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14.11.2022 Wohnhäuser mit schlechter Energiebilanz leiden unter Preisabschlägen

Die enorm gestiegenen Gas- und Strompreise sorgen für eine zunehmende Spaltung des Wohnungsmarkts in Gebäude mit guter Energieeffizienz auf der einen und Gebäude mit relativ hohem Energieverbrauch auf der anderen Seite. Einer Analyse von JLL zufolge werden Gebäude mit schlechter Energiebilanz mit immer höheren Wertabschlägen bestraft. Die Preisdifferenz zu energieeffizienten Immobilien beträgt im ersten Halbjahr 2022 zwischen zwölf und 33 Prozent im Mittel. „An Märkten mit hohem Angebotsüberhang und schlechterer Verhandlungsposition der Verkäufer steigt der Preisabschlag in Einzelfällen auf fast 50 Prozent. Und das ist nur auf den Effekt der besseren Energieeffizienz zurückzuführen“, erklärt Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation & Transaction Advisory JLL Germany.

Im Vergleich zum Vorjahr sind die mittleren Preisabschläge nochmals deutlich gestiegen, im Schnitt um sechs Prozentpunkte. „Es wird immer deutlicher, dass Immobilien mit besserer Energieeffizienz weniger empfindlich auf die aktuelle Versorgungskrise reagieren und sich somit als resilienter erweisen“, kommentiert Heidrich.

Abschläge bei Kaufpreisen und Mieten fallen deutlich höher aus als vor einem Jahr
Für die Untersuchung hat JLL Angebotsdaten für Wohngebäude der jeweiligen Energieeffizienzklassen im ersten Halbjahr 2022 sowie in der Vorjahresperiode ausgewertet und miteinander verglichen. Berücksichtigt wurden sowohl Kaufpreise als auch Mieten. Bei den Nettokaltmieten fällt der Abschlag mit durchschnittlich 2,5 Prozentpunkten niedriger aus als bei den Kaufpreisen. Aus Sicht von Heidrich eine nachvollziehbare Entwicklung: „Die Marktwertberechnung von Mehrfamilienhäusern basiert schließlich auf einer Multiplikation der Mieterträge.“

Die geringere Zahlungsbereitschaft der Mieter verdeutlicht laut Sebastian Grimm, Head of Residential Valuation JLL EMEA, dass die Mieterhaushalte mit steigenden Energiepreisen sensibler auf den Energieverbrauch der Wohnungen reagieren. „Die Folge ist, dass insbesondere in Märkten mit einem Angebotsüberschuss, Wohngebäude mit schlechterer Energieeffizienz deutlich stärker abgestraft werden.“ Auf diesen Märkten sei das Niveau der Nettokaltmieten in der Regel niedriger. „Das bedeutet, dass der relative Anteil der warmen Wohnnebenkosten höher ist und somit einen größeren Einfluss auf den Entscheidungsprozess der Nachfrager hat“, erläutert Grimm.

Mieter müssen im Schnitt eine Bruttowarmmiete mehr bezahlen

In den vergangenen Jahren waren die warmen Wohnnebenkosten kein wesentliches Kriterium bei der Wohnungswahl. Seit Anfang 2022 steigen die Preise für das Heizen jedoch deutlich. Im August 2022 kletterte der Preis für Heizöl im Vergleich zum Vorjahr um knapp 95 Prozent, für Erdgas musste rund 59 Prozent mehr bezahlt werden, und die Kosten für Fernwärme waren immerhin noch 36 Prozent höher als im Vorjahr.

Für die Haushalte schlagen sich die erhöhten Beschaffungskosten erst nachgelagert in den Verbraucherpreisen nieder. JLL geht in einem Basisszenario davon aus, dass Mieterhaushalte auf Zwölfmonatssicht mit zusätzlichen Kosten für Heizung und Strom in Höhe von durchschnittlich 470 Euro pro Wohnung rechnen müssen. Legen die Strom- und Heizpreise noch kräftiger zu, kommt auf die Privathaushalte eine mittlere Mehrbelastung von rund 740 Euro zu. Höhere Nettokaltmieten und kalte Nebenkosten eingerechnet, dürften sich die Zusatzkosten auf rund 800 Euro beziehungsweise 1.080 Euro pro Wohnung belaufen. „Für den durchschnittlichen Privathaushalt ergibt sich daraus eine zusätzliche Mietbelastung pro Jahr, die knapp unter einer Bruttomonatsmiete liegt“, unterstreicht Grimm.

Die finanzschwächeren Haushalte sind dagegen überproportional von den steigenden Energiepreisen betroffen. Während das untere Viertel der Einkommensverteilung mit einer Mehrbelastung von deutlich über einer Bruttomonatsmiete rechnen muss, dürften die Zusatzkosten beim obersten Viertel rund eine halbe Bruttomonatsmiete betragen.
Wirtschaftlicher Gesamtschaden könnte bis auf 32 Milliarden Euro wachsen
„Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene tritt der Effekt noch deutlicher zutage: Im Zeitraum vom zweiten Quartal 2022 bis zum zweiten Quartal 2023 wird es je nach betrachtetem Szenario zu einer zusätzlichen Belastung der privaten Haushalte in Höhe von insgesamt circa 22 Milliarden bis 32 Milliarden Euro kommen, die allein auf den Anstieg der Energieverbraucherpreise zurückzuführen ist“, rechnet Grimm vor.

Die aktuelle Energiekrise trifft den deutschen Wohnungsmarkt zu einem besonders sensiblen Zeitpunkt, meint Roman Heidrich: „Ein großer Teil des Wohnungsbestandes stammt aus der Nachkriegszeit und ist weitgehend durch niedrigere Baustandards gekennzeichnet. Energetische Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen stellen daher die größte angebotsseitige Herausforderung auf dem deutschen Wohnungsmarkt dar. Die enorm gestiegenen Wohnnebenkosten könnten als Katalysator für die Energiewende im Gebäudesektor wirken.“







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