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06.12.2021 Omikron und schlechtes Pandemiemanagement dämpfen Erwartungen

In diesen Tagen geraten gleich zwei zentrale Prämissen für die bisherige Konjunkturprognose ins Wanken: Zum einen besteht der Verdacht, dass die Virusmutation, die sich unter dem Namen Omikron inzwischen auch in Europa ausbreitet, den Impfschutz unterlaufen könnte. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, müssten wohl zumindest so lange neue Lockdowns verhängt werden, bis die Impfstoffe angepasst oder neue Impfstoffe vorhanden und diese verimpft wären. Damit würde das bereits seit längerer Zeit bestehende Negativ-Szenario Realität: Die Lockdowns würden nicht nur einen erneuten Einbruch der Wirtschaftsleistung bewirken, sondern auch die darauffolgende Erholung massiv erschweren.

Viele von Schließungen bedrohte Unternehmen verfügen nicht mehr über Reserven, um ein erneutes Herunterfahren der Geschäftstätigkeit überstehen zu können, und ob der Staat im Zusammenspiel mit den Notenbanken noch einmal massive fiskalische Unterstützungen leisten könnte, erscheint zumindest zweifelhaft. Die Weltwirtschaft würde 2022 in einem solchen Szenario nicht um mehr als 4% wachsen, sondern wahrscheinlich schrumpfen. Die bisherigen Erkenntnisse über Omikron sowohl hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit schwerer Krankheitsverläufe als auch hinsichtlich der Wirksamkeit der vorhandenen Impfstoffe deuten allerdings darauf hin, dass dies wohl ein Risiko-Szenario bleibt und nicht unmittelbar Realität wird.

Lockdowns in Deutschland rücken näher

Aus deutscher Perspektive erscheinen neue Lockdowns auch unabhängig von Omikron inzwischen deutlich wahrscheinlicher als noch vor wenigen Monaten. Der wichtigste Grund liegt in der (zu) geringen Impfquote, die eine Eindämmung der Infektionen und damit das Vermeiden einer Überlastung des Gesundheitssystems ohne drastische Kontaktreduzierungen für alle Menschen erschwert. Das schlechte staatliche Pandemiemanagement, das von einer deutlichen Verspätung bei der Booster-Kampagne über zögerliche Gegenmaßnahmen wie eine flächendeckende Anwendung von 2G-Regeln bis hin zur Unfähigkeit reicht, die Lieferung der benötigten Impfstoffmengen logistisch zu bewältigen, verschärft die Lage in Deutschland zusätzlich.

Selbst wenn es gelingen sollte, mit den nun beschlossenen Maßnahmen einen allgemeinen Lockdown noch zu verhindern, deutet alles darauf hin, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im Schlussquartal des Jahres 2021 stagnieren und im ersten Quartal des Jahres 2022 sogar leicht sinken wird. Das liegt zum einen an den massiven Umsatzeinbußen insbesondere in den Dienstleistungssektoren als Folge der bereits bestehenden Einschränkungen. Zum anderen bewirkt die vierte Pandemiewelle auch unter geimpften Personen eine deutliche Zurückhaltung im Hinblick auf soziale Kontakte und daraus resultierend einen spürbar gedämpften privaten Konsum. Die massive Verschlechterung der Stimmung im Einzelhandel deutet ebenso in diese Richtung wie der negative Wert der GfK für das Konsumklima. Die deutsche Wirtschaft wird deshalb das Vorkrisenniveau nicht, wie bisher angenommen, Anfang des Jahres 2022 wieder erreichen, sondern wahrscheinlich erst zur Jahresmitte. Für das Gesamtjahr 2022 dürfte das Wachstum eher unter der 4%-Marke liegen als darüber.

Andere europäische Länder aufgrund hoher Impfquoten im Vorteil

Anders als die Omikron-Variante betrifft die vierte Pandemiewelle nicht die globale Wirtschaft als Ganzes und noch nicht einmal ganz Europa, sondern vor allem jene europäischen Länder, die eine geringe Impfquote aufweisen. Das sind neben Deutschland auch Österreich und die Schweiz, nicht aber Italien, Spanien und Frankreich. Deren Konjunkturperspektiven bleiben mit zu erwartenden Wachstumsraten des BIP von etwa 5% im Jahr 2022 deshalb positiv. Das Wachstum der deutschen Wirtschaft wird im kommenden Jahr deutlich geringer ausfallen als im Euroraum insgesamt. Vielleicht nimmt die neue Bundesregierung dies zum Anlass, mehr aus den Erfahrungen anderer Länder zu lernen und die überfällige Modernisierung staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen in Angriff zu nehmen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei, vor allem auch die Risikomentalität zu ändern, die inzwischen selbst zu einer Gefährdung des Wohlstands in Deutschland geworden ist.

(Autor: Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe)









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