News RSS-Feed

25.11.2022 Welchen Stellenwert nimmt ESG für Großprojekte ein?

Christine Damke, Fotocredit: BeyondBuild Experts
Die Erfüllung von steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen wird ein zunehmend wichtiger Faktor für die erfolgreiche Gestaltung von Projekten der Immobilienbranche. Laut aktuellen Umfragen der Marktanalysten von bulwiengesa messen dabei fast 90% der institutionellen Investoren in Deutschland den ESG-Kriterien bei Immobilieninvestments eine hohe Bedeutung bei. Ein Anstieg von 20% im Vergleich zum Vorjahr. Gleichwohl würden Institutionelle nur zu 3% eine Ausweitung ihrer ESG-Investitionen um 50% (2021: 13% der Befragten) planen. Welche Rolle spielt ESG also heute für die unmittelbare Zukunft der Immobilienwirtschaft?

Taxonomie- und Offenlegungsverordnung: Der EU-Gesetzgeber gibt den Weg vor

Die Politik lässt nur wenig Zweifel, dass sie es ernst meint mit den Klimazielen. So sieht das jüngste EU-Klimagesetz Klimaneutralität für das Staatenbündnis vor, dass bereits bis 2030 mindestens 55% der Treibhausgase im Vergleich zu 1990 eingespart werden sollen. Um dem gerecht zu werden, sehen die Offenlegungs- und die Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union umfassende ESG-Berichtspflichten vor. Sowohl auf Unternehmens- als auch auf Produktebene.

Kaum ein Manager dürfte auf absehbare Zeit an dem Dreiklang aus Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) vorbeikommen. Der verschärfte Klimakurs bleibt auch auf dem Immobiliensektor nicht ohne Auswirkungen. Zumal der Gebäudesektor durch Bau und Betrieb für circa ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist – „E“ ist also für die Immobilienwirtschaft besonders wichtig. Nachhaltiges Bauen, Renovieren und Bewirtschaften wird dort, wo es bisher noch keine Pflicht ist, nun zum erfolgskritischen Faktor bei zukunftsträchtigen Entscheidungen von Bauherren, Projektplanern und Investoren. Wer ESG in bestehende bzw. neue Projekte integriert, steigert die Attraktivität für institutionelle bzw. neue Investoren.

Stimmungslage unter Großinvestoren: Grüne Immobilieninvestments ein vorrübergehender „Hype“?

Doch die Reaktion der großen institutionellen Geldgeber ist längst nicht mehr so eindeutig wie es die politischen Vorzeichen vermuten lassen würden. Lediglich drei Prozent der jüngst von bulwiengesa befragten Großinvestoren aus der DACH-Region, planen eine Erweiterung ihres Investmentvolumens für nachhaltige Projekte um mindestens 50%. Weniger als jeder Zehnte strebt zumindest ein um 25-50% höheres ESG-Budget an.

Ein deutlicher Dämpfer gegenüber dem Vorjahr, in dem mehr als ein Drittel eine entsprechende Ausweitung der nachhaltigen Investitionen ins Visier nahm. Warum der zweifelsohne deutliche Rückgang kein Grund ist, die ESG-konforme Immobilienentwicklung als „Hype“ abzuschreiben, zeigt der Makrotrend bei den Portfolios der Großinvestoren. Immer beliebter werden die sogenannten Artikel-8- und 9-Fonds, welche bei der Asset-Auswahl Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards berücksichtigen. Mehr als die Hälfte der institutionellen Geldgeber will bis Ende 2023 „sehr wahrscheinlich“ hier investieren, so eine Umfrage im Auftrag des Immobilien-Investmentmanagers Empira.

Energetische Sanierung: Potenziale erkennen mit digitalisiertem Monitoring

Um für die Financiers attraktiv zu bleiben, müssen Projektentwickler und Immobilienexperten die vielgestaltigen Möglichkeiten zu mehr Nachhaltigkeit am Bau - allen voran bei Großprojekten nutzen.

Im Bestand zählt eine modernisierte Wärmedämmung zu den größten Hebeln, um den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß von Gebäuden zu reduzieren.
Allein mit einer umfassenden energetischen Sanierung kann der Primärenergiebedarf um bis zu 90% sinken.

Im Neubau sind sehr gute Dämmwerte bereits Standard; zusätzlich können neue, digitale Optionen zur Betriebsoptimierung zu Einsatz kommen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist das C1 am Berliner Alexanderplatz. Hier werden die Anpassungschancen der technologischen Transformation voll genutzt. Die Integration einer Cloud-Plattform ermöglicht ein präzises Monitoring. Mithilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich Betriebsfehler und Einsparpotenziale der Technischen Gebäudeausrüstung zielgerichtet identifizieren. Abweichungen von Planwerten können systematisch erfasst und automatisiert korrigiert werden; dies entlastet die Betriebsmannschaft so zu Gunsten komplexerer Tätigkeiten. Denn Frühwarnsysteme und intelligente Bestandsprognosen helfen dabei auf Grundlage hoher Datenqualität den Wartungsaufwand in der Breite zu senken.

Smart-Buildings: Digitalisierung als Treiber des nachhaltigen Gebäudemanagements

Die Fortschritte in den Konnektivitätstechnologien, der Sensorik und der intelligenten, datenbasierten Systemsteuerung sind der Motor beim Wandel des Gebäudebetriebs im 21. Jahrhundert. Eine Cloud-basierte Steuerzentrale, in der sämtliche Daten und Messwerte des Objekts zusammenfließen, fungiert dabei als Dreh- und Angelpunkt des Smart Building. Daten wie Innen- und Außentemperatur, Licht- und Luftverhältnisse oder die Sonneneinstrahlung können so durch eine stetig wachsende Zahl von Sensoren erfasst, intelligent mit Prognosen kombiniert und an einzelne Gebäudeeinheiten weitergeleitet werden. Leuchtmittel, Heizflächen, Lüftungsaggregate oder Photovoltaik-Anlagen sind mit den sensorischen Schaltstellen verbunden und werden zu einem kommunizierenden Netzwerk verknüpft.

Das Gebäude als vermeintlich statisches Gebilde wird so zum Organismus, der flexibel auf Veränderungen seiner Um- und Innenwelt reagiert. Was zunächst wie eine visionäre Utopie klingt, hat unter dem Transformationsdruck der Immobilienwirtschaft beste Chancen, schon bald zum Standard für moderne Gebäude zu werden.
Auf Portfolio-Ebene können die Gebäude-Daten aus allen so ausgerüsteten „Digital Assets“ zusammengeführt und strukturiert für das Nachhaltigkeitsreporting verwendet werden.

Nicht nur auf Grund des absehbaren Effizienzgewinns und der sauberen Daten-Governance, sondern auch wegen der enormen Aufwertungspotentiale bei Verkauf und Vermietung dürften digital gestützte Nachhaltigkeitsmaßnahmen den Wandel des Immobilienmarktes über die kommenden Jahrzehnte maßgeblich prägen. Wer die Dynamik dieser Entwicklung in den letzten Jahren verfolgt hat, muss konstatieren: ESG ist nicht mehr nur eine Option unter Vielen, sondern ein Muss und eine der wichtigsten Grundlagen für den Erfolg von Immobilienprojekten der Zukunft.

(Von Christine Damke, Geschäftsführerin BeyondBuild Experts)




Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!