17.05.2021 Permanente notenbankfinanzierte Fiskalpolitik führt zu mehr Inflation
Seit der Finanzkrise ist es zur Gewohnheit geworden, dass die Zentralbanken mit den Mitteln der Nullzinspolitik und Anleihenkäufen die Rezessionsgefahren bekämpfen. Mit der Pandemie kommt nun nach Analyse von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, ein weiteres Werkzeug hinzu – die expansive Fiskalpolitik.
„Die Corona-Krise hat zu einer stillen Revolution im Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik geführt. Die notenbankfinanzierte Fiskalpolitik gemäß der Modern Monetary Theory – kurz MMT – wird immer mehr zum Standardprogramm. Zahlreiche Staaten begeben sich auf eine ordnungspolitische Reise, deren Endstation wahrscheinlich ein Umfeld deutlich höherer Inflation ist“, stellt der Kapitalmarktexperte fest. Reale Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur und Transport seien die beste Möglichkeit für Anleger, um negative Konsequenzen für das Vermögen durch eine höhere Inflation so gering wie möglich zu halten.
Fiskalpolitik so expansiv wie nie zuvor
Die Notenbanken sorgen für immer neue Finanzspritzen: Allein im letzten Jahr erreichten die Stützungsmaßnahmen der USA für die Wirtschaft einen Umfang von 16,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das entspricht ziemlich genau den kompletten Staatseinnahmen eines Jahres. Die fiskalische Reaktion in Europa war mit 11 Prozent des BIP in Deutschland und 7,7 Prozent in Frankreich zwar etwas moderater, aber auch dieser Umfang stellt nach Ansicht von Tilmann Galler alles in den Schatten, was in der globalen Finanzkrise zu erleben war. Zum Vergleich: Die staatlichen Finanzhilfen in den Jahren 2008 bis 2010 der G7-Länder lagen lediglich bei 1,9 Prozent des BIP.
Der Trend zur Verschuldung scheint sich 2021 fortzusetzen. Die neue US-Regierung Biden hat zusätzlich zum bereits im Dezember verabschiedeten Konjunkturprogramm von 935 Milliarden US-Dollar ein weiteres über 1,9 Billionen US-Dollar verabschiedet – das entspricht in der Summe 13 Prozent des BIP. „Ein weiteres Infrastrukturpaket in der Größenordnung von 2 Billionen US-Dollar ist darüber hinaus in Vorbereitung, obwohl sich die US-Konjunktur schon längst auf dem Weg der Erholung befindet“, stellt Galler fest.
Fundamentaler Wandel in der Wirtschaftspolitik
Die Fiskalpolitik als stabilisierendes Element in der Konjunkturpolitik – expansiv in der Krise und restriktiv im Boom – hat nach Ansicht des Ökonomen scheinbar endgültig ausgedient. Sie werde abgelöst durch eine zielorientierte Fiskalpolitik, mit der unabhängig vom Konjunkturzyklus politische Vorhaben verwirklicht werden, solange die Zentralbank die Zinsen niedrig hält und die nötige Liquidität zur Verfügung stellt. „Das ist die heimliche Revolution, die zurzeit in der Wirtschaftspolitik stattfindet. Die Entscheidungsträger haben die Angst vor Defiziten und Inflation verloren und wenden sich der Modern Monetary Theory zu“, erklärt Tilmann Galler.
Aufgestaute Nachfrage befeuert Inflation
Größere Inflationsgefahren kämen gerade jetzt auf: Der verstärkte Einsatz von direkten staatlichen Zuwendungen an Privathaushalte dürfte in den kommenden Monaten unweigerlich zu einer höheren Konsumnachfrage führen. „Das ist kein Problem solange das Güterangebot mit dieser Entwicklung Schritt halten kann. Doch das Angebot ist durch die Folgen der Pandemie immer noch beeinträchtigt. Schon heute sehen wir immer mehr Bereiche mit erheblichen Engpässen und Preissteigerungen aufgrund gestiegener Nachfrage und mangelndem Angebot, wie beispielsweise Holz, Frachtkapazitäten und Halbleiter“, stellt Ökonom Galler fest. Dieser Zustand werde durch die angehäuften Rekordersparnisse der Privathaushalte noch verstärkt. Mit fortschreitendem Erfolg der Impfkampagnen würden diese Ersparnisse den Weg in die Kapital- und Immobilienmärkte sowie den Konsum finden – insbesondere wenn sich die Erwartungshaltung durchsetze, dass wenn heute nicht gekauft werde, die Preise morgen viel teurer seien.
Bedeutung realer Vermögenswerte steigt
Verfechter der Modern Monetary Theory könnten nach Darstellung von Tilmann Galler einwenden, dass kommende Inflationsgefahren mit Steuererhöhungen bekämpft werden könnten. „Dieses Argument ist nur in der Theorie schlüssig. Es verkennt, dass ein Homo Politicus eine ganz andere Entscheidungsfunktion hat als ein Homo Oeconomicus. Die Wahrscheinlichkeit, politisch eine Entscheidung für kräftige Steuererhöhungen durchzusetzen, auch wenn sie die Wiederwahl kostet, ist eher gering“, erklärt der Marktexperte. Das heutige Ausmaß der Konjunkturpakete dürfte jeden Versuch der Sparsamkeit in einer Rezession enden lassen. Der Weg einer nachhaltig expansiven und notenbankfinanzierten Fiskalpolitik scheine demnach vorgezeichnet mit dem Preis einer dauerhaft höheren Inflation.
Für das Anlage-Portfolio bedeute dies, dass reale Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur und Transport wichtiger werden. Anleihen mit langer Laufzeit würden hingegen in einem MMT-Szenario langfristig auf der Verliererstraße bleiben.
Tilmann Galler, Executive Director, CEFA/CFA, arbeitet als globaler Kapitalmarktstratege für die deutschsprachigen Länder bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. Als Teil des globalen „Market Insights“-Teams erstellt und analysiert er auf Basis von umfangreichem Research Informationen rund um die globalen Finanzmärkte und leitet Implikationen für Investmentstrategien ab. Er verfügt über 19 Jahre Berufserfahrung in der Finanzbranche und war zuvor unter anderem auch als Portfolio Manager tätig.
„Die Corona-Krise hat zu einer stillen Revolution im Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik geführt. Die notenbankfinanzierte Fiskalpolitik gemäß der Modern Monetary Theory – kurz MMT – wird immer mehr zum Standardprogramm. Zahlreiche Staaten begeben sich auf eine ordnungspolitische Reise, deren Endstation wahrscheinlich ein Umfeld deutlich höherer Inflation ist“, stellt der Kapitalmarktexperte fest. Reale Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur und Transport seien die beste Möglichkeit für Anleger, um negative Konsequenzen für das Vermögen durch eine höhere Inflation so gering wie möglich zu halten.
Fiskalpolitik so expansiv wie nie zuvor
Die Notenbanken sorgen für immer neue Finanzspritzen: Allein im letzten Jahr erreichten die Stützungsmaßnahmen der USA für die Wirtschaft einen Umfang von 16,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das entspricht ziemlich genau den kompletten Staatseinnahmen eines Jahres. Die fiskalische Reaktion in Europa war mit 11 Prozent des BIP in Deutschland und 7,7 Prozent in Frankreich zwar etwas moderater, aber auch dieser Umfang stellt nach Ansicht von Tilmann Galler alles in den Schatten, was in der globalen Finanzkrise zu erleben war. Zum Vergleich: Die staatlichen Finanzhilfen in den Jahren 2008 bis 2010 der G7-Länder lagen lediglich bei 1,9 Prozent des BIP.
Der Trend zur Verschuldung scheint sich 2021 fortzusetzen. Die neue US-Regierung Biden hat zusätzlich zum bereits im Dezember verabschiedeten Konjunkturprogramm von 935 Milliarden US-Dollar ein weiteres über 1,9 Billionen US-Dollar verabschiedet – das entspricht in der Summe 13 Prozent des BIP. „Ein weiteres Infrastrukturpaket in der Größenordnung von 2 Billionen US-Dollar ist darüber hinaus in Vorbereitung, obwohl sich die US-Konjunktur schon längst auf dem Weg der Erholung befindet“, stellt Galler fest.
Fundamentaler Wandel in der Wirtschaftspolitik
Die Fiskalpolitik als stabilisierendes Element in der Konjunkturpolitik – expansiv in der Krise und restriktiv im Boom – hat nach Ansicht des Ökonomen scheinbar endgültig ausgedient. Sie werde abgelöst durch eine zielorientierte Fiskalpolitik, mit der unabhängig vom Konjunkturzyklus politische Vorhaben verwirklicht werden, solange die Zentralbank die Zinsen niedrig hält und die nötige Liquidität zur Verfügung stellt. „Das ist die heimliche Revolution, die zurzeit in der Wirtschaftspolitik stattfindet. Die Entscheidungsträger haben die Angst vor Defiziten und Inflation verloren und wenden sich der Modern Monetary Theory zu“, erklärt Tilmann Galler.
Aufgestaute Nachfrage befeuert Inflation
Größere Inflationsgefahren kämen gerade jetzt auf: Der verstärkte Einsatz von direkten staatlichen Zuwendungen an Privathaushalte dürfte in den kommenden Monaten unweigerlich zu einer höheren Konsumnachfrage führen. „Das ist kein Problem solange das Güterangebot mit dieser Entwicklung Schritt halten kann. Doch das Angebot ist durch die Folgen der Pandemie immer noch beeinträchtigt. Schon heute sehen wir immer mehr Bereiche mit erheblichen Engpässen und Preissteigerungen aufgrund gestiegener Nachfrage und mangelndem Angebot, wie beispielsweise Holz, Frachtkapazitäten und Halbleiter“, stellt Ökonom Galler fest. Dieser Zustand werde durch die angehäuften Rekordersparnisse der Privathaushalte noch verstärkt. Mit fortschreitendem Erfolg der Impfkampagnen würden diese Ersparnisse den Weg in die Kapital- und Immobilienmärkte sowie den Konsum finden – insbesondere wenn sich die Erwartungshaltung durchsetze, dass wenn heute nicht gekauft werde, die Preise morgen viel teurer seien.
Bedeutung realer Vermögenswerte steigt
Verfechter der Modern Monetary Theory könnten nach Darstellung von Tilmann Galler einwenden, dass kommende Inflationsgefahren mit Steuererhöhungen bekämpft werden könnten. „Dieses Argument ist nur in der Theorie schlüssig. Es verkennt, dass ein Homo Politicus eine ganz andere Entscheidungsfunktion hat als ein Homo Oeconomicus. Die Wahrscheinlichkeit, politisch eine Entscheidung für kräftige Steuererhöhungen durchzusetzen, auch wenn sie die Wiederwahl kostet, ist eher gering“, erklärt der Marktexperte. Das heutige Ausmaß der Konjunkturpakete dürfte jeden Versuch der Sparsamkeit in einer Rezession enden lassen. Der Weg einer nachhaltig expansiven und notenbankfinanzierten Fiskalpolitik scheine demnach vorgezeichnet mit dem Preis einer dauerhaft höheren Inflation.
Für das Anlage-Portfolio bedeute dies, dass reale Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur und Transport wichtiger werden. Anleihen mit langer Laufzeit würden hingegen in einem MMT-Szenario langfristig auf der Verliererstraße bleiben.
Tilmann Galler, Executive Director, CEFA/CFA, arbeitet als globaler Kapitalmarktstratege für die deutschsprachigen Länder bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. Als Teil des globalen „Market Insights“-Teams erstellt und analysiert er auf Basis von umfangreichem Research Informationen rund um die globalen Finanzmärkte und leitet Implikationen für Investmentstrategien ab. Er verfügt über 19 Jahre Berufserfahrung in der Finanzbranche und war zuvor unter anderem auch als Portfolio Manager tätig.