoch länger als drei Monate andauern und Investitionen bis ins nächste Jahr hinein weiterhin auf Eis liegen, ist es schwer nachvollziehbar, wie das BIP über das für 2015 vielfach prognostizierte Niveau von unter 2% hinaus ansteigen soll. „Vorausgesetzt, dass der Büroflächenmarkt in Moskau in diesem Jahr mit einem Umsatz von 1,3 Mio. m² gegenüber einem Angebotszuwachs von 1,2 Mio. m² recht ausgewogen sein wird, müssen wir unsere Gesamt-Leerstands-Prognose von 15% eventuell nach oben hin korrigieren. Die große Unbekannte bleibt somit einmal mehr, inwieweit Vermieter den offensichtlichen Druck auf die Mieten in ihre Cash Flow-Prognosen miteinrechnen“, betont Tom Mundy.

Drittens könnte es Auswirkungen durch den Rubel geben. Wenn der Markt die Stärke der Wirtschaft und die Nachhaltigkeit der Regierungspolitik in Sachen staatlicher Devisenreserven infrage stellt, könnte der Rubel unter den gleichen Druck geraten wie im ersten Quartal des Jahres. Damals war zu beobachten, wie viele Mieter darauf drängten, ihre Mietvertragsbedingungen neu zu verhandeln oder einen festen Wechselkurs-Korridor einrichten bzw. wollten ihre Verträge auf Rubel umstellen. Diese Entwicklung ließ im zweiten Quartal wieder nach, als der Rubel sich stabilisierte. „Wir wären jedoch nicht überrascht, wenn es in der zweiten Jahreshälfte nicht wieder vermehrt zu solchen Aktivitäten käme“, notiert Tom Mundy.


Russische Immobiliengesellschaften werden aus dem europäischen Eigenkapitalmarkt ausgeschlossen werden

Das weitreichende Privatisierungsprogramm der Regierung wurde vor ein paar Jahren praktisch ad acta gelegt und der Markt ist seither lediglich für ein paar wenige ausgesuchte verbraucherorientierte Betriebe oder IT-Unternehmen geöffnet. Der russische Immobilienmarkt, der vor der Krise 2008 der Liebling des Londoner IPO-Marktes war, befand sich auf der Schwelle zum Comeback unter den europäischen IPOs oder SPOs innerhalb der nächsten 6 bis 12 Monate. Trotz des Erfolgs, den russische Projektentwickler seit der Krise 2008-2009 verzeichnet haben, und des zunehmenden Vertrauens in ihr Management, ist dieser Markt nun effektiv verschlossen, solange das Risikoniveau erhöht ist. „Wir stellen fest, dass MSCI, die den Referenz-Index MSCI Russia erstellen, nicht nur die Berücksichtigung der VTB-Bank im Index bereits in Frage gestellt haben, sondern unlängst eine Reihe von Schwellenmarkt-Indizes lanciert haben, die Russland für Investoren, die nicht in russische Aktien investieren wollen, ausdrücklich ausschließen. Dies ist keine gesunde Kulisse für Unternehmen, die für ihren Börsengang auf einen optimistischen Haussemarkt angewiesen sind“, schlussfolgert Tom Mundy.


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