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02.08.2022 Zinsen: Die konjunkturelle Abschwächung rückt in den Fokus

Trotz der immer noch hohen Inflation sinken die langfristigen Zinssätze für Staatsanleihen. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass sich die Aufmerksamkeit der Finanzmarktteilnehmer auf die makroökonomische Verlangsamung verlagert.

Fed Funds Futures diskontieren die kurzfristigen US-Zinsen weiter nach oben (+200 BP bis Jahresende), erwarten aber für 2023 eine Senkung um einen Prozentpunkt. Diese Erwartungen deuten auf eine makroökonomische Abschwächung in der zweiten Jahreshälfte 2022 hin, wobei die Inflation zurückgeht. Dann könnte sich die Fed darum kümmern, eine übermäßige Verlangsamung zu vermeiden, indem sie die monetären Bedingungen lockert.

Anleger werden nach einer Bestätigung dieses günstigen Szenarios in Form von schwächeren Makrodaten und einer moderaten Inflation Ausschau halten. Positiv in dieser Hinsicht ist der jüngste Rückgang der Industriemetall- und Ölpreise.
In Anbetracht der Wahlen ist die Aufmerksamkeit der Anleger wieder auf Italien gerichtet. Das Thema ist eng verbunden mit den Entscheidungen der EZB. Die Zentralbank hat den Markt sorgfältig auf die Zinserhöhung vorbereitet und den Anti-Spread-Mechanismus überzeugend konzipiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine Kampagne gegen die EU-Skepsis erforderlich, um eine allzu große Volatilität der italienischen Staatsanleihen zu verhindern.

In China kam es im zweiten Quartal zu einer deutlichen Verlangsamung, aber die Wiedereröffnung der Märkte und die Lockerung der monetären Bedingungen führen dazu, dass sich die Wirtschaft im dritten Quartal wieder beschleunigt.

Thema des Monats:

Die Märkte stellen sich auf eine kontrollierte Verlangsamung ein
Die Tatsache, dass die Zinsen trotz der immer noch starken Inflation im Juli sinken, ist ein Anzeichen dafür, dass sich der Fokus der Anleger von der Inflation auf die weltweite Konjunkturabschwächung verlagert.

Die Erwartungen, die in den kurzfristigen Zins-Futures für die USA und den EUR zum Ausdruck kommen, spiegeln das derzeitige Szenario der Anleger wider. Die Fed Funds dürften bis Ende des Jahres auf 3,4 % ansteigen (etwa +150 BP gegenüber dem derzeitigen Niveau). Bis 2023 wird jedoch eine Senkung um etwa einen Prozentpunkt erwartet. Die kurzfristigen US-Zinsen würden dann ab 2024 wieder langsam ansteigen. Was die EZB betrifft, so sagen die Geldmarkt-Futures für Ende 2022 einen Zinssatz von 1,5 % voraus, d. h. +100 BP gegenüber dem derzeitigen Stand, und im nächsten Jahr einen Stillstand, um dann wiederum ab 2024 langsam wieder zu steigen.

Aus makroökonomischer Sicht deuten diese Erwartungen auf eine Konjunkturabschwächung in der zweiten Jahreshälfte 2022 und einen damit einhergehenden nachlassenden Inflationsdruck hin. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnten die Zentralbanken dafür sorgen, dass es zu keiner allzu deutlichen Verlangsamung kommt: die Fed durch eine Lockerung der monetären Bedingungen, die EZB durch eine Aussetzung der Straffung.

Voraussetzung für die Bestätigung dieses günstigen Szenarios ist, dass die Makrodaten in den kommenden Monaten weiterhin eine allmähliche Abschwächung zeigen und sich Anzeichen einer moderaten Inflation einstellen.

Positiv zu vermerken sind der Rückgang der Industriemetallpreise, der möglicherweise auf einen Nachfragerückgang zurückzuführen ist, und die Rückkehr des Ölpreises unter die Marke von 100 USD pro Barrel. Die Verbraucherpreise werden voraussichtlich ab Juli sinken. Dies wird sich vor allem in den USA bemerkbar machen. Denn in Europa wird der Rückgang des Ölpreises durch den Anstieg des Erdgaspreises ausgeglichen, der durch die Verringerung der Lieferungen aus Russland bedingt ist.

Die größten Nutznießer der makroökonomischen Verlangsamung wären die Kernanleihemärkte, z. B. die USA und Deutschland. Der Rückgang der mittel- und langfristigen Zinssätze in den letzten Wochen zeigt bereits, dass sich der Kontext geändert hat.

Die 10-jährige US-Anleihe hat 3,5 % erreicht und liegt jetzt bei 2,8 %, die Bundesanleihe ist von 1,9 % auf 0,9 % zurückgefallen. Die US-Zinskurve im 10- bis 2-jährigen Bereich ist leicht invertiert (die 2-jährige liegt bei 3 %). Die Bundesanleihekurve hingegen nicht, denn der Anstieg der kurzfristigen Zinsen (EZB) steht erst am Anfang, könnte aber noch vor Ende des Jahres erfolgen.

Die langfristigen Zinssätze könnten weiter fallen, solange die makroökonomische Verlangsamung weiterhin im Mittelpunkt steht. Eine Rückkehr zu den Niveaus der ersten Monate des Jahres, in der Größenordnung von 2 % für die US-Anleihen und 0 % für Bundesanleihen, scheint jedoch unwahrscheinlich, es sei denn, es kommt zu einer abrupten Verlangsamung mit einer echten globalen Rezession.

Zum jetzigen Zeitpunkt erscheinen die kurz- und mittelfristigen Aussichten für die Kernanleihemärkte in jedem Fall günstig. Wenn das Szenario einer kontrollierten Verlangsamung eintritt, werden die langfristigen Zinsen nicht steigen, sondern könnten sogar noch weiter sinken. Sollte hingegen das Risikoszenario, d. h. eine ausgewachsene Rezession, eintreten, würden die Zinssätze stark sinken, was einen Schutz für die Portfolios darstellen würde.

Was die Aktien anbelangt, so ist festzustellen, dass der Rückgang der langfristigen Zinssätze im vergangenen Monat ausreichte, um die Aktienmärkte wieder nach oben zu treiben. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Aktienbewertungen bereits ein gewisses Maß an makroökonomischer Verlangsamung einkalkulieren.

Solange die Erwartungen auf eine kontrollierte Verlangsamung gerichtet sind – und dazu müssen wir die angedeuteten Fed-Sätze für 2023 und die Rohstoffpreise verfolgen – könnte die Stabilisierung der Anleihenmärkte ausreichen, um die Aktienmärkte zu stützen. Nimmt die Wahrscheinlichkeit einer abrupten Verlangsamung zu, könnte die Volatilität jedoch zurückkehren. Jedoch scheint die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios derzeit zu sinken.

(Quelle: Eurizon Investmentausblick August 2022)





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