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03.05.2022 Zurück aus dem Homeoffice – worauf Unternehmen achten müssen

„Das Büro bleibt Ankerpunkt“, lautete die Kernbotschaft des Mastertalks #19, den CoreNet Global gemeinsam mit der Hochschule Fresenius veranstaltet. Allerdings steht diesem Befund und dem Wunsch der Unternehmen nach Rückkehr ihrer Belegschaft in den Betrieb die Meinung eben dieser Mitarbeiter genau entgegen: Sie haben sich prächtig an die Arbeit von zuhause aus gewöhnt und wollen kaum noch zurück. Grund genug, dieses Thema beim aktuellen Mastertalk Real Estate #20: „Zurück aus dem Homeoffice – worauf müssen Unternehmen achten?“ von der arbeitsrechtlichen und Betriebsratsseite anzugehen.

Prof. Dr. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- & Weiterbildung zuständig sowie Sven Wingerter, Geschäftsführer des WorkPlace-Spezialisten Eurocres und ebenfalls CNG-Vorstandsmitglied, hatten dazu zwei Experten eingeladen:

• Saskia Steffen, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Pflüger Rechtsanwälte
• Thomas Köhler, Betriebsratsvorsitzender Standard Life-Versicherungen

In ihrem einführenden Vortrag beleuchtete Steffen die vielfältigen arbeitsrechtlichen Aspekte – von denen einige noch nicht gesetzlich oder höchstrichterlich geklärt sind. Gleichwohl begrüßte sie den Fortschritt der vergangenen zwei Jahre.
Am Anfang einer betrieblichen Regelung stehe zunächst die Frage: „Welche Art von Arbeit möchte das Unternehmen?“ Hier gebe es drei Möglichkeiten:

• Telearbeit, ein im Alltag wenig gebräuchliches und eher veraltetes Wort, stellt den gesetzlichen Begriff für das klassische Arbeiten von zuhause aus dar – und zwar ausschließlich von zuhause. Es gibt dann im Unternehmen keinen Arbeitsplatz (mehr). Der Arbeitgeber richtet den häuslichen Arbeitsplatz ein und trägt die Kosten dafür.
• Alternierende Telearbeit bedeutet wechselweise von zuhause und vom Arbeitsplatz in der Firma aus. Diese Form ist häufig mit dem Wunsch des Arbeitgebers verbunden, Büroräume einzusparen – hier findet Desksharing statt. Die Kostenübernahme ist dabei gesetzlich nicht geregelt.
• Mobile Arbeit: Die Beschäftigten erbringen ihre Arbeitsleistung mittels Laptop und arbeiten an einem beliebigen Ort – sie können ihren Arbeitsort autonom bestimmen. Auch hier ist die Kostenübernahme nicht gesetzlich geklärt.
• Homeoffice stellt den umgangssprachlichen Begriff dar, der für alle diese Arbeitsformen verwendet wird

Aus Steffens Sicht hat die Arbeit von zuhause aus Vor- und Nachteile: Anreisezeiten fallen weg oder reduzieren sich zumindest. Daraus ergeben sich eine eindeutige Effizienzverbesserung, eine zeitliche Autonomie der Beschäftigten und die Work-Life-Balance steigt. Allerdings hat die Medaille eine zweite Seite: Job und Privatleben verschwimmen, Kommunikationswege sind länger oder schwerer und das soziale Miteinander geht verloren.

Wie sehen daher die gesetzlichen Grundlagen für die Heimarbeit aus? Bis zum 19. März 2022 galt aufgrund der Corona-Pandemie die Homeoffice-Pflicht. Seitdem gibt es keine gesetzliche Basis mehr. Das Bundesarbeitsministerium plant zwar hierfür Regelungen, doch die Inhalte sind noch offen. Findet jedoch mobile Arbeit statt, haben die Betriebsräte heute schon ein Mitbestimmungsrecht. Arbeitgeber entscheiden allerdings frei über das Ob. Deshalb werden in der Regel individualrechtliche Vereinbarungen mit den Beschäftigten oder Betriebsvereinbarungen geschlossen.

Betriebsvereinbarungen sollten besonders folgende Aspekte regeln:

• Was genau ist gewollt? (Alternierende) Telearbeit oder mobiles Arbeiten?
• Die prozentuale Verteilung der Arbeit im Homeoffice und im Betrieb
• Den Teilnehmerkreis: Für welche Arbeitsbereiche eignet sich das Homeoffice und für welche nicht? Wie geht man mit Einarbeitungszeiten um? Wie beendet man das Homeoffice, wenn es sich für bestimmte Beschäftigte doch nicht eignet?
• Arbeitszeiterfassung: Denn auch im Homeoffice gelten die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit.
• Räumliche und technische Voraussetzungen im Homeoffice
• Aufwendungsersatz/ Kostentragung
• Datenschutz
• Arbeitsschutz und Versicherungsschutz
• Wie wird der Arbeitsplatz im Betrieb organisiert?

Einer der bedeutendsten Punkte dreht sich naturgemäß um die räumlichen und technischen Voraussetzungen im Homeoffice: Ist ein eigener Büroraum erforderlich? In jedem Fall müssen Unterlagen bei Beendigung oder Unterbrechung der Arbeit so weggeschlossen werden, dass keine Mitbewohner oder Besucher Zugriff darauf haben. Wichtig sind zudem die IT-Gegebenheiten, vor allem eine ausreichende Internetverbindung.

Der andere entscheidende Aspekt betrifft die Kostenübernahme. Generell haben Arbeitgeber die Kosten dafür zu tragen, dass die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung erbringen können. Dazu gehören vor allem Büromaterial, Technik und durchaus auch Büromöbel und eine Pauschale etwa für Heizung und Strom. All dies gilt gleichermaßen für Heimarbeit. Erfolgt die Beschäftigung im Homeoffice allerdings nur auf Wunsch der Beschäftigten, haben sie laut Bundesarbeitsgericht keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen – solange es einen Arbeitsplatz im Betrieb gibt. Allerdings gibt es zu Hybridkonzepten/ Desksharing noch keine Regelungen oder Rechtsprechung.

Dabei geht es auch um Details: Was passiert, wenn etwa die IT zuhause ausfällt? Etwas, was schließlich selbst in der Firma passieren kann. Beim Datenschutz ist die Sache hingegen klar. Da gibt es keinen Unterschied. Er muss genauso eingehalten werden wie im Unternehmen. Das bedeutet, dass Endgeräte verschlüsselt sein müssen und man alles wegschließen muss, damit dritte keinen Zugriff haben.

Ein klassisches juristisches Dilemma mit sich gegenüberstehenden Rechten und Verpflichtungen ist allerdings die Arbeitssicherheit. Hier müsste der Arbeitgeber eigentlich eine Arbeitsplatzbesichtigung vornehmen. Doch dem steht das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gegenüber, das Steffen als wesentlich bedeutsamer ansieht als die Pflicht des Unternehmens. Dennoch müsse dieser Aspekt in irgendeiner Form in der Betriebsvereinbarung aufgegriffen werden.

Neue Erkenntnisse nach zwei Jahren Corona

Was aber sind die Knackpunkte in der Praxis? Diese Frage gab Moderator Glatte an Thomas Köhler weiter. Er hat als Betriebsratsvorsitzender für die Standard Life – mit Hilfe von Rechtsanwältin Steffen – eine einschlägige Betriebsvereinbarung ausgehandelt und abgeschlossen; mit elf Seiten die Umfangreichste seiner bisherigen Betriebsratskarriere. Der größte Knackpunkt aus Sicht Köhlers war die Anwesenheit der Mitarbeiter im Betrieb, also das zeitliche Verhältnis zwischen Büro und Heimarbeit. „Wir sind hier bei vier Tagen gelandet. Nicht in der Woche. Im Monat!“ Und damit die Dimension auch jedem klar werden, schob er sofort hinterher: „Am Arbeitsplatz.“ Wahrlich ein Zeitenwechsel.

Die Betriebsvereinbarung war auch deshalb notwendig geworden, weil die Standard Life für Juni nun die Rückkehr ihrer Mitarbeiter plant – wenn es die Angestellten wollen oder mindestens für vier Tage im Monat. Co-Moderator Wingerter fragte, ob nicht generell das Risiko bestehe, dass die gesamte Belegschaft zurückkehren müsse. Darauf Rechtsanwältin Steffen: „Durch die Pandemie mussten alle ins Homeoffice und es war auch gesetzlich so geregelt.“ Nun, nach dem Wegfall der Rechtsgrundlage komme es auf die betrieblichen Regelungen an. „Selbst bei einer Betriebsvereinbarung kann der Arbeitgeber sagen, dass er das nicht mehr anbietet. Dann allerdings braucht jeder wieder einen festen Arbeitsplatz im Büro.“

Bei Standard Life hingegen kann man es sich aussuchen, wo man arbeitet – also auch im angestammten Büro. Das allerdings wollen laut Köhler nur noch ganze fünf Prozent der Mitarbeiter. Dabei war klar, dass man heute nur über jene Arbeitsbereiche redet, bei denen das möglich ist. Die Eingangspost etwa lässt sich nun einmal nur im Unternehmen bearbeiten. Wer indes unter umgekehrten Vorzeichen in den Betrieb zurückkehren möchte, obwohl das Unternehmen Homeoffice präferiert, habe laut Steffen wiederum keinen Anspruch auf einen bestimmten, eigenen, sondern nur einen Arbeitsplatz.

Dabei seien viele rechtliche Fragen noch völlig offen: „Das Bundesarbeitsministerium hat bislang keine guten Antworten geliefert, ich bin unglücklich drüber“, sagte Steffen offenherzig. „Welche sind denn die zwei, drei wichtigsten noch ungeklärten Punkte“, stellte Glatte daraufhin seine Abschlussfrage. Laut Steffen wäre das unter anderem die Frage, ab welchem prozentualen Anteil von Heimarbeit welche Rechte und Pflichten gelten. „Das muss der Gesetzgeber unbedingt klären. Das ist mein Wunsch, beispielsweise ab 20 oder 25 Prozent.“ Allerdings befürchtet sie: „Wir werden irgendwas bekommen wie 12 Tage Anspruch auf Homeoffice im Jahr.“




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