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04.07.2022 Denkmal braucht Geduld: So gelingt Sanierung im Denkmal

Daniel Mudroh, Geschäftsführer der Palm KG
Dr. Palmsche Apotheke, Schorndorf
Es ist ein Irrtum, dass Fachwerk- oder andere Bestandsimmobilien, die dem Denkmalschutz unterliegen, per se enorme Gelder verschlingen. Schlüssel einer Sanierung sind eine Bestandsanalyse und die richtigen Handwerker. Wer beides hat, mindert das Kostenrisiko und bekommt eine Immobilie in meist zentraler Lage.
„Die Immobilie auf ihre Nutzungsmöglichkeiten hin zu prüfen, die dann auf Jahrzehnte die Erträge erwirtschaftet, ist der zentralste Punkt,“ sagt Daniel Mudroh, Geschäftsführer der Palm KG, die aktuell an 13 Standorten 30 Gewerbeimmobilien verwaltet, von denen ein Teil Denkmal-geschützt sind. Letzteres ist die Spezialität der Schorndorfer Quartiersentwickler, die ihre Objekte nach Sanierung nicht abstoßen, sondern als Vermieter für Jahrzehnte betreiben.

Nutzung finanziert Gebäude

Der Immobilienwirt und Bautechniker findet: „Die Nutzung finanziert und erhält Gebäude.“ Deshalb sei das schönste Haus, an dessen 1,7 Meter Deckenhöhe aus statischen Gründen nichts verändert werden könne, betriebswirtschaftlich uninteressant. Um hier nicht zu scheitern, arbeitet der 40-Jährige mit Architekten zusammen, die neben ihrem Handwerk kaufmännisch denken können und Ideen haben, welcher Nutzung man solche Gebäude in meist stadtmarkanter Lage zuführen kann.

„Nicht machbare Barrierefreiheit, fehlende Stellplätze oder schlechte Erreichbarkeit abseits des ÖPNV sind Kriterien, welche die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen und die uns der Bauherr vorgibt“, sagt Georg Weinreich, der seine Masterthesis als Architekt 2014 über die Revitalisierung des denkmalgeschützten, brachliegenden Areals der Weingärtnergenossenschaft seiner Heimatstadt geschrieben hatte. Jüngst stieg er in das Büro seines Vaters Hans-Peter ein, der seit 30 Jahren einen Schwerpunkt auf der Sanierung von Kirchen und deren Gemeindehäusern hat.

Neue Klientel finden

Die Palm KG kombiniert den Aspekt Gebäudeerhalt mit dem Thema Gesundheit als Nutzungskonzept. In ihren Objekten finanzieren Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten, Pflegestationen, Augenoptiker oder notfalls die Geschäftsstelle einer Krankenkasse als Mieter den Gebäudeerhalt. Mudroh: „Lange waren auch Banken mit ihren Filialen oder Zeitungen mit ihren Lokalredaktionen dankbare Mieter in solchen Gebäuden wegen deren zentraler Lage.“ Längst aber seien beide wegen der Digitalisierung auf dem Rückzug.

Das Beispiel ist typisch, wie Entwickler und Eigentümer sanierungswürdiger Gebäude Veränderungen frühzeitig spüren und reagieren müssen. Weinreich nennt ein zweites Beispiel: „Fehlende Stellplätze dürften immer weniger ins Gewicht fallen, wenn kommunale Mobilitätskonzepte mit Rufbus, Radwegenetz, Carsharing und Ausbau des ÖPNV greifen.“ Das Gelte vor allem für urbane Quartiere, in kleineren Gemeinden spiele das Auto nach wie vor eine Rolle, ergänzt Mudroh.

Immobilien von innen erlebbar

Was aber bleibt: Die öffentliche Begehbarkeit liegt immer im Interesse der Landesdenkmalämter und meist auch der Kommunen. Grundsätzlich markt- und gut förderfähig sind daher Konzepte rund um Gastronomie oder Einzelhandel, so Weinreich. Der 34-Jährige: „Behörden sehen gerne, wenn Immobilien von innen erlebbar sind.“ Oft hänge davon ab, ob nur die Fassade, das Tragwerk oder die komplette Innenrenovierung bezuschusst wird.

Auch sei laut Architekt wichtig zu prüfen, was denkmalgeschützt ist: Nur das Quartier, in dem eine Immobilie steht, dann ist in der Regel nur die Fassade förderfähig, oder das Gebäude selbst oder nur dessen Fassade, Tragwerk oder Nutzung. Fördergelder können wiederum nur private und gewerbliche Bauherren beantragen. „Bei uns hat der Quartiersgedanke Vorrang“, so Mudroh, der Standorte vor allem nach Potenzialen der gesundheitlichen Versorgung betrachtet und Projekte auf 100 Jahre kalkuliert. Hinzu kommt: Ohne Fördergelder sinkt die Regulatorik, was Zeit spart und Freiräume schafft, weil keine Zusagen etc. abgewartet werden müssen.

Pro und Contra Fördermittel

Beide Experten geben zu bedenken, dass Fördermittel in ihrer Höhe gedeckelt sind. Mudroh macht ein Beispiel: „50 Prozent der denkmalbedingten Mehrkosten einer Fassade werden im Einzelfall erstattet, aber nur bis zu einer Höhe von 200.000 Euro.“ Im konkreten Fall kann das heißen, wenn sich Bauherr und Architekt nicht auskennen, dass sie nur die 50 Prozent erfasst haben, nicht aber deren Limitierung. Der Routinier: „Da ist schon mancher auf 50.000 Euro und mehr Mehrkosten sitzen geblieben.“

Deshalb raten Architekt und Bautechniker: Der Erfolg liegt in der Bestandsaufnahme des Befunds, noch bevor gekauft oder saniert wird. Diese Erhebung könne bis zu 40 Prozent der Planung ausmachen, mit der Bauherren oder Kaufinteressenten in Vorleistung gehen. Auch das sind schnell sechsstellige Beträge, an deren Ende immer wieder mal der Entschluss steht, vom Kauf Abstand zu nehmen oder einen Abriss zu begründen, dem das Amt zustimmt. Doch auch hier warnt Mudroh, dass die Kulanz von Land zu Land und Amt zu Amt unterschiedlich sein kann.

Stakeholder einbinden

„Deshalb müssen im Vorfeld alle Teilaspekte sorgfältig recherchiert, mit den Zuständigen geklärt und schriftlich festgehalten werden,“ sagt Weinreich, für den ein Abriss nur ein allerletztes Mittel sein darf. Oft sei das richtige Verfahren für einen Prozessschritt zu identifizieren viel wichtiger als beim geschätzten Stundenaufwand eines Gewerks sich um 30 oder mehr Prozent vertan zu haben.

Und Mudroh von der Palm KG wird nicht müde, den emotionalen Aspekt vieler alter Immobilien zu betonen: „Die hat oft Mieter, die man unbedingt einbinden muss; frühere Nutzer, die dort gewohnt oder gearbeitet haben; oder Menschen, die sich hier verliebt haben oder sonstige zentrale Ereignisse mit dem Ort verbinden.“ Ohnehin seien solche Gebäude stadtbildprägend und stünden in zentraler Lage unter ständiger öffentlicher Beobachtung. Der Schorndorfer Sanierer: „Deshalb sprechen da vom Besitzer über den Gemeinderat, den Handels- und Gewerbeverein bis zu Anwohnern und Bürgerinitiativen viele Akteure mit.“

Denkmal braucht Geduld

Als Fazit rät der 40-Jährige zum entspannten Umgang mit ehrwürdigen Gebäuden. Wer sich gut vorbereite, von kompetenten Experten beraten lasse und achtsam vorgehe, werde kaum böse Überraschungen erleben. Im Gegenzug bekomme er eine hochwertige Immobilie an bewährten Standorten mit Topp-Infrastruktur. Und gegenüber einem Neubau, bei dem der Durchlauf von Erschließung und Planung bis zur Übergabe ebenfalls fünf Jahre brauche, dauere eine Sanierung auch nicht länger. Mudroh: „Denkmal braucht nun mal Zeit und Geduld.“











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