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14.07.2022 Führungskräfte: Das System verdient die Lorbeeren, nicht die Person

In allen innovativen Arbeitskonzepten werden aktuell neue Anforderungen an Führungskräfte gestellt. Sie sollen den Wandel in der digitalen Transformation, im agilen Management und bei dem Thema New Work meistern und ihre neue Rolle einnehmen. Doch was heißt eigentlich gute und vor allem nachhaltig erfolgreiche Führung im digitalen Zeitalter? Welchen Einfluss haben Prozesse und die Unternehmenskultur in der digitalen Zusammenarbeit, und können sie den Führungsaufwand maßgeblich reduzieren? Untersucht haben diese Fragen Prof. Dr. Marion Peyinghaus, Geschäftsführerin Competence Center Process Management Real Estate GmbH (CCPMRE) und Professorin an der Hochschule 21, Buxtehude und Prof. Dr. Regina Zeitner, Geschäftsführerin des CCPMRE und Professorin an der HTW Berlin

Sie präsentierten die Ergebnisse ihrer aktuellen Untersuchung „Sustainable Leadership – Führung im digitalen Zeitalter“ im aktuellen Mastertalk Real Estate #22, veranstaltet von CoreNet Global (CNG) und der Hochschule Fresenius, moderiert von Prof. Dr. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- & Weiterbildung zuständig. Die Co-Moderation übernahm Pia Glatte-Bast, Kommunikationstrainerin.

Wie sind die Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften?

Für die Studie wurden 513 Personen befragt: 154 Führungskräfte und 94 Mitarbeiter der Immobilienwirtschaft sowie 265 Studierende immobilienwirtschaftlicher Studiengänge in den deutschsprachigen Ländern.

Bis vor knapp zwei Jahrzehnten waren „kernige“ Unternehmenslenker vom Schlage eines Jack Welchs, Ex-CEO von General Electric, die Ikonen des Unternehmertums. Welch sanierte GE und versiebenfachte den Gewinn. Sein zupackender Stil wurde zum Vorbild für eine gesamte Generation von Managern und prägte das Shareholder Value-Bild der Wirtschaft, vor allem jenes von Banken und Unternehmensberatungen. Die Namen der jeweiligen Bosse hatten eine Sogwirkung.

Völlig anders heute, wo nach Meinung der beiden Autorinnen die einzelnen Chefs, ja ganze Unternehmen in den Hintergrund rücken. Dies sehe man etwa an Facebook, das nur noch als Marke von Meta Platforms fungiert. Peyinghaus nahm damit sogleich das Fazit vorweg: „Das System verdient zukünftig Lorbeeren, nicht die Person.“ Der Einfluss einer Führungskraft sinke. Das spiegele sich auch in den Daten wider.

Welche Führung ist wirklich wirksam?

Die erste Studienfrage lautete: „Welche Führung ist wirklich wirksam?“ Hier erstrecke sich von „Laissez-faire“ über „leistungsorientierte Belohnung“ bis zur „transformationalen Führung“ eine große Bandbreite von Theorien. „Wir wollten messen, inwiefern diese Führungsmuster auch wirklich zum Erfolg führen“, so Peyinghaus.

Ergebnis: Inspiration und Motivation führen zum Erfolg – nicht der Bonus. „Transformational führen bedeutet Führung mit Inspiration und Motivation. Transaktionale Führung bezieht sich hingegen primär auf den Austausch von Leistungen: Gehalt gegen Arbeit. In der Wirksamkeit schlägt die transformationale Führung klar den transaktionalen Ansatz. Die Erfolgsbilanz liegt bei 19 Prozent versus 1 Prozent“, heißt es in der Studie. Noch durchschlagender sieht die Wirkbilanz von „Prozessen und Kultur“ aus: Auch hier zeigt sich, dass die persönliche Bedeutung der einzelnen Führungskraft stark abgenommen hat und vielmehr von Prozessen, Kultur und der IT überflügelt wird. Dies seien die „wahren Beschleuniger des Unternehmenserfolgs“, mit einer Erfolgsbilanz von mehr als 90 Prozent. Auch zeige sich, dass „gute Prozesse und eine positive Unternehmenskultur ein gutes Licht auf die Führungskraft werfen, sie können also Führungsdefizite ausgleichen“, so Peyinghaus.

Wie gelingt mobiles Arbeiten?

Der zweite Untersuchungskomplex drehte sich um die Frage, wie mobiles Arbeiten gelingt. Mit Blick auf die Pandemie-Zeit und die damit von einem auf den anderen Tag veränderten Arbeitsorte meinte Peyinghaus: „Was hat dieses riesige Experiment mit uns gemacht?“ Als größte Herausforderung wurde hierbei die Begrüßung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter angesehen. Die fehlende Nähe zur Führungskraft stand auf Platz zwei der Nachteile, gefolgt von Auswirkungen auf Teamspirit und Zusammenhalt. Bei fast allen Punkten sahen die Führungskräfte dies noch etwas gravierender als die Angestellten.

Im Gegenzug sei durch mobile Arbeit die Arbeitsbelastung gestiegen. „‘Management by going around‘ funktioniert nicht mehr. Jedes Mal muss ein Termin gemacht werden“, zitierte Peyinghaus einen oft gehörten Kritikpunkt. Positiv jedoch: Die Arbeitszufriedenheit ist um 12 Prozent gewachsen. Besonders wichtig, da „Homeoffice fester Teil unserer Arbeitswelt bleibt.“ Ausgedrückt wird dieser Befund durch den Wunsch der Mitarbeiter, im Durchschnitt an 2,3 Tagen pro Woche von zuhause aus zu arbeiten. Da sich daraus zwangsläufig mehr Kommunikation im virtuellen Raum ergibt, stellt sich die Frage, wie viel Mitarbeiter man auf diese Weise führen kann? Hier wurden als ideale Teamgröße 10,3 Mitarbeiter angesehen, aus Sicht der Führungskräfte können es rechnerisch sogar 2,2 Mitarbeiter mehr sein. „Doch diese Zahlen gelten nicht für alle Geschäftsfelder“, machte Peyinghaus auf einen wichtigen Punkt aufmerksam. „Die Daten sind nur eine Orientierung. Jede Abteilung muss für sich sehen, was am besten klappt.“

Und auch beim mobilen Arbeiten ist nicht die Führung der Erfolgsfaktor, ebenso wenig die Digitalisierung (sie ist nur Bedingung). Erfolgreicher sind einmal mehr die Prozesse; wirkungsvoll ist auch die Unternehmenskultur. Auch hier spielt also das „System künftig die entscheidende Rolle“, so Peyinghaus. Genau da müsse man investieren.

Die so andere Generation Z

Zum meist diskutierten Thema wurde schließlich der dritte Schwerpunkt: Was erwarten die Mitarbeiter und vor allem die Generation Z, also die zwischen 1997 und 2021 Geborenen? Vor allem mit Blick auf die jüngste Generation am Arbeitsmarkt zitierte Peyinghaus Andreas Reckwitz. „Individualität wird zu einem Asset, zu einem Vermögenswert.“ Unternehmen müssten den Mitarbeitenden diese individuellen Karrieren erlauben. Sie alle möchten heute durch das Führungsverhalten viel spezifischer berücksichtigt werden. Stärken und persönliche Bedürfnisse sollten eine größere Rolle spielen.

Doch diesen Trend müssen die Führungskräfte erst noch verinnerlichen; vor allem in Hinblick auf die Generation Z, die ein grundsätzlich anderes Wertegerüst hat. Für sie stehen Gesundheit, Stressabbau, Sport und digitale Auszeiten ganz oben, wenn es um den Arbeitsplatz geht. Charismatisches Verhalten der Führungskraft ist weniger bis gar nicht mehr gefragt. Die Vertreter der Generation Z wollen zwar beruflich erfolgreich sein. Aber bei welchem Arbeitgeber, das ist zweitrangig. Gleichzeitig sei die Generation Z wesentlich Ich-bezogener, wenn es um die eigene Karriere geht, und in ihrem Verhalten auch „bürgerlicher“; eine Ambivalenz in Hinblick auf die ausdrücklich propagierte, gelebte und auch eingeforderte Individualität – was wiederum Unternehmen bedienen und auch aushalten müssen. Peyinghaus‘ Fazit für alle Themenkomplexe: „Wir brauchen einen neuen Maßstab für Arbeitgeber.“

Co-Moderatorin Pia Glatte-Bast fragte, wie wichtig Kommunikation sei, wenn Systeme und Abläufe eine so große Rolle spielten? Hierzu Peyinghaus: „Bei der Prozesserstellung investiert man oft viel Energie. Doch nach dem Abschluss verschwindet all dies in den Schubladen. Daher müsse man die Einhaltung von Prozessen später viel mehr einfordern.“ Die Co-Autorin der Studie, Regina Zeitner, ergänzte: „Ich kann verstehen, dass die Prozesse bislang nicht im Vordergrund standen – denn der Immobilienwirtschaft ging es sehr gut.“ Wie stark sich dieses Paradigma bei ihrer eigenen Beratungstätigkeit von CCPMRE geändert hat, berichtete Peyinghaus: „Seit Beginn der Coronakrise verzeichnen wir einen Umsatzanteil von rund 70 Prozent bei ‚Prozessen‘ und etwa 30 Prozent bei ‚IT‘. Vorher war es umgekehrt.“

„Der neue Elon Musk ist ein Prozess“

Ebenfalls auf die Generation Z zielte die Frage aus dem Publikum, von Prof. Eva Schwinghammer: „Wie stehen der Leistungsgedanke und der Anspruch im Einklang mit den Vorstellungen von Sustainable Management?“ Hier laufen die Erwartungen „inhaltlich völlig auseinander zu denen der bisherigen Belegschaft“, antwortete Zeitner. Unternehmen dürften dabei keine Konflikte und Disharmonien riskieren. „Führungskräfte müssen vielmehr wissen, wer was erwartet, um ein gutes Erwartungsmanagement zu betreiben.“

An dieser Stelle beleuchtete sie eine wichtige Erkenntnis der Studie: Ein klarer Generationsbruch zeigt sich insbesondere in den Bereichen Aufgabenerteilung und Kontrolle: Die gegenwärtigen Mitarbeiter der Immobilienwirtschaft möchten keine minutiösen Arbeitsvorgaben und schätzen Ziele mit großem Handlungsspielraum. Zu detaillierte Kontrollen sind kontraproduktiv. Die Generation Z freut sich hingegen über kleinteilige Arbeitsaufträge und fordert Kontrollen aktiv ein. „Ein Extremspagat“, kommentierte Glatte und sah auch den „Anforderungskatalog“ in Hinblick auf die fast 100 Verhaltensmuster als äußerst herausfordernd an. Hier beruhigte Peyinghaus: „Ja, Führung wird komplexer, vor allem durch die Generation Z. Durch stabile Prozesse lässt sich aber der Führungsaufwand deutlich vereinfachen.“ Dennoch sei das mittlere Management am stärksten beansprucht; erst Recht bei Hybridformaten.

„Das Thema Führung wird vielschichtiger“ fasste Glatte den Mastertalk zusammen und fragte: „Wenn nun das System so wichtig ist und die Unternehmen selbst mit ihren CEOs in den Hintergrund rücken, wie kommt es, dass Unternehmenslenker wie der verstorbene Steve Jobs oder Elon Musk so populär sind?“ Hierzu Peyinghaus: „Diese Ikonen werden von der Generation Z schlichtweg anders gesehen. Sie werden sich andere Idole suchen.“ Worauf Glatte die womöglich weniger unterhaltsame Zukunft auf den Punkt brachte: „Der neue Elon Musk ist ein Prozess.“








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