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30.01.2023 Immobilienindex steigt noch immer – mit großem Aber

Der heute vorgelegte bulwiengesa-Immobilienindex 2023 Immobilienpreisentwicklung in Deutschland: Seit mittlerweile 18 Jahren steigen die Immobilienpreise. Erschüttert von Krieg, Inflation, Zinsen und Rezessionsängsten sind der Projektentwickler- sowie der Transaktionsmarkt ab dem zweiten Quartal 2022 praktisch zum Erliegen gekommen. Dennoch kann der Immobilienindex seinen nominalen Wachstumskurs fortsetzen und unterschreitet den Anstieg des Vorjahres nur geringfügig. Jedoch relativiert der Blick auf die Inflationsrate dieses Ergebnis deutlich.

Jan Finke, Projektleiter für den Immobilienindex und Niederlassungsleiter Essen: „Der Preisanstieg mag auf den ersten Blick erstaunen. Auf den zweiten nicht: Der Arbeitsmarkt ist robust, Grundstücke sind weiterhin knapp, zukunftsfähige Objektentwicklungen stark nachgefragt – kein oder ein nur geringer Leerstand halten die Preise hoch. Und selbst im gebeutelten Wohnungsmarkt stiegen im ersten Halbjahr noch kräftig die Preise. Dazu kommt, dass Projektentwickler höchstens im geringen Umfang Preisnachlässe geben können, weil sonst ihre Kalkulation nicht mehr aufgeht.“

Die Ergebnisse für 2022 auf einen Blick:

• Gesamtindex (segmentübergreifend): 4,4 Prozent (2021: 4,7 Prozent)
• Teilindex Wohnen: 5,2 Prozent (2021: 5,8 Prozent)
• Teilindex Gewerbe: 2,7 Prozent (2021: 2,2 Prozent)

Die Methodik und die lange Reihe, in dem der bulwiengesa-Immobilienindex erhoben wird, machen ihn zu einem wichtigen Gradmesser für nachhaltige Entscheidungen in Immobilienmarkt, Stadtentwicklung und Geldpolitik. Die Daten fließen unter anderem in die Preisindizes der Deutschen Bundesbank ein.

Jan Finke: „Nachdem in den 1990er- und Anfang der 2000er Jahre die Veränderungsrate des Immobilienindex zumeist unter der Teuerungsrate lag, prägten reale Zugewinne das Bild der letzten 15 Jahre. Doch nun unterschreitet der Immobilienindex die Inflationsrate zum ersten Mal seit 2008 wieder – bei einer Differenz von 3,5 Prozentpunkten so stark wie seit 1997 nicht mehr.“

Wohnungsmarkt wächst, aber vermindert

Der Teilindex Wohnen steigt seit 2011 mit mindestens fünf Prozent pro Jahr an. Neu ist, dass im Vorjahresvergleich gleich vier der fünf ausgewerteten Variablen verringerte Wachstumsraten aufweisen. Gerade Einfamilienhausgrundstücke und Neubau-Eigentumswohnungen sind betroffen. Einzig die Bestandsmieten wachsen 2022 etwas stärker als 2021. Trotz Abschwächung im Jahresvergleich bleiben die Kaufobjekte die Preistreiber. Reihenhäuser (+7,4 %), Einfamilienhausgrundstücke (+6,1 %) und Neubau-Eigentumswohnungen (+5,5 %) legen trotz Marktschwankung zu. Dagegen ist der Mietanstieg bei Neubau- (+3,1 %) und Bestandswohnungen (+3,0 %) vergleichsweise moderat.

André Adami, Bereichsleiter Wohnen bei bulwiengesa: „Die Kennwerte zeigen nicht oder noch nicht die ausgeprägte Krise, die den Wohnungsmarkt erfasst hat und das Projektvolumen schrumpfen lässt. Die Verkäufe im Eigentum sind massiv eingebrochen, während Mietwohnungen stärker gesucht sind. Die nachvollziehbare Zurückhaltung der Bauherren und Investoren lässt das Neubauziel von 400.000 Wohnungen jährlich in weite Ferne rücken. Das viel zu niedrige Volumen der neuen KfW-Förderung und die Anhebung des linearen AfA-Satzes für neue Wohngebäude von zwei auf drei Prozent werden kaum Abhilfe schaffen.“

Büromarkt: Mieten steigen, Renditen geben nach

Hohe Baukosten und ESG-Anforderungen führen zu einem Anstieg der Büromieten um 3,8 %. Dabei liegt der Büroflächenumsatz – ein wichtiger Gradmesser der Nachfrage in den großen Städten – oberhalb des Mittelwerts seit 2010. Der Leerstand nimmt über alle Märkte nur geringfügig zu, der Büroflächenneuzugang ist mit fünf Prozent im Vergleich zu 2021 leicht gestiegen. Auch wenn die Istwert positiv sind – die Pipeline im Bau befindlicher oder geplanter Objekte ist sichtbar ausgedünnt. Zudem geraten vor allem Nebenlagen künftig stärker unter Druck als zentrale Lagen. Mieterstruktur, Vertragslaufzeit und Lagequalität sowie Nachhaltigkeitsaspekte kommen verstärkt auf die Checkliste der Akteure, bei Mietern ebenso wie bei Investoren.

Oliver Rohr, Bereichsleiter Büro- und Logistikimmobilien bei bulwiengesa: „Die steigenden Renditen im Büromarkt sind Teil eines Preisfindungs- und Einordnungsprozesse, der sich zukünftig, neben den Kapitalmarktbedingungen, noch stärker an Nachhaltigkeitskriterien orientieren wird.“

Einzelhandel: Konsumentenstimmung drückt auf den Markt

Neben dem anhaltenden Strukturwandel im Einzelhandel mit latentem Umsatzrückgang im stationären Einzelhandel haben vor allem die Innenstadtlagen unter dem Rückgang der Passantenfrequenzen 2020/2021 enorm gelitten. 2022 kehrten die Passanten wieder vermehrt zurück, aber echte Kauflust wollte nicht aufkommen. Denn die Konsumentenstimmung leidet unter dem drastischen Anstieg der Energiepreise. Eine stabilisierende Wirkung geht derzeit noch vom robusten Arbeitsmarkt aus, sodass trotz gestiegener Lebenshaltungskosten die Nachfrage nach Waren des periodischen Bedarfs bzw. „Fast-moving-consumer-goods“ weitestgehend stabil bleibt. Gleichwohl findet eine Umlenkung der Nachfrage auf Discounter und preisgünstigere Handelsmarken statt.

Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel bei bulwiengesa: „Die Konsumenten halten sich vor allem beim Einkauf höherwertiger Warengruppen zurück. Diese werden insbesondere in Ladengeschäften in Innenstadtlagen angeboten. In der Folge geraten hier die Umsätze unter Druck, was sich zunehmend auf die Höhe der Einzelhandelsmieten bei Neuabschlüssen auswirkt.“

Die Spitzenmieten in den 1a-Lagen (-3,2 %) setzen ihren Rückgang analog zu den Vorjahren fort, wohingegen Neben- und Stadtteillagen (nominal -0,1 %) moderat betroffen sind. Sinkende Mieten im Markt könnten Chancen für Neuansiedlungen eröffnen; laufende gewerbliche Mietverträge bieten zudem über Indexmietverträge häufig inflationsgesicherte Cashflows.

Gewerbegrundstücke bleiben gefragt

Die Entwicklung der Gewerbegrundstückspreise (+7,6 %) bleibt das Zugpferd unter den analysierten gewerblichen Variablen. In einer globalisierten Welt müssen Waren von A nach B transportiert werden sowie Vorprodukte „just in time“ an der Verarbeitungsstätte vorliegen.

Doch geschlossene Häfen und unterbrochene Lieferketten im Zeichen von Pandemie und Ukraine-Krieg zeigten die Anfälligkeit des globalen Handels. Umso mehr drängt der Markt auf regionale Lagerstätten und Transportketten. Solo-Abhängigkeiten im weltweiten Transportnetz werden gegen multiple Bezugskanäle getauscht und sorgen für eine hohe Nachfrage gewerblicher Flächen in Deutschland. Der Markt für Logistikimmobilien befindet sich im Rekordmodus: Nachfrage, hohes Bauvolumen und stetig steigende Normen lassen nicht nur Grundstückpreise, sondern auch die Mieten steigen. Doch auch der Logistiksektor wird die hemmenden Finanzierungsprobleme weiterhin spüren, was mittelfristig für höhere Preise sorgt.






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