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26.09.2022 München: Mehr Allgemeinwohl durch das Baulandmobilisierungsgesetz?

Am 23. Juni 2021 trat das Baulandmobilisierungsgesetz (BauMobG) in Kraft, das den Kommunen die Mobilisierung von zusätzlichem oder der Nutzung bestehenden Baulands für Wohnzwecke erleichtern soll. Im Baugesetzbuch (BauGB) werden die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung mehrfach ausdrücklich zum Allgemeinwohl erhoben.

Wie sich Wohnbedürfnisse in München erfüllen lassen, ist der amtlichen Statistik zu entnehmen: Bei den von Anfang 2015 bis Ende 2019 fertig gestellten 6.268 Wohngebäuden mit zusammen 35.339 Wohnungen handelt es sich zu 58% um Ein- und Zweifamilienhäuser. Bereits 2011 wurde deren ebenso hoher Anteil am Gesamtgebäudebestand festgestellt. In nur 42% der Neubauten befinden sich 89% der neu geschaffenen Wohnungen. Münchens Bevölkerung wuchs zwischen 2016 und 2020 um rund 410.000 Einwohner; das sind 11,6 Personen je neu gebauter Wohnung.

Die Einschätzung der Münchener Experten von Bosseler & Abeking: „Nur eine Reduzierung bisheriger Einschränkungen kann das Wohnungsangebot auf einfache Weise erhöhen.“

Seit Einführung des BauMobG kann gemäß § 31 Satz 2 Nr. 1 BauGB ausdrücklich von den Festlegungen gültiger, aber oft veralteter Bebauungspläne abgewichen werden. Nach § 31 Satz 3 BauGB sind - vorerst temporär bis Ende 2026 – im Einzelfall weitergehende Genehmigungen gegen die bisherigen Grundzüge der Planung möglich, wenn ein Gebiet von der Landesplanung nach den Kriterien des neuen § 201a BauGB zum „angespannten Wohnungsmarkt“ bestimmt wurde. Beides kann durchaus auch in München Potentiale für Verdichtung und Aufstockung erschließen.

In reine „Orientierungswerte“ wurden somit die strengen Obergrenzen für die Maße baulicher Nutzung umgewandelt. Die Erweiterung der Einzelfallbefreiungen des §34 Abs. 3a BauGB kann somit zu Vereinfachungen führen.

Diese gesetzlichen Regelungen erweitern zwar den Spielraum der Genehmigungsbehörden, begründen aber keinerlei Anspruch der Bauherren. Der Geschäftsführer von Bosseler & Abeking, Andreas Köhler konstatiert: „Für uns als Berater heißt das, für Eigentümerinnen und Investoren vor allem die neuen Möglichkeiten im Einzelfall konkret auszuloten und bei der Verwaltung auf ihre bestmögliche Gestaltung zu drängen.“

Zunächst bis Ende 2024 lassen sich im Innenbereich sektorale Bebauungspläne zur Wohnraumversorgung (§ 9 Abs. 2d BauGB) aufstellen, die nicht nur Wohnbauvorhaben im Allgemeinen bevorzugen können, sondern ebenfalls ausschließlich solche, die mindestens teilweise die Bedingungen sozialer Wohnraumförderung erfüllen und einhalten. Das muss jeweils örtlich konkretausformuliert werden.

In München wird das Instrument der „Sozialgerechten Bodennutzung“ (SoBoN) bereits seit 1994 auch zur Begrenzung sozialer Segregation eingesetzt. Bis 2020 wurden damit 176 Bebauungspläne rechtsverbindlich. Die zugelassene Geschossfläche umfasste zu 21% Industriebauten, zu 31% wohnverträgliches Gewerbe und zu 48% Wohngebäude. Dabei ließen sich über städtebauliche Verträge unter anderem 59.130 Wohneinheiten errichten, von denen 27% öffentlich gefördert wurden.

Seit 28. Juli 2021 gilt für Wohnbauflächen ein verschärftes, aber variableres System aus drei Grundbausteinen, das als Basismodell einen 60%-Anteil geförderter Wohnungen und ein Aufteilungsverbot für 80% der Geschossfläche vorsieht, sowie eine Erhöhung des Infrastrukturkostenbeitrags um 75%. Die Sozialbindung besteht für 40 Jahre. Ein Teilverkauf an die Stadt oder an ein genossenschaftliches Konzept gestattet Befreiungen.

Das Ziel einer „Eigentumsbildung weiter Teile der Bevölkerung“ berücksichtigt die SoBoN-Novelle nicht mehr. Die Eigentumsquote liegt in München seit 2014 unverändert bei 25%. Für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt führt § 250 BauGB zusätzlich einen Genehmigungsvorbehalt bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Bestandsgebäude ein.

Im BauMobG werden der Kommune zur Sicherung ihrer Bauleitplanung dort zusätzliche Vorkaufsrechte eingeräumt, wo privates Grundeigentum nach Ansicht des Gesetzgebers im Einzelfall diesem Allgemeinwohl entgegensteht. Das kann laut §24 Abs. 3 Satz 2 BauGB in Plangebieten und im Innenbereich sein, laut § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BauGB in Sanierungsgebieten und auf Flächen, für die ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot besteht, sowie gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und § 25 Abs. 1 Nr. 3 insbesondere an für den Wohnungsbau geeigneten Brachflächen.

Da es bislang kein Potentialflächenkataster für München gibt, werden die Identifizierung betreffender Flächen und die Klärung der tatsächlichen Bebauungshindernisse in jedem Einzelfall ressourcenintensiv. Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Fälle, in denen tatsächlich derart mühsam um Verfügungsrechte gerungen werden muss, in München gering bleibt – und dementsprechend wohl auch das Baulandmobilisierungspotential.

„Im individuellen Fall allerdings können eine klare juristische Strategie und erhebliches Verhandlungsgeschick erforderlich sein, um sich mit der Stadtverwaltung ins Benehmen zu setzen.“, so die Geschäftsführung von Bosseler & Abeking.

Der Gutachterausschuss München verzeichnete zwischen 2016 und 2020 insgesamt 408 veräußerte Baugrundstücke für Geschosswohnungen, von den 51% öffentlich gefördert wurden. Ihr Quadratmeterpreis lag im Mittel um 86% unter dem frei finanzierter und fiel jährlich um durchschnittlich 7%. In der Regel werden zusätzlich Planungskosten von 100 € je m² Wohngeschossfläche vereinbart.

Der geförderte verkaufte Flächenanteil betrug zwischen 2016 und 2020 rund 57% bei einem Anteil an der Gesamtzahl der Kaufverträge von 49%. Der Quadratmeterpreis für frei finanzierte Geschoßwohnungsbaugrundstücke stieg in diesem Zeitraum im Mittel um jährlich 25%, Bauflächen für individuellen Wohnungsbau mit maximal zwei Geschossen dagegen nur um 14%. „Die reine Lehre hält das für ein deutliches Zeichen unterschiedlicher Knappheit,“ beurteilt Andreas Köhler von Bosseler & Abeking diese Marktlage.

Nach den Zahlen des Gutachterausschusses standen auf 70% der von 2016 bis 2020 verkauften, mit Wohngebäuden bebauten Gesamtfläche maximal zweigeschossige Gebäude, deren Quadratmeterpreis im Mittel um durchschnittlich jährlich 9% stieg. Ihre Verkäufe umfassten mit 49% des Umsatzvolumens im Wohnsegment das gleiche Volumen wie größere, frei finanzierte Mehrfamilienhäuser. Da Sharedeals dem Gutachterausschuss nicht gemeldet werden müssen, lag das Gesamthandelsvolumen jedoch über den hier erfassten Werten.

Der Durchschnittskaufpreis für fertige Geschosswohngebäude je Quadratmeter bebautem Grund steigerte sich in diesem Zeitraum im Mittel dagegen um rund 15% pro Jahr. Wohnungsmieten wurden in diesem Zeitraum ebenfalls um durchschnittlich 15% erhöht. Die Mietsteigerungen lagen damit zwar weit über dem bayerischen und bundesdeutschen Durchschnitt, bilden in dieser Verallgemeinerung aber letztlich nur die Kaufpreisentwicklung ab. Der Anteil geförderter Grundstücksflächen am Handel mit Geschosswohngebäuden betrug nur 8%, bei einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 59% unter dem der frei finanzierten Objekte und 5% durchschnittlicher jährlicher Preissteigerung. „Wohngebäude mit Sozialbindung können insofern als dem Markt entzogen angesehen werden,“ so Andreas Köhler. „Der Preisanstieg im frei finanzierten Segment beschleunigt sich dagegen weiter schon in der ersten Runde der Preisspirale.“

Investive Impulse für den Wohnungsbau in München können bei konsequenter Anwendung der Lockerungsmöglichkeiten des BauMobG mit dem Ziel einer stärkeren Bevorzugung des Geschosswohnungsbaus durchaus erwartet werden, so das Fazit der Experten von Bosseler & Abeking.





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