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28.07.2022 Schleswig-Holstein: Krisen-Auswirkungen auf den Immobilienmarkt

Der Immobilienmarkt in Schleswig-Holstein steht weiter im Wandel und muss sich den allgemeinen weltwirtschaftlichen Herausforderungen stellen. Während die Corona-Pandemie mit der Sommerwelle eher unaufgeregt, aber doch etwas unerwartet die Krankheitsstände wieder in die Höhe treibt, sorgt der russische Angriffskrieg in der Ukraine für eine Energiekrise, Flüchtlingsströme und eine Erschütterung des Sicherheitsdenkens der Menschen.

Die Gründe für den Anstieg der Preise am Wohnungsmarkt sind vielfältig:

• Die Energiekrise setzt älteren Immobilien zu. Gas- und Ölheizungen sind auf dem Land alternativlos, Geothermie ist i.d.R. nur bei Niedrigenergiehäusern möglich.
• Es existieren derzeit sehr hohe Wartezeiten bei (energetischen) Sanierungen: Produktion und Logistik der Baustoffe sind ins Stocken geraten, Handwerkermangel und Krankheitsausfälle heizen zudem die Instand-/Sanierungskosten weiter an.
• Obwohl die Finanzierungen durch steigende Zinsen Käufern das Zahlen von hohen Preisen erschweren, werden die Preise durch die Inflation weiter positiv beeinflusst. Die Nachfrage könnte in Zukunft sinken. Dennoch bleibt die Immobilie eine inflationssichere Anlage. Sie wird gehalten, weniger verkauft, so dass ein knappes Angebot bleibt. Dazu tritt der Baustopp von Wohnungsbaugesellschaften, denen die Baukosten weglaufen. Dennoch kann eine Strategie bei der privaten Nachfrage darin bestehen, genau jetzt Schulden zu machen, um sie im Zuge der Inflation langfristig zu entwerten. Das setzt aber eine konservative Finanzierung und ein stabiles, zukünftiges Einkommen voraus.
• Durch die Flüchtlingsbewegungen werden immer mehr Menschen in das Zentrum von Europa strömen, um Wohlstand und Sicherheit zu erhalten. Das könnte helfen, dem Fachkräftemangel in Deutschland begegnen zu können. Die Nachfrage nach Wohnraum wird jedoch ungebrochen da sein.
• Ältere Menschen: Vor allem die Nachkriegsgeneration bewohnt häufig alte, energetisch schlecht aufgestellte Häuser im Ortskern, während die jungen Familien in junge Wohngebiete am Ortsrand gezogen sind (ALDI, Lidl & Co. gleich mit).

Was passiert, wenn die Baby-Boomer aus finalen Gründen oder aufgrund erhöhten Pflegebedarfs ihre Häuser verlassen müssen? Wird es ein zukünftiges „Ad-Hoc-Angebot“ von veralteten Einfamilienhäusern geben? Derzeit bestehen bei den Senioren große Unsicherheiten, wann der richtige Zeitpunkt ist, die zu groß gewordenen Immobilien zu verlassen. Häufig entscheidet hier das soziale Umfeld, d. h. wenn die Freunde in der Nachbarschaft nicht mehr vorhanden sind, für die Bereitschaft zum Umzug.

Ausblick: Der Wohnungsmarkt bleibt somit weiter angespannt. Eigentums- und Mietwohnungen erzielen weiterhin gute Preise. Besonders große Wohnungen für Familien, die in der Stadt wohnen wollen, sind rar.

Gründe für die Schwierigkeiten für Einzelhandel und Gastronomie:

• Der Einzelhandel leidet weiter. Großformatige Einkäufe werden gern vom Sofa per Internet erledigt. Man fährt nicht mehr in die City zum Einkaufen, sondern um sich zu amüsieren. Bau- und Gartenmärkte, Shopping-Center auf dem Land mit vielen, kostenlosen Parkplätzen sind gewünscht. Die Holstenstraße in Kiel verliert immer mehr an Angebot. Deichmann, Schuh-Heinrich und Co. verlassen scheinbar auch das sinkende Schiff. Die Stadt versucht dagegen zu steuern, indem sie selbst Ladenflächen anmietet und zu Dumping-Preisen an Ladenmieter mit „City-stützenden Angebot“ weitergibt. Diese Maßnahme konserviert jedoch nur die Marktnachfrage, die langfristig nicht zu halten ist.

• Große Einzelhandelsflächen werden immer weniger nachgefragt. In Mietverhandlungen sorgen zugehörige Lagerflächen für kein Mietschwergewicht und werden eher als „Zugabe zur Mietfläche“ erwartet.

• Einige Vermieter (Fondsgesellschaften) lassen lieber Flächen leer stehen, als zu niedrigen Preisen zu vermieten, da sich ein kurzfristiger Leerstand besser verkaufen lässt, als langfristig sinkende Preise der Kapitalanlage.

• Die Gastronomie-Nachfrage leidet besonders durch Personalmangel: Pächter bekommen nicht mehr genug Mitarbeiter, Bäckereien schließen aus Personalmangel häufig schon mittags. Somit sind auch gastronomisch geprägte Ladenflächen unter großem Druck. Sollte sich die Inflation weiter ausbreiten, wird auch die Nachfrage der Gäste nachlassen, was den Gastronomie-Sektor wieder schwer treffen wird.

• Die Nachfrage nach Büroflächen bleibt ungebrochen, jedoch beginnen große Unternehmen, die Büroorganisation zu überdenken. Durch das zunehmende Homeoffice wird nicht mehr jedem Mitarbeiter ein Büroplatz zugeordnet. Teilweise teilen sich 4 Mitarbeiter 3 Arbeitsplätze, um Kosten einzusparen.

• Die steigenden Energiekosten beeinflussen auch die Warenlogistik. Ein direkter Trend ist noch nicht abzusehen. Jedoch darf angenommen werden, dass es einen Wandel auf dem Markt von Logistikimmobilien geben wird. Folgende Fragen ergeben sich in diesem Zusammenhang: Kann ein Bahnanschluss für Logistiker oder Produzenten wieder vorteilhaft werden? Wenn Verbrennungsmotoren auslaufen, werden die Logistikstandorte vermehrt Ladestationen benötigen? Wird die elektrische Versorgung dieser Standorte strategische Bedeutung bekommen?

Ausblick: Durch die Corona-Pandemie und den Krieg in Europa sind in Deutschland viele Probleme offenbar geworden, die zukünftig gemeistert werden müssen. Da die Lösungen in vielen Fällen nicht in den Händen der Immobilienmarktteilnehmer liegen, sind seriöse Prognosen schwer zu erstellen. Es wird viel davon abhängen, wie die gewählten Volksvertreter die Krisen meistern werden. Da Immobilien jedoch stets der Grundstein des Wohnens und Wirtschaftens sind, darf von diesem Markt dennoch eine gewisse Stabilität erwartet werden.

(Einschätzung von Diplom-Kaufmann Ralf Colditz, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Immobilienbewertung der IHK zu Kiel und Leiter der Gutachten-Abteilung der OTTO STÖBEN GmbH)










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