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31.08.2022 Pro Jahr 400.000 neue Wohnungen: Scheitern die Pläne der Regierung?

400.000 neue Wohnungen jährlich. So die Ziele des im vergangenen Jahr vorgestellten Koalitionsvertrages der Bundesregierung. Wirkten die Pläne 2021 noch ambitioniert, aber machbar, dürfte 2022 das Vorhaben zunichtemachen. Schon nachdem die Hypothekenzinsen um den Jahreswechsel sprunghaft angestiegen waren, reagierten Marktteilnehmer verschnupft. Vor allem Häuslebauer, deren Wohnträume schon zuvor „auf Kante“ genäht waren, resignierten. Bauämter berichten von vielen zurückgezogenen Bauanträgen. Was in der ersten Hälfte in erster Linie private Bauherren betroffen hat, erreicht inzwischen auch die Profis – immer weniger Projektentwickler bringen neue Bauvorhaben voran.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Auch hier dürften die Finanzierungsbedingungen zumindest nicht förderlich sein. Doch viel schwerer wiegt die Unsicherheit, die aktuell mit neuen Projekten verbunden ist: Material wird quartalsweise teurer, Handwerker sind rar und stehen unter Druck. Damit werden neue Bauprojekte immer schlechter planbar. Schon vor der aktuellen Lage mussten Neubau-Wohnungen in mittleren Lagen im Süden Deutschlands um 15 Euro je Quadratmeter vermietet werden, um profitabel zu sein. Professionelle Bauherren berichten angesichts des Preisdrucks und der Unsicherheit, dass sie in Zukunft eher 20 Euro je Quadratmeter erzielen müssten, um auf der sicheren Seite zu sein. Doch wer kann diese Mieten noch bezahlen?

Auch wenn der deutlich abgekühlte Markt für Einfamilienhäuser zur Folge hat, dass mehr Menschen Mietwohnungen nachfragen, bleibt die Frage, welche Familie sich 2.000 Euro Kaltmiete für eine Vier-Zimmer-Wohnung mit 100 Quadratmetern leisten kann und will? Vieles spricht dafür, dass das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen weder 2022 noch 2023 erreicht wird. Selbst wenn sich die inflationäre Lage bis dahin ändert, dürfte es eine Weile dauern, bis Projektentwickler auf bessere Marktbedingungen reagieren. Damit wird es mit der Zielvorgabe auch 2024 eng. Zur Erinnerung: 2021 wurden in Deutschland lediglich 293.393 Wohnungen fertiggestellt.

Was bedeutet diese Gemengelage für den Immobilienmarkt? Mieten dürfte auch in den kommenden Jahren für viele Menschen die bevorzugte Wohnform sein. Angesichts steigender Energiepreise dürften viele Menschen Umzugspläne aber erst einmal hintenanstellen und sich vorerst nicht wohnlich verbessern und vergrößern wollen. Langfristig dürfte der Bestand allerdings von der Bauflaute profitieren und die Mieten weiter steigen. Angesichts der unterschiedlich hohen Mietzinsen zwischen Bestand und Neubau gibt es dafür auch Potenzial.

Besonders profitieren dürften Bestandswohnungen, die bereits energetisch saniert sind und über moderne Heizsysteme oder gar Photovoltaik-Anlagen verfügen. Derartig modernisierte Bestandsgebäude spielen ihre Stärken am Markt aus und dürften aus vielerlei Gründen gefragt sein. Für Vermieter von Bestandsgebäuden ohne energetische Sanierungen wird es auch angesichts der kürzlich gestrichenen Förderung für entsprechende Maßnahmen eng. Mieter sind sensibilisiert und berücksichtigen Nebenkosten längst bei der Entscheidung, wo sie künftig wohnen wollen.

(Kommentar von Ulrich Jehle, Geschäftsführer der Real Estate & Asset Beteiligungs GmbH)






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