News RSS-Feed

03.02.2015 Frühjahrsgutachten ZIA: In den Schwarmstädten wird es eng

In einigen deutschen Städten und Metropolen wird es eng: Immer mehr junge Menschen zieht es in so genannte „Schwarmstädte“. In diesen Städten, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen sind, stiegen die Miet- und Kaufpreise – nicht nur für Wohn-, sondern auch für Gewerbeimmobilien. Der Mietpreistrend in Deutschland ist weiterhin intakt. Allerdings hat sich im Vergleich zum Vorjahr der Anstieg der Mieten von 3,3 Prozent in Westdeutschland auf jetzt 2,7 Prozent und in Ostdeutschland (ohne Berlin) von 2,5 Prozent auf jetzt 1,9 Prozent verlangsamt. Die moderaten Preissteigerungen sind fundamental begründet. Von einer Preisblase kann in Deutschland aktuell keine Rede sein. Zu diesen Ergebnissen kommt das Frühjahrsgutachten des Rates der Immobilienweisen, das der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) heute an den Parlamentarischen Staatssekretär Florian Pronold (SPD) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit übergeben hat.

„In vielen so genannten Schwarmstädten ist die Nachfrage nach Wohnungen wesentlich größer als das Angebot. Die Immobilienwirtschaft hat auf den nachfragestarken Märkten mit vermehrtem Wohnungsneubau reagiert. Der Marktmechanismus funktioniert auch ohne staatliche Eingriffe. Die Sorge vor unbegrenzt steigenden Wohnungsmieten ist daher unbegründet“, sagt Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA. „Allerdings treiben neben der hohen Nachfrage auch höhere Preise für Bauland, strengere Regulierung und immer schärfere Vorgaben bei der Energieeffizienz die Kaufpreise und Mieten. Mit besseren Rahmenbedingungen und einem investitionsfreundlicheren Klima könnten noch mehr dringend erforderliche private Investitionen in den Wohnungsbau fließen.“

„Eine Ausweitung der Bauinvestitionen könnte helfen, Angebot und Nachfrage in Regionen mit stark gestiegenen Immobilienpreisen mittelfristig wieder ins Lot zu bringen“, lautet der Lösungsvorschlag des Wirtschaftsweisen Prof. Dr. Lars P. Feld, der im Rahmen des Gutachtens die gesamtwirtschaftliche Entwicklung untersucht hat. „Da die Attraktivität von Immobilieninvestitionen maßgeblich von den Renditeerwartungen abhängt, stehen steuerliche Belastungen und regulatorische Vorhaben in einem Zielkonflikt mit der Bereitstellung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum.“ Die politisch gewünschte Mietpreisbremse hält Feld für kontraproduktiv. „Sie stört die Funktion des Preises als Signal der Knappheit, erhöht die Unsicherheit für langfristige Investitionen und verstärkt dadurch die Spannungen in den betroffenen Märkten“, warnt er.

Die Zeiten des Mietpreisanstiegs sind vorbei

„Das Jahr 2014 dürfte das Ende des Mietpreisanstiegs markiert haben. Allerdings ist der Wohnimmobilienmarkt von erheblichen regionalen Unterschieden geprägt. Praktisch der gesamte Mietpreisanstieg lässt sich auf eine Umverteilung der Bevölkerung innerhalb Deutschlands zurückführen, von der eine kleine Zahl von Schwarmstädten profitiert“, stellt Prof. Dr. Harald Simons vom Forschungsinstitut empirica fest, der speziell die Wohnungsmärkte analysiert hat. Michael Kiefer, Chefanalyst und Leiter Immobilienbewertung bei ImmobilienScout24 ergänzt: „Die Nachfrage nach zentralen Lagen ist ungebrochen hoch. Um weiteren Preissteigerungen entgegenzuwirken, ist die Politik auf regionaler Ebene gefragt. Es müssen attraktive Rahmenbedingungen für mehr Neubau in den Städten geschaffen werden. Nur so können Verhältnisse wie in Paris oder London vermieden werden, wo sich inzwischen auch die gut verdienende Mittelschicht das Wohnen in der Innenstadt kaum noch leisten kann.“

Kaufpreise stiegen schneller als Mieten – Aktuell keine Immobilienblase in Deutschland

Die Kaufpreise sind laut Gutachten stärker gestiegen als die Mieten: 2014 hat sich im Vergleich zum Vorjahr der Anstieg in Westdeutschland von 5,1 Prozent auf 5,5 Prozent etwas beschleunigt. Zurückzuführen sei dies auf einen Nachholeffekt. Die Kaufpreise hätten wieder das Niveau von 2004 erreicht. In Ostdeutschland stiegen die Kaufpreise nur um 1,4 Prozent. „Wir rechnen nicht mit weiteren Preissprüngen. Angesichts steigender Baufertigstellungen wären diese auch nicht gerechtfertigt“, sagt Prof. Harald Simons.

Die Entwicklung der Mieten und Kaufpreise für Wohnimmobilien bewegte sich laut Frühjahrsgutachten in den letzten Jahren im Rahmen normaler Marktzyklen.
„Der Wohnungsbau profitiert von den günstigen Finanzierungsbedingungen für Baukredite und der Flucht der Investoren in vermeintlich sichere Anlagen. Betrachtet man die Relation von Preisen und Mieten oder Preisen und Haushaltseinkommen zeigen sich kaum Überhitzungstendenzen. Für einzelne Teilmärkte sind Preisübertreibungen jedoch nicht auszuschließen“, sagt Prof. Dr. Lars P. Feld. Anhaltspunkte für eine kreditfinanzierte Immobilienblase seien jedoch kaum zu erkennen. Die Immobilienkredite seien zwar etwas ausgeweitet worden, im zeitlichen und internationalen Vergleich jedoch nur in moderatem Ausmaß. „Es gibt keine Immobilienblase in Deutschland. Und wir sollten sie auch nicht herbeireden“, warnt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner.

Das Frühjahrsgutachten betrachtet aber nicht nur den deutschen Wohnimmobilienmarkt. „Für funktionierende Städte ist ein Zusammenspiel von Wohn-, Büro-, Einzelhandels- sowie Logistik- und Hotelimmobilien wichtig“, erklärt Mattner.

Einzelhandel vor Strukturwandel

Der Einfluss des Online-Handels macht sich im Marktsegment der Einzelhandelsimmobilien immer stärker bemerkbar, dürfte aber in wichtigen Sortimenten wie Fashion, Bücher und Elektronik sein Wachstumshoch bereits hinter sich gelassen haben. Zum zweiten Mal in Folge hat der stationäre Einzelhandel 2014 Umsatzanteile an den Online-Handel abgegeben. Dennoch hat die Verkaufsfläche in allen Einkaufsmetropolen weiter zugenommen. Die Mieten sind stabil auf hohem Niveau, und die Investitionstätigkeit hat 2014 gegenüber 2013 um 5,8 Prozent zugelegt. „Trotz der soliden Zahlen muss sich der stationäre Einzelhandel dem Strukturwandel stellen“, sagt Manuel Jahn, Leiter Real Estate Consulting bei GfK. „Im Vergleich zum E-Commerce haben stationäre Einzelhändler unter anderem mit einem restriktiven Planungsrecht, mit Beschränkungen der Ladenöffnungszeiten oder höheren Löhnen zu kämpfen. Die Politik muss in diesen Bereichen die Zügel lockern und mit Investoren, Betreibern und Mietern an einem Strang ziehen. Nur so lassen sich verödende Innenstädte vermeiden.“

Von massenhaftem Ladensterben oder der baldigen Substitution des stationären Einzelhandels kann nach GfK Szenarien auch in den nächsten 10 Jahren keine Rede sein. Das Kaufkraftwachstum wird ab 2020 die heute schon erkennbare Abschwächung der Online-Wachstumsdynamik überkompensieren, sodass sich die Rahmenbedingungen für die Erweiterung und Modernisierung von Verkaufsflächen mittelfristig wieder deutlich verbessern sollten.

Dieser Optimismus wird auch durch die Investoren getragen. Unbeeindruckt von den strukturellen Herausforderungen des Einzelhandels legte das Transaktionsvolumen in dieser Assetklasse um fast 6 Prozent zu. Laut der Immobilienberatungsgesellschaft CBRE wechselten Einzelhandelsimmobilien im Wert von 9,2 Milliarden Euro den Eigentümer. „Wachsende Online-Anteile werden nicht als Bedrohung gesehen. In Zeiten niedriger Zinsen gelten deutsche Shoppingcenter und Fachmarktzentren als attraktive Investmentalternative“, stellt Manuel Jahn fest.

Deutsche Gewerbeimmobilien stehen hoch im Kurs

Das gilt generell für deutsche Gewerbeimmobilien: Die Investitionen in diesem Bereich legten 2014 im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel zu. Mit 40,5 Milliarden Euro wurde 2014 das höchste Investitionsvolumen seit 2007 erreicht. Auffällig war der Anstieg von Portfoliotransaktionen auf ein Volumen von 12,5 Milliarden Euro bzw. 31 Prozent aller Gewerbeimmobilieninvestitionen. „Der Standort Deutschland wird als sicherer Hafen gesehen. Davon profitieren nicht nur Büro-, sondern auch Unternehmens-, Logistik- und Hotelimmobilien, die sich je zu einer eigenständigen Anlageklasse entwickelt haben“, sagt Andreas Schulten, Vorstand des Analysehauses bulwiengesa.

Deutsche Büroimmobilien standen sowohl bei privaten als auch institutionellen Investoren aus dem In- und Ausland sehr hoch im Kurs. Mit 17,3 Milliarden Euro verzeichnete dieses Segment das höchste Investitionsvolumen seit 2008. Das entspricht einem Anteil von 43 Prozent des Investitionsvolumens am gesamten Gewerbeimmobilienmarkt. Vor allem die anhaltend gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich positiv auf die Nachfrage nach Büroflächen ausgewirkt. In der Mehrzahl der 127 größten deutschen Büromärkte konnten 2014 die Leerstände abgebaut und das Mietniveau gesteigert werden.

Industrie 4.0 erreicht Immobilienwirtschaft

Unternehmensimmobilien – also gemischt und flexibel genutzte Gewerbeobjekte mit typischerweise mittelständischer Mieterstruktur – spielen eine immer größere Rolle am Gewerbeimmobilienmarkt. Mit einem Wert von rund 543 Milliarden Euro machen sie rund 26 Prozent des Marktwertes von Gewerbeimmobilien aus. „Dieser hohe Substanzwert und hohe Anfangsrenditen von rund 9 Prozent veranschaulichen das Potential dieser Assetklasse. Mit Blick auf die Herausforderungen der Industrie 4.0, also das Internet der Dinge und cyber-physische Systeme, werden sie eine immer größere Rolle im Immobilienmarkt spielen“, sagt Schulten.

Positiver Ausblick für 2015

Die deutsche Immobilienwirtschaft profitiert derzeit von günstigen Refinanzierungsbedingungen, einer guten Wirtschaftslage, einem robusten Arbeitsmarkt und steigendem Investoreninteresse. Die geopolitischen Risiken, die Unsicherheiten im Euro-Raum und die veränderte Regulierung für Banken und Versicherungen wirken sich auf die Immobilienwirtschaft bislang kaum aus. Einige staatliche Regulierungen sowie Steuern und Abgaben trüben allerdings die guten Gesamtaussichten. Dazu gehören nicht zuletzt die Einführung der Mietpreisbremse und die weiter steigenden Belastungen von Grundvermögen durch Grunderwerb- und Grundsteuern. Die von der Bundesregierung beabsichtigte Stärkung der Investitionstätigkeit könnte sich dagegen in Verbindung mit weiterhin niedrigen Zinsen stimulierend auf die Immobilienwirtschaft auswirken.

Erstmals wurden auch die Märkte für Hotel- und Logistikimmobilien untersucht. Das komplette Gutachten mit allen Ergebnissen und Grafiken ist auf Anfrage unter presse@zia-deutschland.de erhältlich.


Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!