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16.06.2021 Bezahlbarer Wohnraum: Kurze Arbeitswege dürfen kein Luxus sein

Mehr Pendler trotz Lockdown. Das scheint kontraintuitiv, doch nur in der kurzen Frist. Sinkende Einkommen treiben immer mehr Menschen aus den Städten. Das belastet auch Erwerbstätige in systemrelevanten Berufen. Warum Städte und Kommunen den Weg zu mehr bezahlbaren Wohnraum ebnen müssen und wie dieser finanziert werden kann. Ein Kommentar von Tanja Volksheimer, Senior Portfolio Manager Real Estate Europe bei Nuveen:

Während viele Büroangestellte den ersten und zweiten Lockdown im Homeoffice verbracht haben, blieb Krankenpflegern, Kassierern, Mitarbeitern der Stadtreinigung und Paketboten der Weg zur Arbeit nicht erspart. Dabei wird es gerade für Gering- und Normalverdiener immer schwieriger, in der Nähe ihrer Arbeit oder ihres Einsatzgebiets zu wohnen, denn vor allem die innerstädtischen Mietpreise steigen seit Jahren schneller als das durchschnittliche Haushaltseinkommen. Bezahlbarer Wohnraum fehlt. Bund, Kommunen und Städte allein können das Problem nicht lösen, sie sind auf die Hilfe der Privatwirtschaft angewiesen. Denn es fehlt nicht nur an Genehmigungen und Flächen, auch Bauprojekte und Kapital werden dringend benötigt, um den Mangel zumindest zu mindern.

Besonders angespannt ist die Situation in den deutschen Metropolen. Je niedriger das verfügbare Einkommen, desto höher der Anteil, der für Wohnen ausgeben wird. Wer unter 1.300 Euro im Monat zur Verfügung hat, gibt nach Angaben der Bundesagentur für Wohnungslosenhilfe im Mittel 47 Prozent aus. Erst in der Spanne zwischen 5.000 Euro und 18.000 Euro sinke der Anteil auf die empfohlenen 30 Prozent.

Auch systemrelevante Berufe betroffen

Zu den Geringverdienern zählen häufig auch Erwerbstätige in systemrelevanten Berufen. So liegt der Bruttostundenlohn systemrelevanter Berufe der „ersten Stunde“ im Schnitt zwölf Prozent unter dem Durchschnitt aller Berufe, wie eine Auswertung des DIW Berlin ergab . Arzt- und Praxishilfen verdienen mit 11,60 Euro beispielsweise nur etwas mehr als zwei Drittel des bundesweiten Durchschnitts von 17 Euro.

Niedrige Gehälter machen weite Arbeitswege wahrscheinlich, was wiederum die Fahrtkosten erhöht, Zeitverlust und Stress bedeutet und die Umwelt belastet. Hinzu kommt, dass es Haushalte gibt, die ein zweites Auto kaufen müssen, sich dieses aber eigentlich nicht leisten können. Doch nicht nur Geringverdiener, sondern auch immer mehr Arbeitnehmer aus der Mittelschicht werden durch die hohen Wohnkosten zu Pendlern. Je höher die Wohn- und Fahrtkosten, desto weniger Einkommen und Zeit bleiben für Bildung, Nahrung, Gesundheitsvorsorge und Freizeit übrig. Das belastet mittelfristig die gesamte Gesellschaft, Wirtschaft sowie Städte und Kommunen.

Städte und Kommunen müssen Weg für Investoren ebnen

Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum schrumpft seit Jahren trotz steigender Nachfrage, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergeben hat . Bereits im Jahr 2014 fehlten demnach allein in den Großstädten rund 1,9 Millionen Einheiten bezahlbaren Wohnraums. Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise hat diesen Mangel noch verschärft. Während die Wohnkosten trotz der Krise stiegen, sind die Einkommen gesunken.

Sinkende Subventionen sowie steigende Grundstückspreise und Baukosten erschweren es Investoren, das Angebot an bezahlbarem Wohnraum in Zusammenarbeit mit Städten und Kommunen zu steigern. Öffentliche Träger aber sind finanziell nicht in der Lage, den Mangel allein zu beheben. Sie sollten daher mit institutionellen Investoren kooperieren. Gerade jetzt ist deren Nachfrage nach entsprechenden Projekten hoch, denn für immer mehr Investoren gehört das Messen der Wirkung ihrer Investments auf Gesellschaft und Umwelt genauso zu ihrer Strategie, wie die Rendite-Risiko-Analyse. Auch das ICG, das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft, ist dieser Überzeugung. Im jüngst veröffentlichten Praxisleitfaden werden Allianzen zwischen Investoren aus der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand, als eine der entscheidenden Lösungen angesehen, um den Mangel an bezahlbaren Wohnraum abzufedern. Und tatsächlich ist hier in den vergangenen Jahren bereits ein konstruktiver Dialog entstanden.

Somit steigt die Nachfrage von Investoren nach Impact-Investing seit Jahren, und damit auch ihr Interesse an Investitionen in bezahlbaren Wohnraum. Diese Projekte erlauben ihnen nachhaltige Werte zu schaffen und versprechen langfristig stabile Renditen, um ihre Verpflichtungen, beispielsweise gegenüber Pensionären oder Versicherten, zuverlässig erfüllen zu können.






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