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16.08.2022 Wohninvestments verzeichnen starken Rückgang

Als qualifizierte wissenschaftliche Orientierungshilfe am Wohninvestmentmarkt hat Aengevelt Research im Jahr 2008 den Aengevelt-Wohninvestment-Index AWI* entwickelt. Er erfasst regelmäßig die Einschätzungen von rd. 200 Experten aus allen Bereichen der Wohnungswirtschaft, die in Summe eine hohe sechsstellige Anzahl von Wohneinheiten in allen Teilen Deutschlands repräsentieren, zu Marktstimmungen und -entwicklungen.

Nachdem der AWI im Sommer 2020 als „Corona-Reaktion“ einen starken Einbruch auf nur noch 49,2 Punkte verzeichnete, erhöhte sich der Wert bereits in der Winterbefragung 2020/2021 wieder deutlich auf 70,5 Punkte und stellte sich in der Winterbefragung 2021/2022 mit 74,1 Punkte auf ein hohes Niveau.
In der aktuellen Sommerbefragung 2022 folgte nun erneut ein starker Rückgang um 18,1 Punkte auf 56 Punkte. Dabei vollzog sich der Rückgang über alle Wohnlagen:

• In guten Lagen gab der AWI um 18,8 Punkte auf aktuell 58 nach (Winter 2021/2022: 76,8). Die mittleren Lagen verzeichnen den größten Rückgang um 20,9 auf 57,1 Punkte (Winter 2021/2022: 78), während die einfachen Lagen mit einem Minus von 13,6 Punkten den niedrigsten Wert mit 53,7 Punkten erreichen (Winter 2021/2022: 67,3).

„Mit zunehmender Volatilität durch Ukraine-Krieg, Energiekrise und steigende Inflation musste der AWI den zweiten markanten Rückgang innerhalb kurzer Zeit verzeichnen“, kommentiert Dr. Wulff Aengevelt die Ergebnisse und ergänzt: „Der weitere Verlauf ist an die Entwicklungen der Rahmenbedingungen gekoppelt.“ Vor diesem Hintergrund ist – anders als im Sommer 2020 – diesmal nicht kurzfristig mit einer deutlichen Erholung des AWI zu rechnen.

„Mögliche Erholungstendenzen werden durch die aktuellen Herausforderungen für die Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft und damit auch die Immobilienbranche gebremst. Insbesondere der Ukraine-Krieg, die weltweiten Lieferengpässe sowie steigende Energie- und Baukosten kehren die bis dahin guten Erwartungen um“, beschreibt Lara Zautys, Analystin von Aengevelt Research, die aktuelle Situation und führt weiter aus: „Darüber hinaus bedroht die aktuelle Zinsentwicklung das Engagement von Projektentwicklern und Investoren, so dass die Bautätigkeit im Wohnungsbau abkühlt. Trotz des enormen Bauüberhangs aufgrund nicht direkt in Fertigstellungen umgesetzter Baugenehmigungen ist deshalb mit einem Rückgang der Fertigstellungszahlen zu rechnen. Das ausgegebene Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohneinheiten im Jahr rückt damit in weite Ferne.“

Die Folge ist aus Sicht von Lara Zautys eine weiterhin markante Wohnungsknappheit, insbesondere in den Wachstumskernen und im bezahlbaren Segment. Zumal signifikant steigende Energie- und damit Gesamtbetriebskosten zu einer weiter steigenden Nachfrage nach mietpreisgünstigeren Wohnungen führten. Entsprechend sei gerade in einfachen Wohnlagen nicht mit einem sinkenden Mietpreisniveau zu rechnen, vielmehr mit dem Gegenteil.

Mietwohnungsmarkt

Die aktuellen Befragungsergebnisse bestätigen die Einschätzung von Lara Zautys: Der Anteil der Befragungsteilnehmer, die von steigenden Mietpreisen in einfachen Wohnlagen ausgehen, stieg von 47 % im Winter 2021/2022 auf 54 % in der aktuellen Befragung. In guten und mittleren Lagen ging der Anteil hingegen um 10,7 bzw. 8 Prozentpunkte zurück.

Wohnungsneubau und Sanierung

• Die gedämpfte Stimmung spiegelt sich auch bei der Frage nach Investitionen in den Mietwohnungsneubau wider: Aktuell erwarten nur noch 16 % der Befragten einen Anstieg der Investitionen. In der Winterbefragung 2021/2022 waren es mit 42 % noch 26 Prozentpunkte mehr.

• Die Bedeutung der Modernisierung bzw. Sanierung von Wohnungsbeständen ist in der aktuellen Befragung differenziert zu betrachten: Lediglich 30 % der Befragten erwarten steigende Investitionen in Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, im Winter 2021/2022 waren es noch 52 %. Dagegen sind es hinsichtlich steigender Investitionen in die energetische Gebäudesanierung 56 %, in guten Lagen sogar 64 %.

• „An diesen Werten“, so Lara Zautys, „lässt sich die angesichts der aktuellen Energiekrise, die sich zum Winter noch verschärfen wird, die steigende Relevanz von nachhaltigen Energieeinsparungspotentialen im Gebäudebereich ablesen. Dies wird ungeachtet steigender Bau- und Sanierungskosten auch in den nächsten sechs Monaten ein wichtiges Thema sein.“

Wohninvestments: Gedämpfte Nachfrage

• Hinsichtlich der Erwartung an die Kapitalwert-Entwicklung von Wohninvest¬ments erreichte der AII (AENGEVELT-Investment-Index) in der Sommerbefragung 2021 mit 77,8 Punkten einen neuen Spitzenwert und verblieb auch im Winter 2021/2022 76,7 Punkten auf hohem Niveau.
Aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen und Verunsicherungen sinkt der AII in der aktuellen Sommerbefragung um 36,9 Punkte auf einen historischen Tiefstand von 40,9 Punkten.

• In guten Lagen gab der AII-Subindex um markante 34,2 Punkte auf 47,1 nach.
In mittleren Lagen sank der AII noch deutlicher um 39,2 Punkte auf aktuell 41,2.
In einfachen Lagen ist der Index ebenfalls gesunken, und zwar um 31,7 Punkte auf aktuell 37,8 (Winter 2021/2022: 69,5) – ein historischer Tiefpunkt.

• Über alle Lagekategorien hinweg rechnen nur noch 21 % mit einer steigenden Nachfrage nach Wohninvestments. Im Winter 2021/2022 waren es noch 61 %. Dagegen erwarten 45 % der Befragten einen Rückgang der Nachfrage.

• Entsprechend erwarten lediglich 24 % der Befragungsteilnehmer steigende Preise für Wohninvestments (Winter 2021/202: 71 %). 41 % rechnen mit sinkenden Preisen. Im Winter 2021/2022 waren es gerade einmal 6 %.

Fazit

• Der AWI bestätigt mit seinem starken Rückgang die zunehmende Volatilität im Wohninvestmentbereich und die damit einhergehende Verunsicherung von Investoren und Projektentwicklern. Dies spiegelt sich aktuell auch in zurückgestellten oder sogar ganz zurückgezogenen Wohnbauprojekten.

• Problematisch ist zudem die steigende Gesamtmietkostenbelastung, für die insbesondere einkommensschwächere Haushalte nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung mehr als 40 % ihres Einkommens ausgeben. Angesichts der aktuellen Energiekrise ist hier ein weiterer deutlicher Anstieg zu befürchten. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass notwendige Sanierungen nicht durchgeführt werden, da dadurch die Mietkostenbelastung für die Bewohner weiter steigen würde und zudem eine geringe Planungs- und Kostensicherheit für die Maßnahmen besteht. Gleichzeitig stehen Personalmangel, Lieferengpässe und steigende Baustoffpreise notwendigen Investitionen in energetische Sanierungen entgegen.

• Anders als im Sommer 2020, als der Einbruch des AWI vorrangig als kurzzeitige “Schockreaktion“ auf die Corona-Pandemie zu werten war, hängt seine Erholung in der jetzigen Situation von der weiteren Entwicklung der beschriebenen Rahmenbedingungen und einer Entspannung der Mark- und Wirtschaftslage ab. Vor diesem Hintergrund sind belastbare und zuverlässige Prognosen über die zukünftige Marktentwicklung und den damit verbundenen Zeithorizont nicht seriös möglich.


* Der AWI ist ein Kompositindex und berücksichtigt einerseits die zukünftige Entwicklung der Nachfrage nach Mietwohnungen, des Mietwohnungsangebotes, der Wohnungsleerstände und der Wohnungsmieten sowie andererseits Einschätzungen zur zukünftigen Angebots-, Nachfrage- und Kaufpreis-Entwicklung im Wohninvestmentsegment.





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