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07.10.2022 Kreditkosten und Inflation bremsen Wohninvestmentmarkt aus

Das gestiegene Zinsniveau und die hohe Inflation lähmen zunehmend den deutschen Wohninvestmentmarkt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres summiert sich das Transaktionsvolumen auf 10,2 Milliarden Euro – ein Rückgang im Jahresvergleich um mehr als die Hälfte (Q1-Q3 2021: 21,2 Milliarden Euro).

Im dritten Quartal wurden Wohnungen für rund 3,1 Milliarden Euro gehandelt und damit in ähnlicher Größenordnung wie im Vorquartal (3,05 Milliarden Euro). Im Vergleich zum Vorjahresquartal fällt der Umsatz allerdings um fast drei Viertel niedriger aus, im Fünfjahresschnitt steht ein Minus von 46 Prozent zu Buche.

Waren es in der ersten Jahreshälfte 2022 vor allem die risikoreicheren Transaktionen, bei denen sich die Marktteilnehmer deutlich zurückhaltender zeigten, so ist nun die Aktivität auf dem Wohninvestmentmarkt auf breiter Front zurückgegangen. „Der starke Anstieg der Kreditkosten und die anhaltend hohe Inflation haben die Investoren auf dem institutionellen Wohnungsmarkt in den vergangenen Monaten zunehmend abgeschreckt und viele von ihnen abwarten lassen. Dies spiegelt sich deutlich in dem niedrigeren Transaktionsvolumen wider“, erläutert Michael Bender, Head of Residential JLL Germany.

Nach wie vor dominieren kleine und mittelgroße Deals das Marktgeschehen. Mit insgesamt rund 110 registrierten Abschlüssen lag die Zahl der Transaktionen im dritten Quartal sogar über dem Quartalsdurchschnitt der vergangenen fünf Jahre (rund 96 Abschlüsse). Die Durchschnittsgröße der abgeschlossenen Deals fiel mit 29 Millionen Euro jedoch auf einen Tiefstwert in der Fünfjahresbetrachtung.

Viele Marktteilnehmer warten noch ab

In Abhängigkeit von Produkt und Qualität sind Preiskorrekturen zu beobachten. Daraus lässt sich jedoch kein Trend für den Gesamtmarkt ableiten, da einige Marktteilnehmer zurzeit in eine passive Rolle geschlüpft sind. So finden sich sowohl auf der Seite der potenziellen Käufer als auch auf Verkäuferseite viele Akteure, die aufgrund der aktuellen Marktphase selektiv und preissensibel agieren.

„Wenn vermehrt nur solche Deals abgeschlossen werden, bei denen sich der Verkäufer in einer besonders schwachen Verhandlungsposition befindet, dann kommt es zu einer systematischen Selektion. Das bestärkt viele Akteure in ihrer Entscheidung, das Marktgeschehen in der aktuellen Phase eher von der Seitenlinie aus zu beobachten“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

Diese Marktverengung wird auch in den Käuferprofilen sichtbar. So entfällt in den ersten neun Monaten dieses Jahres allein auf Asset-/Fondsmanager und Immobilienunternehmen ein Anteil von rund 77 Prozent vom Transaktionsvolumen. In den vergangenen fünf Jahren kamen diese Käufergruppen dagegen nur auf einen Anteil von durchschnittlich 29 Prozent.

Nachfrageüberhang sorgt für Preisstabilität

Dass viele Deals zurzeit nicht zustande kommen, könnte mit den unterschiedlichen Erwartungen an die kurz- und langfristige Marktentwicklung zu tun haben. Kurzfristig wird der Wohninvestmentmarkt mit einer anhaltend hohen Inflation und dem Risiko einer Rezession konfrontiert. Die Leitzinsen werden im kommenden Jahr nochmals anziehen – voraussichtlich auf bis zu vier Prozent. Daher ist mit einem weiteren Anstieg der Hypothekenzinsen zu rechnen.

Durch die höheren Kreditkosten sinkt die Nachfrage auf dem privaten Wohneigentumsmarkt. Ein beträchtlicher Teil der Kaufinteressenten dürfte sich dem Mietmarkt zuwenden, was den in vielen Regionen bestehenden Nachfrageüberhang noch verschärft. Gestützt wird die Nachfrage nach Wohnraum durch die wachsende Bevölkerung. Im September meldete das Statistische Bundesamt, dass erstmals mehr als 84 Millionen Menschen in Deutschland leben – ein Zuwachs um rund 840.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr.

Während die Nachfrage auf den Mietwohnungsmärkten zunimmt, kommen von der Angebotsseite weniger Impulse. Viele Bauprojekte stehen aufgrund der hohen Kredit- und Baukosten still beziehungsweise wurden storniert. „Das wird sich mit größerem Zeitversatz bei den Fertigstellungen bemerkbar machen. Längerfristig wird daher die Nachfrage auf den Mietwohnungsmärkten das Angebot deutlich übersteigen. Eine Entwicklung, die sich preisstabilisierend auf den Markt auswirken dürfte“, ist Bender überzeugt.

Kurzfristig wird sich die höhere Nachfrage dagegen nicht vollständig auf die Nettomieten auswirken, insbesondere in energetisch schlechteren Bestandsgebäuden. „Die hohen Energiepreise sowie die allgemeinen Preissteigerungen bringen viele Haushalte bereits in Finanzierungsnöte. Höhere Nettomieten können sie sich schlicht nicht leisten“, unterstreicht Scheunemann.

Energieeffiziente Gebäude haben einen Wertvorteil

Die wachsende Relevanz der Wohnnebenkosten lenkt die Aufmerksamkeit daher zunehmend auf die Energieeffizienz von Gebäuden. „Immobilien mit einer hohen Energieeffizienz reagieren weniger empfindlich auf Energiepreisänderungen und sind daher in der aktuellen Marktphase krisenfester. Der Wertunterschied zwischen energieeffizienten und weniger effizienten Gebäuden dürfte sich mittelfristig wieder deutlich vergrößern“, meint Scheunemann.





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