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21.09.2021 Immobilien als Rohstoff- statt Abfall-Lieferanten

Nach Analysen von Aengevelt Research nehmen spätestens seit der Veröffentlichung des EU-Aktionsplans für nachhaltige Entwicklung ökologische, politisch-gesellschaftliche und soziale Strategien eine zunehmend prominente Rolle in der Immobilienwirtschaft ein. Gleichzeitig wächst durch die anhaltende Urbanisierung, die alternde Bevölkerung und die Folgen des Klimawandels der gesellschaftliche Druck auf kommunale, staatliche sowie private Akteure. Es ist notwendig, schnell effektive Maßnahmen und Strategien für Klima- und Ressourcenprobleme zu entwickeln. Ein wichtiger Ansatz ist die Kreislaufwirtschaft für Immobilien – Circular Real Estate.

Der Immobilienwirtschaft wird im Rahmen des Klimawandels, der Ressourcenschonung etc. – zu Recht – eine herausragende Bedeutung zugesprochen. Sie gilt als einer der ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren in Deutschland und ist laut Umweltbundesamt für rd. 55% des jährlichen Brutto-Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich. Der Grund für den erheblichen Beitrag am Abfallaufkommen, aber auch an den globalen und nationalen CO2-Emissionen (38%) ist die Konzeption des Immobiliensektors als lineares Modell „Take-Make-Dispose“. Dabei steht der Abriss ohne Wiederverwertung am Ende des Lebenszyklus einer Immobilie.

Hintergrund: Die Rückgewinnung von Materialien aus Gebäuden ist oft unwirtschaftlich, weil die Abfälle schwer zu trennen sind und oft giftige Stoffe enthalten. Dabei verbaut die Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland laut Patrick Bergmann von Madaster, einem onlinebasierten Material-Kataster, rund 90% der hierzulande geförderten mineralischen Rohstoffe. Es wird ersichtlich, dass das lineare Modell der Immobilienwirtschaft vor dem Hintergrund der klimatischen, gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen nicht mehr zeitgemäß ist.

Circular Real Estate

Im Gegensatz dazu zielt die Kreislaufwirtschaft in der Immobilienwirtschaft – auch Circular Real Estate genannt - auf die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Verbrauch endlicher Ressourcen ab. Untermauert wird dies durch einen Übergang zu erneuerbaren Energiequellen und der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Materialien. Voraussetzung dafür ist laut Aengevelt Research das effektive Zusammenspiel der Immobilienwirtschaft auf allen Ebenen und der gesamten Timeline einer Immobilie bis zum Abriss bzw. ihrer Wiederverwertung.

Ein aktueller Bericht der Ellen MacArthur Foundation hat ergeben, dass eine Kreislaufwirtschaft für die gebaute Umwelt die globalen Kohlenstoffemissionen aus Baumaterialien im Jahr 2050 um 38% reduzieren könnte. Laut dem Ingenieurbüro ARUP und der englischen Universität Leeds haben v.a. Maßnahmen zur Verbesserung der Materialeffizienz von Gebäuden und Infrastrukturen die größten Auswirkungen auf die Reduzierung der CO2-Emissionen, dicht gefolgt von der Verbesserung der Gebäudenutzung. Entsprechend sind beide Strategien der Kreislaufwirtschaft.
Ressourcenschonung durch Ausnutzung der gesamten Lebensdauer von Immobilien mit dem Lösungsansatz “Flexible and Reusable Spaces“.

Eine weitere Ressourcenschonung in der Immobilienwirtschaft wird nach Ansicht von Aengevelt Research dadurch erreicht, dass Immobilien möglichst bis zum Ende ihres Lebenszyklus aktiv genutzt werden anstatt vorzeitiger Leerstände.

Schon vor Coronazeiten blieben erhebliche Flächenbestände – auch in modernen Büroimmobilien - ungenutzt. Dieser Trend hat sich durch Corona und Homeoffice noch verstärkt. Ferner ist ein Trend zu immer kürzeren Mietvertragslaufzeiten erkennbar. Deshalb rät Aengevelt Research, Büroflächen als Flexible Spaces zu konzipieren. Das Konzept zielt darauf ab, ungenutzte bzw. nicht ausgelastete Büroflächen für die kurzfristige Nutzung auf dem Markt anzubieten, z.B. für Start-ups, die kurzfristig und flexibel Flächen benötigen und so auf gut ausgestattete Büroräume zurückgreifen könnten.

Neben dem Angebot von Büroflächen in Echtzeit auf Online-Plattformen sind z.B. auch Auktionen denkbar, bei denen Flächen – ausgehend von einem sehr moderaten Mietpreisniveau – per Gebot durch interessierte Nutzer ersteigert werden können.
Um diese Möglichkeiten optimal ausschöpfen zu können, empfiehlt Aengevelt Research – ähnlich wie bei der Umnutzung von ehemaligen Warenhäusern – eine maximale Flexibilität durch einen hohen Anteil von “Reusable Spaces“. Dabei handelt es sich um Flächen, die nicht auf eine bestimmte Nutzungsart - Handel, Büro, Gastronomie, Praxen, Fitness etc. - beschränkt sind, sondern ohne erheblichen Aufwand jederzeit kurzfristig und flexibel um- und nachgenutzt werden können. Grundvoraussetzung ist dabei u.a. eine erstklassige digitale Grundausstattung und nachfragegerechte IT-Infrastruktur.

Durch die bessere Ausnutzung der vorhandenen Flächenpotenziale wird die Notwenigkeit für die Errichtung neuer Flächen verringert und somit der Ressourcenverbrauch reduziert. Des Weiteren kann durch eine flexible Nutzung und Ausstattung einem Abriss vor dem Ende der technischen Nutzungsdauer eines Gebäudes entgegengewirkt werden. Insgesamt können Büroflächen, die als Flexible und Reusable Spaces angelegt sind, ohne großen Kostenaufwand an sich ändernde Marktbedingungen als auch an sich wandelnde gesellschaftliche Erwartungen angepasst werden und sind damit deutlich nachhaltiger als konventionelle Büroflächen.
Gebäude als “Rohstoffmienen“.

Um einen wirklichen Fortschritt im Hinblick auf eine Verbesserung der Materialeffizienz, Ressourcenverbrauch und Reduzierung der CO2-Emmisionen zu erlangen, sind Konzepte notwendig, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes als Einheit beeinflussen. Auf der Ebene einzelner Immobilien bedeutet dies die Anwendung und Etablierung eines ganzheitlichen Systemgedankens. Das betrifft die Art und Weise, wie Immobilienakteure Gebäudedienstleistungen und -anlagen entwickeln, finanzieren, beschaffen, entwerfen, bauen, betreiben, instandhalten und wiederverwenden.

Ein Konzept im Rahmen von Circular Real Estate, welches aktuell branchenübergreifend auf dem Vormarsch ist, ist das sog. Cradle to Cradle (C2C). Das Konzept geht auf Professor Michael Braungart und den Architekten William McDonough zurück und fordert, Immobilien mit Ressourcen gleichbleibender Qualität zu errichten, so dass diese ohne Qualitätsverlust wieder aufbereitet, eingesetzt und so im Umlauf gehalten werden können. Dazu braucht es schadstofffreie, trennbare und vollständig recycelbare Baustoffe.

Dabei ergaben Berechnungen von Drees & Sommer und TS Advisory, dass C2C eine Wertsteigerung von etwa 10% im Vergleich zu konventionell errichteten Gebäuden realisieren kann, indem die verwendeten Rohstoffe und damit auch das verwendete Kapital nicht auf einer Deponie landen, sondern am Ende des technischen Lebenszyklus wieder für den Bau neuer Gebäude verwendet werden - die Gebäude werden zu Rohstoffmienen.

Unterstützt wird die Etablierung kreislaufwirtschaftlicher Ansätze durch die fortschreitende Digitalisierung der Branche. Online-Plattformen wie Madaster, ein digitales Materialkataster, helfen dabei, genaue Informationen über die verwendeten Rohstoffe der Immobilie aufzulisten und transparent mit Hilfe eines Material-Passports darzulegen. Darüber hinaus gibt der Passport Auskunft über die Sachwerte und den aktuellen Rohstoffrestwert der Gebäude, so dass Investoren jederzeit in der Lage sind, genaue Prognosen über zukünftige Investitionen zu erhalten.

Damit wiederum sind Immobilieninvestoren und Bauherren für den Übergang zu einer kreislauforientierten Bauweise von grundlegender Bedeutung. Sie haben die größten Möglichkeiten, Richtung und Art ihrer Entwicklungsstrategien, Eigentumsstrukturen und Betriebsmodelle für jedes Projekt in allen Phasen des Lebenszyklus zu bestimmen.
Rahmenbedingungen für Circular Real Estate schaffen.

„Dafür braucht es indessen auch neue Instrumente und Anreize seitens der Politik, z.B. in Form von Förderprogrammen, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und potenziell bestehende Hindernisse für die Umsetzung einer Circular Real Estate zu beseitigen. Nur so wird es Investoren ermöglicht, eine Rendite zu erzielen, die nicht nur den Verkauf und die Vermietung von Immobilien, sondern auch deren Endnutzung und Wiederverwendung einberechnet“, fasst Friedrich Drechsler, Aengevelt Research, zusammen und zieht das Fazit: „Die Etablierung einer Circular Real Estate bietet enorme Chancen für Investoren und Bauherren, die Wertverluste innerhalb des Lebenszyklus eines Gebäudes zu minimieren und so die Kapitalrendite von Anlagen zu verbessern sowie gleichzeitig einen wichtigen Schritt zur Erreichung der Kohlenstoffemissionsziele und in Richtung Ressourcenschonung zu machen. Und das ist eine Chance für die gesamte Gesellschaft.“





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