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10.12.2021 Quartier: Moderne Dorfstruktur für die Stadtentwicklung der Zukunft?

Lokale Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl und kurze Wege: Das sind Eigenschaften, die die Deutschen vor allem mit Dörfern verbinden. Nach der Quartierstudie von DC Developments sehnen wir uns nach modernen Dorfstrukturen in den Städten. Jährlich befragt DC Developments 10.000 Menschen, um herauszuarbeiten wie wir in Städten leben wollen. Für 69,4 % der Befragten ist bei der Wahl eines neuen Wohnortes die Identifikation mit der Nachbarschaft wichtig. Sie wollen sich untereinander kennen und mit der Identität ihres Wohnortes verbinden. Auch das Gemeinschaftsgefühl ist für 46,4 % ein entscheidender Faktor neben der Lage der Nachbarschaft, um sich für einen Wohnort zu entscheiden. Weit oben mit 35,2 % rangiert auch das Bedürfnis, mit unterschiedlichen Altersklassen in seinem Viertel zu leben. Darüber hinaus schätzen die Deutschen ganz besonders den Supermarkt oder den Bäcker um die Ecke – schließlich setzen 37,9 % am häufigsten auf die natürlichste Fortbewegungsmöglichkeit: die eigenen Beine. Kurze Wege wie im Dorf sind also ein Muss.

„Die 15-Minuten-Stadt wird zur Basis der Urbanität: Faktoren wie Naturerlebnisse, nachbarschaftlicher Zusammenhalt und Fußläufigkeit sind in den vergangenen Jahren immer wichtiger für Städte und damit auch Quartiersentwickler geworden. All diese Eigenschaften werden Dörfern selbstverständlich zugeschrieben“, sagt Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter von DC Developments. „Diese Rückbesinnung sorgt dafür, dass die Urbanisierung von morgen ohne eine moderne Form der Verdorfung nicht mehr denkbar ist.“

Der Begriff „Verdorfung“ meint einerseits das Comeback der lokalen Verbundenheit, die für viele Menschen insbesondere während der Lockdown-Phasen von großer Bedeutung war. Zugleich beschreibt dieser das Vorhaben, dorfähnliche Strukturen mit Quartiersentwicklungen gezielt hervorzubringen. Die Top 4 Bedürfnisse, der 10.000 Befragten sind: Knapp 70 % wünschen sich in ihrer Umgebung den Nahversorger, knapp 51 % möchten in ihrem Umkreis einen Park vorfinden, 45 % achten darauf, ob ihr Wohnort gut angebunden ist und um die 38 % legen Wert darauf, dass ihre Arbeitsstätte in der Nähe ist. „Die Studie zeigt auch, wie Quartiere mit verschiedenen Nutzungsklassen die Attraktivität eines Stadtteils steigern können. Wenn all die Wünsche erfüllt sind, stärkt es den Standort, den Handel und die Arbeitsmarktsituation. Ebenso erzeugt es eine Strahlkraft und so kommen auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Stadtteilen zustande, und genau das braucht eine Stadt für eine lebendige Urbanität“, sagt Schubert weiter.

Die Sehnsucht nach einem Wir-Gefühl

Wie die Studie zeigt, ist für einen überwiegenden Teil der deutschen Bevölkerung die Identifikation mit der Nachbarschaft wichtig. Der Anteil an Frauen, für die dieser Faktor eine entscheidende Rolle spielt, beträgt 74,1 % und ist damit 10 % größer als bei den Männern. Den größten Unterschied gibt es aber zwischen der jüngsten und der ältesten Generation: Während für 59,7 % der 18- bis 29-Jährigen dieser Faktor besonders entscheidend ist, beläuft sich der Anteil bei Personen ab 65 Jahren und älter auf 76,7 %. „Projektentwickler wissen, dass die Gesellschaft ältere Generationen noch stärker einbinden sollte. Der Wert zeigt auch, dass diese Generation ebenso als Nachbarschaftsbotschafter fungieren kann. Wir beobachten oft, dass die Identifikation besonders hoch ist, weil sie bereits lange in diesem Stadtteil leben. Und dieser Umstand zahlt auch auf das Bedürfnis ein, dass sich die Menschen unterschiedliche Altersstrukturen in den Stadtteilen wünschen“, sagt Schubert. „Demnach sind Quartiere immer verbindende Elemente, zwischen Altersgruppen aber auch ganzen Stadtteilen.“

Kurze Wege: Supermarkt, Bäcker und Restaurant bitte gleich um die Ecke

Fußläufig erreichen wollen die Deutschen vor allem den Supermarkt oder die Drogerie (54,8 %), die Bäckerei (45,1 %), aber auch den lokalen Einzelhandel und die Gastronomie (35,3 %). „Früher war es selbstverständlich, in den Wohngebieten kleine Läden vorzufinden. Dieser Vermischungsgedanke erlebt mit den modernen Versionen des Tante-Emma-Ladens ein Comeback“, sagt Schubert. Personen ab 65 Jahren wiederum präferieren medizinische Versorgungseinrichtungen (51,4 %). Allerdings wollen unabhängig vom Alter auch 29,1 % der Deutschen eine Apotheke in ihrer Nähe wissen. „Wenn alles zu Fuß erreicht werden kann, bin ich nicht dazu gezwungen, mein ,Dorf‘ zu verlassen, in der Folge rücken Menschen näher zusammen.“ Zugleich sei es wichtig, die Begegnung und den Austausch nach außen zu fördern. Projektentwickler würden zeigen, wie das funktionieren kann: zum Beispiel mit einem modernen Kino um die Ecke, während im benachbarten Stadtteil das besonders gute Restaurant zu finden ist.

Städtische Eigenheiten: Hamburg, Berlin und München

Die Studie offenbart aber nicht nur Abweichungen hinsichtlich des Geschlechts oder Alters – auch von Stadt zu Stadt sind signifikante Unterschiede erkennbar: Während beispielsweise für 21,6 % der Einwohner Hamburgs Internationalität ein ausschlaggebender Nachbarschaftsfaktor ist, sind es in München hingegen 16,1 %. Allerdings sind die Münchener (50,9 %) häufiger an einem Gemeinschaftsgefühl interessiert als die Hamburger (41, 7 %). „Fundierte Gründe für diese Unterschiede lassen sich ad hoc nicht anführen. Mit Sicherheit spielen aber kulturelle Unterschiede eine Rolle, die sehr vereinfacht mit dem Klischee des geselligen Müncheners und dem des weltmännischen, aber kühlen Hanseaten erklärt werden könnten“, sagt Schubert. Die Biergartenkultur der bayerischen Landeshauptstadt wiederum könnte ein Grund dafür sein, dass für 39,7 % der Münchener das kulinarische Angebot der wichtigste Aspekt neben der Lage des Wohnortes ist. Zum Vergleich: In Hamburg beträgt dieser Anteil 30,7 %, in Berlin sogar lediglich 25,5 %.

Dafür hängt Berlin sowohl München als auch Hamburg in puncto ÖPVN ab: 35,6 % der Berliner nutzen im Alltag neben dem Auto vor allem den öffentlichen Nahverkehr. In Hamburg sind es 8,9 % und in München sogar 21,2 % weniger. Insgesamt bewegen sich die Deutschen aber mit rund 63 % am liebsten mit dem eigenen Auto fort, danach folgen mit knapp 38 % die eigenen Beine und knapp 22 % bevorzugen öffentliche Verkehrsmittel. „Es zeigt aber auch, dass das eigene Auto in Deutschland immer noch einen großen Stellenwert genießt. Auch wenn oft vermeintliche Trends suggerieren, dass Menschen immer seltener ein Auto besitzen.“ Einen weniger signifikanten, aber nicht minder interessanten Unterschied gibt es hinsichtlich des Aspekts Nachhaltigkeit: Während für 25,8 % der Berliner und 25,6 % der Hamburger dieser Faktor von großer Bedeutung ist, sind es in München immerhin 29,1 %. Carsharing-Angebote, die Mobilität und Nachhaltigkeit vereinen sollen, spielen in allen drei Städten aktuell noch eine untergeordnete Rolle: Für 5,8 % der Hamburger, 4,2 % der Münchener und 4 % der Berliner ist dieser Aspekt wichtig. „Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Zahl der registrierten Carsharing-Nutzer in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist“, sagt Schubert. „Nur im Jahr 2020 gab es einen Einbruch, der mit der Pandemie zu erklären ist. Dieses Jahr gab es wieder einen deutlichen Aufwärtstrend.“

Wie gelingt richtungsweisende Quartiersentwicklung?

Deutschland sehnt sich also noch mehr nach einer Verdorfung der Städte. Das kann über räumliche Strukturen auf einen stärkeren Zusammenhalt und auf die Identifikation mit der Nachbarschaft einzahlen. Gerade während der Lockdown-Phasen haben viele Menschen gelernt, wie wichtig es ist, sich lokal verbunden zu fühlen. „Verdorfung ist somit ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Urbanisierung“, sagt Schubert abschließend, „Es gilt noch stärker als ohnehin die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund zu rücken – oder vielmehr sie erst wirklich zu verstehen.“






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