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17.06.2021 Vollvermietung: Corona hat sich den richtigen Zeitpunkt ausgesucht

Im vierzehnten „Mastertalk Real Estate“, der von CoreNet Global (CNG) zusammen mit der Hochschule Fresenius Heidelberg (HSF) veranstaltet, wurde, stand das Thema „Büroimmobilien nach Corona – Rivival oder Niedergang einer Assetklasse?“ im Mittelpunkt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der HSF und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- und Weiterbildung zuständig und Sven Wingerter, Geschäftsführer der Eurocres Consulting. Auf dem Panel dazu waren: Andreas Hoffmann, Head of Property Europe Cromwell European REIT; Sven Carstensen, Vorstand Bewertung / Analyse Bulwiengesa AG Berlin und Stephan Leimbach, Head of Office Leasing Germany, JLL.

Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass Büros leergefegt sind und Unternehmen über die künftigen Arbeitswelten nachdenken – und damit über die Nutzung ihrer Büros. Andererseits machen Büroimmobilien einen starken Anteil im Portfolio vieler Investoren aus. In den vergangenen Mastertalks wurden vor allem Nutzeraspekte diskutiert. Dieses Mal ging es vorrangig um die Perspektive von Investoren, Asset Managern und Vermietern. In seinem Impulsreferat gab Sven Carstensen von Bulwiengesa zunächst einen Überblick über Daten, Zahlen und Trends. Laut dem von seinem Haus regelmäßig erstellten „Immobilienklima“ haben sich Wohnen und Logistik in den vergangenen Monaten bestens entwickelt. Handel und vor allem Hotels sind dagegen abgestürzt. Zwischen diesen beiden Extremen liegen Büroimmobilien.

„Vor Corona gab es wenig Leerstand, in Berlin etwa nur 1,3 Prozent. Jetzt liegt das Niveau bei moderaten 2,2 Prozent. Der Markt hat sich entspannt, mehr aber auch nicht“, betonte Carstensen. Seine Kernaussage aus Anbietersicht: „Der Büromarkt hätte sich für Corona keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können als jetzt.“ Mieter können sich allerdings Hoffnungen auf eine Zunahme an Incentives wie mietfreie Zeiten machen.

Dennoch sei der Büroflächenumsatz in 2020 dramatisch um ein Drittel zurückgegangen – eine Kennziffer, die zuverlässig mit der Entwicklung des BIPs korreliere. Eine der wesentlichen Fragen sei nun: Wie wirkt sich die Nutzung von Heimarbeit durch ganze Belegschaften auf die Flächennachfrage aus? Hierbei gebe es höchst widersprüchliche Signale, wie alle Diskussionsteilnehmer feststellen werden. Zum einen sei die Arbeit von zuhause aus für die Unternehmen nicht unbedingt billiger, da sie in einen modernen Arbeitsplatz, Geräte und Ausstattung investieren müssen. Daneben werde sich mutmaßlich die Fläche pro Mitarbeiter in den Büros erhöhen – sei es aus Virenschutzgründen oder weil die Flächen andere Funktionen für die „Lagerfeuer-Kommunikation“ erhalten. Gleichzeitig rücke immer mehr der so genannte dritte Ort in den Fokus, also die zusätzliche Nutzung von Coworking-Centern oder Satellitenbüros.

Carstensen spielte mehrere Szenarien durch: Im Fall einer angenommenen Heimarbeitsquote von 25 Prozent und einem halben Quadratmeter mehr pro Bürobeschäftigten könnte es im Jahr 2025 zu einer Leerstandsrate von bis zu acht Prozent kommen. Doch Carstensen blieb skeptisch ob einer verstärkten Arbeit von zuhause: „Nicht jeder kann Homeoffice, oft ist der Platz viel zu klein. Und etwa in München wird sich niemand extra nur für diesen Zweck eine größere Wohnung anmieten.“ Zudem berichtete er von Untersuchungen, denen zufolge Angestellte weniger produktiv seien, wenn sie von zuhause aus arbeiten.

Wie aber sieht es mit den Renditen aus, das wesentliche Ziel von Investoren. Trotz eines Vermietermarktes gebe es beispielsweise in Berlin sogar Minusrenditen, auch wenn diese nicht die Regel seien. Der Durchschnitt dort liege gerade bei 2,6 Prozent, in Städten wie Hamburg und Köln sei es mit 3 und 3,5 Prozent besser. Größere Chancen hingegen gebe es in Mittel- und Kleinstädten: Dort könnten Investoren mit Durchschnittsrenditen von um die vier Prozent rechnen. Eine andere Unbekannte in dieser Rechnung sei indes der Neubau. Hier haben manche Investoren ihre Vorhaben mitten in der Pandemie noch rechtzeitig abgesagt. Nun wiederum würden extrem gestiegene Materialkosten – im Hochbau von 25 Prozent – neue Projekte deutlich verteuern. Wenig überraschend daher die Kernaussage Carstensens am Ende seiner Einstiegsrede: „Die Projektentwicklung geht eher zurück.“

JLL-Vertreter Stephan Leimbach machte auf den großen Unterschied zu den vorangegangenen Dotcom- und Finanzkrisen in den Jahren 2000 und 2008 aufmerksam: „Heute haben wir nahezu Vollvermietung. Augenhöhe zwischen Vermieter und Mieter erreichen wir aber erst bei einer Leerstandsquote um 5 Prozent. Angesichts der zurückgefahrenen Neuprojekte und der mutmaßlichen Wirtschaftsbelebung und damit größerer Nachfrage nach der Krise sind das womöglich keine guten Nachrichten für Mieter.“

Glatte richtete die nächste Frage an den dritten Diskussionsteilnehmer Andreas Hoffmann von Cromwell European REIT: „Lohnt es sich für einen Investor noch, heute in deutsche Büroimmobilien reinzugehen?“ Hoffmann: „Man muss Büroimmobilien mit anderen Assetklassen vergleichen. Große, institutionelle Investoren habe da wenig Auswahl.“ Bezogen auf das Risiko habe Real Estate immer schon eine gute Rendite gehabt. Außerdem sei der Anlagedruck nach wie vor hoch. „An Büros als größtem Immobiliensegment kommt man also nicht vorbei!“, so sein Zwischenfazit. All dies hänge natürlich vom jeweiligen Objekt und dessen Eigenschaften ab, allem voran der Lage. Im Zentrum werden attraktive Büros weiterhin stark nachgefragt, eher nicht am Stadtrand mit oft mittelmäßiger Qualität, die stärker von den Corona-Folgen betroffen sein dürften. Insgesamt sieht Hoffmann große Perspektiven für Immobilien als Assetklasse. Einig war man sich: Neue Projekte dürfen keine Monokulturen sein, müssen eine hohe Aufenthaltsqualität besitzen, auf die veränderten Bedürfnisse der Mitarbeiter und Nachhaltigkeit eingehen. Das gelte vor allem für dezentrale Lagen, die obendrein eine gute ÖPNV-Anbindung benötigen, um erfolgreich zu sein.

Einfluss von Heimarbeit völlig offen

Auch Leimbach von JLL sieht es nicht als ausgemacht an, dass Heimarbeit zu einem großen Flächenverlust führen werde. Die entsprechenden Aussagen von Versicherungen oder Automobilfirmen etwa liegen eher an grundsätzlichen Einsparungen und Veränderungen beim Geschäftsmodell. Wachstums- und andere Branchen würden einen etwaigen Einbruch sofort ausgleichen. Ein Programmierer könne zwar überall auf der Welt sitzen. Aber für klassische Bürobeschäftigte sei das gemeinsame Büro vor allem für die Firmenkultur immer noch zentral, besonders bei Großunternehmen. Trotzdem werde man alle Ausprägungen je nach Organisation erleben: mehr, weniger und gleichbleibender Bedarf. Gleichzeitig könne es in ausgewählten und stark nachgefragten Städten zu Verschiebungen in den Lagen kommen, wie etwa mit dem aufstrebenden Standort München-Riem und mit dem Werksviertel in der Landeshauptstadt Bayerns.

Angesichts der Marktumstände erwarten Hoffmann‘s Investoren nach wie vor sieben Prozent Rendite. Doch Büroimmobilien kaufen wird er erst wieder im Jahr 2022. „Bis dahin dürften die Preise für Objekte mit höherem Risikoprofil noch sinken.“ Aus Sicht bulwiengesas sei der Anbietermarkt allerdings keineswegs ein Selbstläufer: „Projektentwickler, die jetzt nach Deutschland kommen, sollten es sich überlegen“, so Carstensen. Diese beiden Ausblicke führte sogleich zur Abschlussfrage Glattes: „Wo stehen wir in 2026, also in fünf Jahren? Ich habe hierzu seit einem Jahr eine Wette laufen!“

„Es wird einen leichten Mietanstieg von vier bis fünf Prozent geben, der Leerstand wird ebenso viel betragen“, so Analyst Carstensen. Hoffmann sagt ebenfalls einen etwas höheren Leerstand voraus, besonders in dezentralen Lagen. Mittelfristig gibt er jedoch eine optimistische Prognose ab. Laut JLL-Mann Leimbach werde man einen geteilten Markt erleben: „In Toplagen werden Mieten steigen, andere entwickeln sich eher seitwärts. Aber es gibt kaum Leerstand. Denn Neubau ist teuer.“ Dies gelte indes nur für die nächsten zwei bis drei Jahre. 2026 sei für verlässliche Aussagen ein noch zu weit entfernt Zeitpunkt.

Dagegen schätzte Co-Moderator Sven Wingerter von Eurocres die Lage völlig anders ein: „Für das Gros der ´Durchschnitts-Büros´ sehe ich wenig Hoffnung. Es wird für diese Büros ein Flächensterben geben. Nicht das Homeoffice, sondern die Digitalisierung wird für so viel Effizienz und mobile Arbeit sorgen, dass sich alle warm anziehen müssen, die sich beruflich mit Büros beschäftigen. Die Arbeitswelt braucht ein Lagerfeuerbüro und viele zusätzliche Orte, zwischen denen die Mitarbeiter wählen können – eben ein multilokales WorkPlace Modell, hocheffizient und digital vernetzt.“ Ins selbe Horn stieß Thomas Glatte: „Ich habe eine Wette mit Kollegen im Research laufen. Der Büroflächenbedarf könnte sich aus meiner Sicht um über 20 Prozent reduzieren. Das schließe ich aus Gesprächen mit CREM-Vertretern.“ Doch abschließend habe er noch eine gute Nachricht für Vermieter: „Ich habe erst einmal in meinem Leben eine Wette gewonnen, und das ist schon lange her.“






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